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»Ich werde - natürlich - damit enden, dass ich mich umbringe.« Wer schreibt so etwas, wer notiert sich, jung an Jahren, so einen Satz ins Tagebuch? Und legt, einen Monat später, am 18. März 1908, noch einmal nach: »Ich erkaufe mir meine Klugheit mit meinem Leben - Es wäre besser, ich wäre tot - wirklich.« So dramatisch, so von sich überzeugt, und so - wie sich zeigen wird - prophetisch.
Als sie das schreibt, ist Katherine Mansfield (die am 14. Oktober 1888 als Kathleen Mansfield Beauchamp in der Tinakori Road 11 in Wellington, Neuseeland, geboren wird) noch keine zwanzig, verachtet ihre Eltern, denen sie sich überlegen fühlt, für ihren »vulgären« Materialismus und hadert mit der Engstirnigkeit der neuseeländischen Gesellschaft: Dass es hier keinen Spielraum für Entwicklungen gäbe, schreibt sie an ihre ältere Schwester Vera, »keine intellektuellen Beziehungen und keine Hoffnung, sie irgendwo zu finden.« Sie rebelliert auf ihre Weise, macht Erfahrungen: mit der Maoriprinzessin Maata Mahupuku und anderen Schulfreundinnen, dem Cellisten Arnold Trowell, den sie Caesar nennt, dem adonisgleichen Passagier F. R. auf der langen Seereise von London (wo sie dreieinhalb Jahre das Queen's College besucht hat) zurück nach Neuseeland, mit der Illustratorin Edith Bendall. Mit einem Engländer ist sie, »weil sein Körper so wunderschön ist«, im Sommer 1907 drei Wochen lang verlobt. »Ich will alles so weit treiben, wie es geht«, feuert sie sich, in Abwandlung eines Zitats von Oscar Wilde, in ihrem Journal an. Um dann wieder alle zu hassen, sich selbst und ihr Leben zu verabscheuen, sie hat Launen und Wutausbrüche und Anfälle von Eifersucht: und gibt sich ihnen, ungezügelt, wie sie ist, mit Leib und Seele hin. In anderen Momenten dankt sie dem Himmel, »dass ich gerade, obwohl ich verdammenswert bin, niemanden liebe, außer mich selbst.«
Mansfield ist kein Vorzeigemodell, nicht sittsam, nicht sonderlich gesellschaftsfähig, sie hat ihren eigenen Kopf. Sie passt nicht, eckt an (oft genug rufen ihre Äußerungen, ihr Verhalten äußerste Missbilligung hervor), sie weiß um ihr Anderssein, weiß, was Alleinsein heißt, und weiß, dass ihr »äußeres Leben nur ein Phantomleben« ist: Das Wesentliche spielt sich in ihrem Inneren ab. Sie ist Künstlerin, sie will etwas: von sich, von der Welt, mehr als etwas, sie will alles, will frei sein und ungehindert leben, ohne Rücksicht auf Menschen und Konventionen, um unverstellt schreiben zu können und so, dass sie eins wird mit den Worten, dass sie ist, was sie schreibt. Denn aufs Schreiben, das spürt sie früh, läuft es schließlich hinaus. »Ich müsste eine gute Autorin abgeben«, befindet sie am 28. Dezember 1907, über den nötigen »Ehrgeiz und die Ideen« verfügt sie. Selbst wenn sie anfangs kurz an Musik gedacht hat: Das Liebäugeln mit einem Cello war eher ein Techtelmechtel mit dem, der es spielte.
Im Juli 1908 verlässt sie Neuseeland an Bord der Papanui für immer, trifft am 24. August in London ein, ersetzt Arnold durch seinen Zwillingsbruder, den Violinisten Garnet Trowell, für den sie das Gedicht Sleeping Together verfasst, von dem sie ein Kind erwartet: um am 2. März 1909 den elf Jahre älteren Gesangslehrer George Bowden zu heiraten und in derselben Nacht wieder zu verlassen. Das Kind verliert sie Ende Juli in Bad Wörishofen, angeblich durch das Hochstemmen eines schweren Schrankkoffers. Sie flüchtet sich in die Affäre mit Floryan Sobienowsky, einem polnischen Kritiker, der sie nicht nur elf Jahre später mit ihren Briefen erpresst, er hängt ihr zudem einen Tripper an, der ihren frühen Tod in den Weg leitet: Die Infektion, zu spät erkannt und wohl in jenen Jahren auch nicht gut zu behandeln, verteilt sich überall in ihrem Körper, in dem eine Krankheit nach der anderen ausbricht: Bauchfellentzündungen, Gelenkschmerzen, Rückenschmerzen, Brust- und Rippenfellentzündungen, schwerste Erkältungen, das bloße Wort Influenza trägt für sie »eine schwarze Feder auf dem Kopf und einen Schwanz aus dem Sägemehl von Särgen«, bis sich im Dezember 1917 mit einem »FLECK in meiner rechten Lunge« ihre Tuberkulose bemerkbar macht, an der ihre Abwehrkräfte am 9. Januar 1923 schließlich zerschellen. Zu diesem Zeitpunkt lebt sie, seit gut elf Jahren, mal mehr, meist weniger glücklich, mit John Middleton Murry zusammen.
Sie will - außer Schriftstellerin sein, außer leben - so vieles: Will reisen, in Ruhe gelassen werden, »mehr als alles liebe ich es, allein zu sein. Dann lege ich mich hin und rauche und schaue ins Feuer und beginne mir eine AUSSERGEWÖHNLICH gute Geschichte über Marseille auszudenken.« Andere unterhalten, »ich will die Vortragskunst revolutionieren und wiederbeleben«, schreibt sie am 4. November 1908 an Garnet Trowell. Zwischen Blumen und kleinen Bächen mit Murry im Gras liegen. Unabhängig sein. Lieber zu wenig als zuviel geliebt werden. In London sein. Auf dem Land leben, »Städte sind zu abscheulich. Ich würde nie etwas schreiben, müsste ich in ihnen leben.« Endlich einen Roman schreiben. Ein Theaterstück schreiben, um Geld zu verdienen. »Macht, Reichtum und Freiheit. Es ist eine hoffnungslos abgeschmackte Doktrin, dass Liebe das einzige auf der Welt ist, den Frauen beigebracht, in sie gehämmert, von Generation zu Generation, es engt uns auf grausame Weise ein. Wir müssen dieses Schreckgespenst loswerden - und dann, dann bietet sich die Gelegenheit zu Glück und Freiheit.« Sie will mit Murry »ein eigenes Haus haben und ein Kind und eigene Bäume und Früchte .« Kind sein - mit Mitte 20 noch - und geliebt werden: Ihrem Vater will sie »auf die Brust springen und darauf herumtrampeln und schreien, >du musst mich lieben!<«
Sie will schießen lernen. Einfach sein. Einen Gott, mit dem sie »ihre Visionen teilen« kann, aber: »nein, es gibt keinen Gott . Ich dachte an Die Götter, doch sie sind Marmorstatuen mit abgebrochenen Nasen. Es gibt keinen Gott oder Himmel oder Hilfe irgendwelcher Art außer der Liebe.« (Und in einem Brief vom 24. Februar 1920 fragt sie Murry danach, wer Gott erschaffen habe, und setzt in Klammern hinzu: »Ich war es jedenfalls nicht«). Nach den ersten Anzeichen des Frühlings Ausschau halten. Keinesfalls sesshaft sein. »Dem Gefängnis des Fleisches entfliehen«. Arbeiten, weil sie sonst unglücklich ist. Noch mehr arbeiten, »ein Leben ohne Arbeit - ich würde mich umbringen.« Den Tatsachen ins Gesicht sehen, »wenn man das nicht tut, fallen sie dir in den Rücken und werden zu Schrecken, Alpträumen, Riesen, Entsetzen«. Nach Neuseeland zurück.
Keine Angst vor der Dunkelheit haben, im Sommer 1913 schreibt sie an Murry: »Den ganzen Tag über bin ich eine Löwin, mein Liebling, aber mit dem letzten Tageslicht beginne ich mich in ein Lamm zu verwandeln und um Mitternacht - mon Dieu! - um Mitternacht ist aus der ganzen Welt ein Schlachter geworden!« Keine Angst vor dem Tod haben. Überhaupt: keine Angst haben, »ich glaube, das allergrößte Versagen ist es, ängstlich zu sein.« Sich in einen Baum verlieben. Klar sein, auch wenn sie weiß: »In meiner Bemühung, klar zu sein, bin ich grob.« Mit Tschechow lange Gespräche führen. »Handeln und nicht träumen«. Crabbage spielen und Murry gewinnen lassen, damit er Grimassen schneidet. Ein Kind haben (als sie während ihres Aufenthaltes in Bad Wörishofen die Fehlgeburt erleidet, kümmert sie sich wochenlang um den achtjährigen, unterernährten Charlie Walter, den ihre Freundin Ida Baker in einem Londoner Slum gefunden und zu Mansfield geschickt hat: Danach sieht sie ihn nie wieder. Und schreibt die Kurzgeschichte Frau Fischer, in der die Ich-Erzählerin das Kinderkriegen als »schmachvollsten Beruf« abtut). Unterwegs sein. Nicht mehr »ewig durch Zimmer wandern, die mit Vögeln tapeziert sind, mit Chrysanthemen in Urnen und Bündeln von Bändern, und möbliert mit geschwärzter Eiche und Spitzenvorhängen .« Allein leben, denn »selbst wenn ich, durch irgendeinen furchtbaren Zufall, ein Haar auf meinem Brot mit Honig finden sollte - es wäre in jedem Fall mein eigenes Haar.« Einen Menschen, »der mich verstehen würde«. Geld haben, obwohl sie Geld hasst, »aber es ist das Fehlen von Geld, das ich am meisten hasse«. Mehr als eine Frau sein. Von einem Liebhaber am Denken gehindert werden. Einen Ort, »wo ich meinen Hut aufhängen und von dem ich sagen könnte: Hier gehöre ich hin, doch es gibt auf der...
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