Schweitzer Fachinformationen
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Andreas war an diesem frostigen Morgen besonders dankbar für den wärmenden Geruch des Rosenwassers auf seiner Haut. Er zog energisch an den Fahrleinen, um seinen Wagen zu verlangsamen, während er sich dem gusseisernen Eingangstor näherte. Es stand weit offen, denn heute würden den ganzen Tag über Fuhrwerke aus dem Dorf ein und aus fahren. Der bucklige Pförtner trat näher, um im ersten Licht der Morgendämmerung einen Blick auf sein Gesicht zu werfen. »Rein mit dir«, meinte der Alte und nickte als Zeichen des Wiedererkennens, als der junge Épicier seine Kapuze zurückschlug.
Andreas lächelte, nickte ebenfalls und gab seinen beiden herrlichen schwarzen Warmblütern mit einem Zügelschlag zu verstehen, dass sie weitergehen sollten. Er war heute Morgen in Eile und wollte die Waren so schnell wie möglich liefern, damit noch genug Zeit blieb, sein Geschenk zu übergeben.
Sie durften sich nicht erwischen lassen.
Er fuhr an der mächtigen Steinscheune mit den zwei identischen viereckigen Wachtürmen vorbei, die zu seiner Linken aufragte. Er hatte gehört, dass die Frauen und Kinder der angrenzenden Ländereien während der letzten blutigen Wochen des Kreuzzuges Zuflucht hinter den dicken Mauern der Scheune gefunden hatten - in der stinkenden Hitze zusammengepfercht, während das Dorf in Brand gesteckt und ihre Brüder, Ehemänner und Söhne der Reihe nach ausgeweidet oder gehängt wurden.
Heute standen die Holztüren jedoch weit offen, und mehrere Mönche in trostlosen braunen Kutten fegten Armladungen feuchten Strohs von den Steinplatten und stopften es durch ein winziges Fenster in den benachbarten Schweinestall. Das alte Stroh würde dafür sorgen, dass sich der Gestank nach Dung und verdreckten Tieren nicht in der Hitze des Tages in der Scheune ausbreitete, wenn die Hochzeitsgäste schließlich eintrafen. Wer wollte schon auf dem Weg zum schönsten Fest des Jahres Dung riechen? Auf einem Fest zu Ehren des gefechtsmüden Chevaliers von Boschaud, Besitzer des Châteaus de Boschaud, und der schönen Demoiselle Rose, Tochter des Herzogs von Clinchy. Es wäre wohl kaum ein gutes Vorzeichen. Mit ein wenig Glück würden die Mönche anschließend noch Armladungen Lavendel und Rosmarin verteilen. Zumindest, wenn Artemisia in dieser Angelegenheit etwas zu sagen hatte. Er erschauderte vor Kälte und Vorfreude.
Hinter dem Schweinestall befanden sich die Käfige mit den Hähnen, Enten und Hühnern, die lautstark den neuen Morgen begrüßten. Sie hatten Glück gehabt, denn ihre Verwandten hingen bereits ausgeblutet auf Haken in der Küche, um schon bald auf dem Drehspieß zu landen. Andreas lief das Wasser im Munde zusammen.
Er wurde aus seinen Überlegungen gerissen, als sich die Pferde schließlich dem Château selbst näherten. Die aufgehende Sonne traf auf die Granitmauern und drang in jede Ecke, sodass es aussah, als wäre das Haus plötzlich wie durch Zauberei mitten in den weitläufigen Gärten erschienen. Er spürte dieselbe Sonne auf seinem Rücken und hielt die Pferde an, um den Anblick zu genießen, den ihm das Licht offenbarte.
Das Château schien sehr viel fachmännischer erbaut als die anderen Burgen entlang des Plateaus, und er nahm an, dass es ursprünglich dazu gedacht gewesen war, das Blut der Boschauds zu schützen und zu verteidigen. Es war ein dreistöckiges, rechteckiges Gebäude, flankiert von zwei runden Mauertürmen mit denselben konischen Schieferdächern wie die der Türme im Hauptteil der Festung. Zwischen den beiden runden Türmen erhob sich ein viereckiger Turm, der die anderen ein wenig überragte und aussah, als wäre er erst nachträglich hinzugefügt worden. Andreas konnte gerade noch das winzig kleine Fenster unter dem Dachvorsprung ausmachen. Er hatte sich immer gefragt, wofür ein so kleiner Raum wohl verwendet wurde.
Ein weiteres Mal ließ er den Blick über die klaren Linien des Châteaus schweifen. Natürlich war es sehr schlicht, doch er hätte nichts dagegen gehabt, es sein Eigen zu nennen.
Zwei Wachhunde lagen ausgestreckt auf dem weitläufigen, mit Steinen gepflasterten Vorplatz und genossen die Sonne, bevor auch für sie der Tag begann. Eine grüne Rasendecke erstreckte sich bis zur Grenzhecke in der Ferne. Roter und gelber Mohn, Mutterkraut, feine Gräser, Weizenhalme, Löwenzahn und Gänseblümchen glitzerten im Tau und wiegten sich in der sanften Morgenbrise - eingefasst von einem kreisrunden Kiesweg, so breit, dass zwei Fuhrwerke nebeneinander fahren konnten. Dahinter entdeckte Andreas einige gebückte Mönche, die plaudernd mit ihren Hacken das Gras von den Steinplatten vor dem Eingang entfernten. Auch die riesige Linde inmitten des Feldes hatte man sorgfältig zurechtgestutzt. Das war aber auch langsam Zeit geworden. Sowohl der Rasen als auch der Baum hatten mittlerweile ein wenig ungepflegt ausgesehen, und das wollte an einem so bedeutungsvollen Tag wie heute gewiss niemand. Andreas pfiff vor sich hin und tippte mit den Fingern auf das kleine Päckchen, das unter seinem Hemd verborgen war. Ja, dachte er, während er sanft mit den Zügeln schlug, heute wird ein wirklich vollkommener Tag.
Anstatt der breiten Straße zum Haupteingang zu folgen, bog Andreas auf den schmaleren Zuliefererweg ab, der am südlichen Mauerturm vorbei bis direkt vor die Küche und die Kühlkammer führte. Er warf einen Blick auf die Fuhrwerke seiner Kaufmannsgesellen aus dem Dorf. Der Oyer, der sich auf das Grillen von Gänsen verstand, entlud gerade ein Dutzend der gebratenen und in Leinen geschlagenen Tiere. Wenn das Tuch erst einmal entfernt wurde, würde die Haut darunter golden und das Fleisch zart und saftig sein. Der Duft nach Nelken und Muskat verriet, dass das Geflügel unter dem Leinen noch immer warm war. Andreas lief das Wasser im Munde zusammen. Er hatte heute keine Gelegenheit gehabt, seine übliche Schüssel grüne Porée und eine Scheibe Schinken zum Frühstück zu essen, bevor er seine Waren aufgeladen hatte.
Neben dem Wagen des Oyers stand der Karren des Boulangers. In seinen hohen Weidekörben stapelten sich Hunderte kleiner weißer Brötchen. Daneben lagerten Unmengen der weniger verlockenden Tellerbrote - jene schalen, getrockneten Fladen, die zum Servieren der Speisen verwendet wurden. Die Körbe wurden von drei untersetzten Burschen abgeladen. Andreas lehnte sich hinüber und schnappte sich augenzwinkernd eines der weichen Brötchen.
»Merci.«
Andreas lachte, als der Bäcker mit missmutigem Gesicht nach seiner Hand schlug, während er nach einem zweiten Stück greifen wollte.
Etwa zwei Meter entfernt stand der klapprige Karren des Oubloyers. Offensichtlich hatte die Küche im Dorf eine Wagenladung Oblaten als Beilage für die Suppen bestellt. Andreas hatte keine Ahnung, warum man sich die Mühe gemacht hatte. Oublies schmeckten wie Pergament. Es war reine Zeitverschwendung. Das Maultier, das neben ihm angebunden war, schien ihm zuzustimmen, denn es schnaubte und stampfte angewidert mit den Hinterhufen auf. Der blonde Oubloyer trug die Kisten der Reihe nach in die Küche und nickte zur Begrüßung, als er an Andreas vorbeikam. Alle waren viel zu beschäftigt damit, ihre Waren anzuliefern, um Zeit für ein paar freundliche Worte zu haben.
Auf der Fahrt von Châlus zum Château waren einige Deckel von Andreas' Terrakottatöpfen gesprungen. »Sacrebleu!«, fluchte er. Er hätte sich die Zeit nehmen sollen, sie mit Wachs zu versiegeln. Er hatte Glück gehabt, dass nichts herausgeschwappt war. Andreas ging um den Wagen herum und atmete den süßen Duft ein, ehe er die Deckel wieder aufsetzte. Die Hälfte der Töpfe enthielt sein besonderes Rosenwasser, das er mit Muskat, Zimt und Myrrhe verfeinerte. In den anderen Töpfen befanden sich Zucker und Salz. Das Rosenwasser - das auf Festen wie diesem zum Händewaschen verwendet wurde - wurde nach einem Geheimrezept hergestellt und war in den Châteaus der Umgebung sehr begehrt.
Sein Großvater hatte ihm einmal erzählt, dass ein längst verstorbener Pater das Rezept von den Kreuzzügen aus dem Osten mitgebracht hatte. Der Legende der Familie de Vitriaco zufolge entstammte es direkt den Händen Ibn Sı─na─s. Doch das war natürlich Unsinn. Es war in der Familienküche in Genua entstanden. Trotzdem waren solche Gerüchte nicht schlecht fürs Geschäft.
Andreas grinste, als der Küchenjunge Jacobus aus der Küchentür direkt auf ihn zugelaufen kam.
»Bonjour, Monsieur de Vitriaco!«, sagte Jacobus und nickte. »Sie sind etwas zu spät dran. Die Töpfe mit den Gewürzen müssen in die Küche, aber die Töpfe zum Händewaschen sollen die Treppe hinauf in den großen Saal. Abt Roald hat mir aufgetragen, Ihnen behilflich zu sein. Wir sollten uns besser beeilen. Er ist wieder einmal auf Streit aus. Der fette Bastard hat mir heute schon zwei Mal eins auf die Nase gegeben. Er hat furchtbar üble Laune. Er schlug mich mit der geschlossenen Faust und meinte: Rute und Strafe gibt Weisheit; aber ein Knabe, sich selbst überlassen, macht seiner Mutter Schande. Was auch immer das zu bedeuten hat.« Der Junge zuckte mit den Schultern. »Ich lebe nicht bei meiner Maman und schufte wie ein Pferd. Das ist doch sicher keine Schande, Monsieur, nicht wahr?« Das Gesicht des Jungen war vollkommen mit Ruß und Schweiß bedeckt, dennoch warf er Andreas einen trotzigen Blick zu.
»Ach, Jacobus - das Buch der Sprichwörter wurde wohl wieder einmal missverstanden. Und Abt Roald hat immer schlechte Laune. Warum sollte man auch eine Hochzeit feiern und ein Festessen genießen, wenn...
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