Schweitzer Fachinformationen
Wenn es um professionelles Wissen geht, ist Schweitzer Fachinformationen wegweisend. Kunden aus Recht und Beratung sowie Unternehmen, öffentliche Verwaltungen und Bibliotheken erhalten komplette Lösungen zum Beschaffen, Verwalten und Nutzen von digitalen und gedruckten Medien.
Es gab die Sonne, verzauberte Tiere und geschwind fließendes Wasser. Von den Tieren wußte Alexander, daß in ihnen die Seelen der Verstorbenen wohnten, man faßte dieses Hündchen, jenen kleinen Esel lieber zärtlich an, vielleicht waren sie der verwandelte Großvater. Auch in den Wellen der Bäche und Gebirgsflüsse wohnten Wesen, die geheimnisvoll waren, dabei so liebenswert, daß man ihnen stundenlang zuhörte, wenn sie scherzten, tanzten, plätscherten. Ähnliche Wesen hausten in den Bäumen und Gebüschen, besonders reizende und kleine in den Blumen, die man deshalb nicht pflücken durfte.
Das Leben war vollkommen schön, solange der Vater sich im Hintergrund hielt. Das tat er meistens, nur bei festlichen Gelegenheiten unterhielt er sich mit dem Kinde, wobei er es auf eine rauhe Art zu necken liebte. Das Kind weinte nicht, es sah den dröhnend lachenden, bärtigen Herrn durchdringend an, aber der merkte nicht, wie haßerfüllt und wie böse.
Alles schien gut, sogar die Schlangen der Mutter, nur der Vater blieb abzulehnen. Warum lachte der Vater so unangenehm, und wenn man nicht mitlachte, wurde er mürrisch? In seiner Nähe roch es nach Schweiß und Alkohol, in der Nähe der Mutter aber nach Kräutern und schönem Haar.
Gut war Leonidas, der sich einen Pädagogen nennen ließ, obwohl er, bestenfalls, ein Wärter war, wenn er sich auch noch so räusperte und blähte; gut auch Landike, die beleibte und asthmatische Amme. Wie sie schwankend einherging, mit herzlichem, erhitztem Gesicht! Bei ihr war es wohnlich, ihr Busen, der sich freundlich hob und senkte, war die Zuflucht, auf die man bauen konnte. Ihre Geschichten waren nicht so wunderbar, wie die der Mutter, aber sie gingen ans Herz. Landike erzählte vom Rebstock aus Gold mit den smaragdenen Trauben, vom goldenen Strom und vom Sonnenquell, von allerlei Abenteuern, Streichen und Narreteien der kleinen und mittleren Götter, an die großen wagte sie sich nicht heran, denn sie war ehrfürchtigen Sinnes.
Aber wenn die Mutter erzählte, versank alle übrige Welt, es blieb nur ihre tiefe, gleichsam grollende Stimme.
Daß Olympias sprach, geschah eigentlich selten, meistens schwieg sie, schaute nur unergründlich unter einer störrisch gesenkten Stirn. Diesem Blick, der unter langen, zugespitzten Wimpern spöttische Tiefe hatte, war eine unheimlich saugende Kraft eigen, er war zugleich schwärmerisch und eiskalt. Sehr beunruhigend war auch ihr Mund, ein großer Mund mit schmalen, stark geschwungenen Lippen, an das Maul eines ruhenden Löwen erinnernd. Das Haar, welches sie halblang trug, war zottig und lockig, auch ihre ungepflegten, schlanken, knochigen Hände hatten etwas Wildes und Raubtierhaftes. Viele hielten die Königin für sehr dumm, andere wieder für geistig gestört. Sie war logischen Erwägungen völlig unzugängig, von einer bis zur Blindheit hartnäckigen Rechthaberei. Da man sie als jähzornig, sogar als brutal kannte, wagte keiner ihr zu widersprechen; mancher, der es trotzdem riskierte, hatte schon ihre feste Hand im Gesicht gespürt, daß es brannte; sogar Philipp kannte diese gutsitzenden Ohrfeigen.
Meistens schwieg sie, saß und grübelte, höchstens murmelte sie düster, daß sie müde sei. Der ganze Hof beriet, mit welchen Mächten sie ihren mitternächtigen Umgang halte. Warum war sie tags so erschöpft? Weil sie nächtens die schlimmsten Geister beschwor und mit ihnen verkehrte. Das war unanständiger, als habe sie mit einem Sterblichen den Philipp betrogen. Ägyptische Priester, babylonische Magier hatten sie in die anrüchigsten Geheimkulte eingeweiht, auch von Orpheus und Dionysos wußte sie entschieden mehr, als schicklich war. Was trieb sie mit den vielen Schlangen, die in Körbchen bei ihrem Bett wohnten? - Darüber war des Gemunkels kein Ende.
Wenn sie gegen Abend guter Laune wurde, ließ sie sich den jungen Prinzen Alexander kommen. Sie küßte und preßte ihn wild, ihm wurde schwindlig, wenn er den bitter betäubenden Geruch ihres Haars atmete. Sie schaute ihn von unten schwärmerisch und spöttisch an, begann dann unvermittelt zu erzählen, wobei sie sich mit kleinen, schreckhaften Gelächtern unterbrach und dazu mit der knochigen Hand planlos zur Stirn fuhr.
Immer wieder mußte sie die Geschichte von Orpheus erzählen, den die Mänaden zerrissen. Sie zerfetzten ihn zu kleinen Stückchen, weil sie ihn liebten und betrunken waren, er aber, seit dem Verluste seiner Eurydike, keine Frauen mehr mochte. Die neun Musen waren es, die seine blutigen Teilchen klagend sammelten und sie auf einem schönen Berg begruben. - Olympias sang mit ihrer grollenden Stimme die Lieder, welche von Orpheus waren, dann wurde ihrem Kinde feierlicher als beim Beten zumut. Sie summte und brummte, wiegte den Kopf mit dem widerspenstigen Haar; wenn Alexander schon weinte, summte und brummte sie immer noch. «Es ist die Harmonie, die dich weinen macht», sagte sie träumerisch-lehrhaft. «So habe ich als Kind über die kreisenden Figuren der Sterne geweint - -.»
Der Geschichte vom Orpheus irgendwie verwandt, aber in seiner Art noch geheimnisvoller, war das ägyptische Märchen vom göttlichen König Osiris, den sein ebenso listiger wie böser Bruder Typhon tötete.Wie er es anstellte, war grausig und kompliziert. Denn er ließ eigens einen Kasten anfertigen, der genau die edlen Maße des Osiris hatte. Daraufhin tat er, als wolle er mit seinen Freunden, unter denen auch der arglose Bruder war, ein Spiel probieren, dessen Sinnlosigkeit hätte auffallen dürfen: jeder der Gesellen nämlich sollte sich in den Kasten legen, bis der sich fand, der am genauesten hineinpasse. Natürlich paßte keiner hinein, nur Osiris, da schlugen sie den Deckel über ihm zu. Sie warfen ihn in den Fluß, die Greulichen, damit seine Leiche in den Ozean fahre. Wo er festgeschwemmt war, am bewaldeten Ufer, fand ihn Isis, seine Geliebte, Schwester und Mutter, die ihn mit aller Innigkeit suchte. Sie pflegte, schmückte, liebkoste den armen Körper ihres süßen Gatten; aber kaum, daß sie ihn allein ließ, um ihr Söhnlein Horus zu sehen, bemächtigte sich der königlichen Leiche Typhon und zerstückelte sie in vierzehn Teile.
Mit der Geschichte des königlichen Gottes Osiris war geheimnisvoll verquickt die des Tammuz, der in Babylon herrlich gewesen war; auch die des schöngewachsenen Adonis, welchen man in Kleinasien kannte. Alle diese vergossen ihr Blut, um alle diese klagte die Mutter-Geliebte, die Isis, Ischtar, Astarte oder Kybele hieß.
«Man soll Gott schlachten», schloß die Königin ihre Märchen mit wollüstiger Grausamkeit, wobei sie schreckhaft lachte und mit der Hand sinnlos zur Stirn fuhr.
Alexander lauschte ihr mit angstvollem Interesse; er träumte schon von den zerstückelten Leibern. Mit tiefer List und Berechnung erweckte die Olympias sein Grauen, seine zähneklappernde Furcht; um so wunderbarer wirkte, was nachkommen sollte. Denn das Zerstückeltwerden des Gottes war die Voraussetzung für das Wunder seiner Auferstehung; der Jammer mußte groß gewesen sein, damit der Jubel unendlich sein durfte.
Hatten die Weiber auch lange um ihren Tammuz Adonis geweint und sich die Brüste geschlagen, er kam wieder, er offenbarte sich ihnen in der zweiten und eigentlichen Lebendigkeit. - Die Handgelenke ihres angstzitternden Sohnes packte Olympias, so starrten sie gemeinsam auf die blutigen Teile des zerfetzten Körpers, die noch etwas zu zucken schienen. Nun begannen sie auch zu weinen, mit den sich wiegenden Klageweibern, sie hatten einen lautlosen, aber inständigen Jammergesang. Mit schon von Tränen erblindeten Augen starrten sie hin, wo in seinem gebenedeiten Blute der Tote lag, sangen, schluchzten, wiegten sich im Tanze. Erst da sie lange geweint und sich geschlagen hatten, wurden sie des Glückes teilhaftig; endlich kam der Verlorene wieder; in großer Glorie stand der Zerstückelte, sein war die Pracht, die Macht und alle Herrlichkeit.
So freute sich alljährlich Demeter, wenn die verlorene Tochter blühend wiederkam. Auch ihre Geschichte erzählte Olympias dem verzauberten Sohn. «Ich bin ihre Priesterin», raunte sie, die Hand verhüllend am Mund, «auf Samothrake habe ich ihr gedient und habe alles erfahren - -»
Sie enthüllte ihrem Kinde, nur ihm, was sie wußte: es war das Mysterium der blutigen Opferung und der Auferstehung im Lichte.
Von welchem Tage an verschwand die graue, schaukelnde Landike in einer zärtlich schattenhaften Dämmerung? Wann wurde es plötzlich klar, daß der stöckelige Herr Leonidas nicht ernst zu nehmen war, daß man lachen durfte, wenn er hüstelte und sich spreizte? - Das Erwachen kam, ohne daß man es merkte, allmählich.
Ein äußerer Einschnitt war die Übersiedelung ins Männerhaus. Das Kind wurde dem erregenden Einfluß der Olympias entzogen, nur noch bei festlichen Gelegenheiten durfte die Mutter es sehen und liebkosen. Allerdings hielt auch Philipp sich vorläufig zurück, er war in politischen Angelegenheiten stark beschäftigt. Zudem interessierten Kinder ihn nicht, er hatte beschlossen, persönlich sich erst dann mit Alexander abzugeben, wenn der Junge fünfzehn Jahre alt sein würde. - Um diese Zeit war er noch nicht ganz dreizehn.
Philipp vertraute seinen griechischen Pädagogen. Es waren wohlgepflegte und gewandte Herren, denen ein geziemendes Lächeln stets zur Verfügung stand. Da er sie hoch bezahlte, dachte der König, sie müßten auch tüchtig sein. Sie versprachen, den Prinzen in die Grundlagen der Mathematik einzuführen, ihm auch etwas Rhetorik und Geschichtskunde beizubringen; sogar das Leierspielen sollte er lernen.
Seine Hoheit wären...
Dateiformat: ePUBKopierschutz: Wasserzeichen-DRM (Digital Rights Management)
Systemvoraussetzungen:
Das Dateiformat ePUB ist sehr gut für Romane und Sachbücher geeignet - also für „fließenden” Text ohne komplexes Layout. Bei E-Readern oder Smartphones passt sich der Zeilen- und Seitenumbruch automatisch den kleinen Displays an. Mit Wasserzeichen-DRM wird hier ein „weicher” Kopierschutz verwendet. Daher ist technisch zwar alles möglich – sogar eine unzulässige Weitergabe. Aber an sichtbaren und unsichtbaren Stellen wird der Käufer des E-Books als Wasserzeichen hinterlegt, sodass im Falle eines Missbrauchs die Spur zurückverfolgt werden kann.
Weitere Informationen finden Sie in unserer E-Book Hilfe.