Schweitzer Fachinformationen
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Wir verwöhnen unsere Haustiere, und abends grillen wir Rindersteaks. Wir sehen uns Naturdokumentationen an und wissen gleichzeitig, dass die meisten Nutztiere ein elendes Leben führen, bis sie auf unseren Tellern landen. Henry Mance zeigt uns, wie wir diese Widersprüche auflösen und einen respektvolleren Umgang mit allen Arten dieses Planeten etablieren können.
Wenn die Leute sagen: »Wir dürfen nicht sentimental werden«, kann man davon ausgehen, dass sie etwas Grausames vorhaben. Und wenn sie hinzufügen: »Wir müssen realistisch sein«, heißt das, dass sie damit Geld machen werden.
Brigid Brophy
Früher habe ich gedacht, die Menschen seien ursprünglich gleichgültig gegenüber Tieren gewesen, doch im Laufe von Jahrtausenden seien sie allmählich mitfühlender geworden. Falsch. Unser Verhältnis zu Tieren - genauer gesagt: zu anderen Tieren - ist so irrlichternd wie der Flug einer Biene, die um einen Lavendelbusch tanzt.
Unsere Evolution verlief Seite an Seite mit anderen Tieren. Zuerst haben sie uns gejagt, dann wurden wir selbst zu Jägern. Die frühesten bekannten Höhlenmalereien fand man in Indonesien, sie sind 40000 Jahre alt und stellen die Jagd auf Schweine und Büffel dar. Die meisten der Darstellungen in Lascaux, Frankreich, die etwa 18000 Jahre alt sind, zeigen ebenfalls Tiere, sogar ein Wollnashorn ist dabei. Wir haben etwas getan, das keine andere Tierart tut: Wir haben bestimmte Tiere gezüchtet, um sie zu essen, oder damit sie uns Gesellschaft leisten. (Kühe, Schweine, Schafe und Ziegen wurden bereits vor mindestens 8000 Jahren domestiziert - Katzen und Hunde ebenfalls.)
Es ist also wenig überraschend, dass für viele der frühen menschlichen Gemeinschaften eine spirituelle Verbindung zwischen Menschen und anderen Tieren bestand. Diese Weltsicht scheint in einigen Punkten eher mit der heutigen Forschung zu Tieremotionen und -bewusstsein übereinzustimmen als unsere Haltung. Unsere Vorväter glaubten, dass Menschen und Tiere (sowie Pflanzen und unbelebte Objekte) eine Seele und ein Bewusstsein hätten, und dass Tiere sogar einen separaten menschlichen Körper besäßen. Einige Menschen konnten sich zeitweilig in ein Tier verwandeln; einige Tiere besaßen wiederum schamanische Kräfte. In den Schöpfungsmythen vieler Völker werden die Menschen als Nachkommen anderer Tiere betrachtet, oder Tiere gelten als Helfer der Menschen. Bei den Kayapó, einem indigenen Stamm, der heute noch im brasilianischen Amazonasgebiet lebt, glaubt man, dass eine Ratte die Menschen zum Mais geführt habe. Es ist offensichtlich, dass sie einen ganz anderen Blick auf Ratten haben als wir. Derartige Überzeugungen hinderten die Menschen jedoch nicht daran, Tiere zu töten - denn diese Gemeinschaften lebten von der Jagd. Doch sie waren sich zumindest theoretisch darüber bewusst, dass sie den Tieren Respekt und Fürsorge schuldeten.
Noch heute finden sich ähnliche Überzeugungen bei vielen indigenen Völkern von Kanada bis zur Kalahari-Wüste. Eine Voraussetzung ist der Glaube, dass es direkte, negative Konsequenzen für die Menschen hat, wenn man Tieren nicht den nötigen Respekt entgegenbringt. Aspekte des animistischen Glaubens gingen in den Hinduismus und den Buddhismus ein und bereiteten den Boden für die westliche Vegetarierbewegung.
Die alten Ägypter beerdigten mumifizierte Katzen, Hunde, Krokodile und andere Tiere neben den Verstorbenen - einige waren geliebte Haustiere, andere sollten im jenseits als Nahrung dienen, einige waren Gaben für die Götter. Dabei handelte es sich nicht etwa um ein Randphänomen: Archäologen schätzen, dass bis zu 70 Millionen Tiere gezüchtet wurden, um als Opfergaben verwendet zu werden, was einer Massentierhaltung gleichkommt. Wie viel Wohlstand die Menschheit auch erlangt hat, wir wollen nicht von unseren Tieren getrennt werden. Vieles spricht dafür, dass wir während unserer Evolution eine Vorliebe für sie entwickelt haben, und dass die Gene, die uns dafür prädestinieren, zumindest mit einigen Tierarten zusammenzuleben, sich als vorteilhaft erwiesen haben.
Einige antike griechische Denker wie Pythagoras und Porphyrios waren aus ethischen Gründen Vegetarier. Doch sie waren in der Minderheit. Jahrhunderte lang galt in Europa die Überzeugung, dass der Mensch sich grundsätzlich vom Tier unterscheidet. Diese Unterscheidung war eng mit den Glaubenssätzen der Kirche verbunden. Im Gegensatz zu den Kulturen, die Tiere als Helfer ansahen, die die menschliche Existenz erst ermöglichten, wird die Schlange in der Bibel beschuldigt, Eva in Versuchung geführt zu haben. Der Mensch hat nichts gemein mit den wilden Tieren und nur er kann Erlösung erfahren. Thomas von Aquin glaubte, Gott habe die Tiere zum Nutzen der Menschen erschaffen. Im 17. Jahrhundert versicherte der französische Philosoph René Descartes seinen Lesern, dass Tiere keine Seele hätten - ihre Schreie seien nur mechanische Reaktionen, wie der Stundenschlag einer Uhr. Bevor es moderne Anästhesie gab, war diese Auffassung äußerst hilfreich für Biologen. In einem französischen Labor hätten die Wissenschaftler »mit vollkommener Gleichgültigkeit Hunden Schläge erteilt«, erinnerte sich ein bestürzter Beobachter namens Nicolas Fontaine. »Sie haben die armen Tiere an ihren vier Pfoten auf Bretter genagelt, um sie zu vivisezieren und die Zirkulation ihres Blutes zu beobachten, was damals in aller Munde war.«
Einige europäische Philosophen behaupteten, für den Menschen bestehe die Gefahr nicht darin, Tiere zu missachten, sondern sie zu respektieren. Descartes argumentierte, wenn die Menschen dächten, ihre Seelen würden sich nicht von denen der »Bestien« unterscheiden, dann würden sie glauben, »wir hätten daher nach diesem Leben nichts zu fürchten noch zu hoffen, nicht mehr als die Fliegen und die Ameisen«. Der niederländische Philosoph Baruch de Spinoza befürchtete, wenn die Menschen freundlich zu Tieren seien, würden sie auch sich selbst bald als Tiere ansehen - und damit die gesamte Zivilisation gefährden. (Da es das 17. Jahrhundert war, verurteilte er das zunehmende Mitgefühl gegenüber Tieren als »weibliche Schwäche«. Adam und Eva, Teil 2, nur dass Eva dieses Mal von einem Haushund anstelle einer wildlebenden Schlange verführt wurde.) Im England der frühen Neuzeit war es sogar ein Tabu, sich als Hund zu verkleiden - beispielsweise in einer Theateraufführung. Den Menschen war sehr daran gelegen, ihren besonderen moralischen Status zu demonstrieren.
Descartes' Versuch, andere Lebewesen als seelenlose »Automaten« abzutun, wurde durch die wissenschaftliche Forschung widerlegt. Er wusste, dass Menschen und »Bestien« dieselben Organe hatten (einer seiner englischen Zeitgenossen, der Schriftsteller Gervase Markham, behauptete, er habe nicht ein Pferd mit einem Gehirn gefunden, obgleich er mehrere Pferdeköpfe aufgeschnitten hatte). 250 Jahre später würde Darwin beweisen, dass Menschen und Tiere nicht nur vergleichbare Gehirne besitzen, sondern auch dieselbe Entstehungsgeschichte teilten.
Die Menschen erkannten, dass Tiere Emotionen haben, selbst wenn Descartes' Philosophie etwas anderes besagte. Im Jahr 1667 schnitt der englische Wissenschaftler Robert Hooke einen lebenden Hund auf, direkt vor den Augen des versammelten Publikums in der Royal Society. Seinem eigenen Bericht nach »entfernte [er] alle Rippen und öffnete den Bauch.« Anschließend führte er einen Blasebalg in die Lunge des Hundes ein, um ihn am Leben zu erhalten. »Ich wollte einige Untersuchungen zum Vorgang der Respiration vornehmen«, berichtete er. Das Experiment war erfolgreich. Aber Hooke konnte das Leid des Hundes nicht ignorieren. Er war so erschrocken über »die Tortur, die die Kreatur erlitt«, dass er sich weigerte, das Experiment zu wiederholen.
Viele Menschen sorgten sich nun nicht mehr darum, von Tieren angegriffen zu werden, oder dass die Zivilisation zusammenbräche, wenn sie ihnen mehr Mitgefühl entgegenbringen würden. Wir haben keine Belege für all die zahllosen Momente, in denen die Verbundenheit von Mensch und Tier deutlich wurde, doch wir wissen, dass Anne Boleyn ihren Hund so sehr liebte, dass keiner außer Heinrich VIII. es wagte, ihr von seinem Ableben zu berichten. In seinem großartigen Buch Man and the Natural World (1983) zeigte der britische Historiker Keith Thomas, wie die Mauer zwischen Menschen und anderen Tieren im Lauf der Jahrhunderte Risse bekam. Als die Menschen in die Städte zogen, begannen sie, die Tiere nicht länger nur als Wirtschaftsgut, sondern auch als Gefährten anzusehen. (Ich habe Thomas gefragt, warum er sich so sicher sei, dass die Landflucht dafür verantwortlich war. Er erzählte mir von seiner eigenen Kindheit auf einem Bauernhof in Wales in den 1930er- und 40er-Jahren, als die Hunde nicht ins Haus durften und die Pferde geschlagen wurden, wenn ein Karren während der Kornernte im matschigen Boden steckenblieb. »Mitgefühl war überhaupt nicht vorhanden«, erinnerte er sich.) Im 17. Jahrhundert kehrten Reisende aus Indien als überzeugte Vegetarier zurück - und lösten einen frühen Trend aus. Anders ausgedrückt: Selbst wenn die meisten Religionen behaupteten, die Menschen müssten keine Rücksicht auf die Gefühle der Tiere nehmen, waren viele Europäer doch gewillt, es zu tun.
Das Aufkommen von Tierrechten in der westlichen Welt wird oft mit dem englischen Philosophen Jeremy Bentham in Verbindung gebracht. Er wurde 1748 geboren, aß gerne Fleisch, trug Stiefel aus Robbenfell und trat im Namen der medizinischen Forschung dafür ein, Tauben mit Stromschlägen zu töten. Er schrieb vergnügt über...
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