Schweitzer Fachinformationen
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Prolog
Monmouth Castle England, nahe der walisischen Grenze Oktober 1400
Das Knarren der Stalltür weckte ihn auf.
Williams Hand fuhr an den Griff seines Schwertes, als er den Kopf vom Stroh hob, um zu lauschen. Leichte Schritte überquerten den Boden. Geräuschlos erhob er sich. Niemand, der zu dieser Stunde in den Stall kam, konnte gute Absichten hegen.
Eine Gestalt in einem Kapuzenumhang huschte an den Pferden entlang und veranlasste sie, die Köpfe zu heben und zu schnauben. William wartete, während der Mann sich streckte, um eine Laterne anzuzünden, die an einem Pfosten hing. Ob der Eindringling etwas im Schilde führte oder nicht, Feuer war immer eine große Gefahr im Stall. Sobald der Mann seine Kerze ausblies, war William mit drei raschen Schritten bei ihm.
Als er sich auf ihn stürzte, drehte sich der Eindringling um.
William hörte das Rauschen von Röcken und sah das Gesicht eines Mädchens, das erschreckt die Augen aufriss. Reflexartig umschlang er es mit den Armen und drehte sich gerade noch rechtzeitig, um ihren Sturz abzufedern, bevor sie auf dem Boden aufprallten.
»Bitte verzeiht!«, keuchte er, während er sich von ihr löste und sich aufrappelte. »Habe ich Euch verletzt?«
Er hätte ihr seine Hand angeboten, um ihr aufzuhelfen, aber sie war so schnell wie er wieder auf den Beinen, und ihr helles Haar löste sich in leuchtenden Wellen aus der Kapuze. Sie hatte ihr Gewicht nach vorn verlagert und beäugte ihn argwöhnisch.
William starrte sie an. Wie konnte er dieses reizende und zerbrechlich wirkende Mädchen für einen Mann gehalten haben? Dem feinen Seidenkleid nach zu urteilen, das durch den Spalt ihres Umhangs zu sehen war, hatte er eine hochwohlgeborene Dame angegriffen. Ihre Gesichtszüge waren fein und ihre vollen Lippen leicht geöffnet.
Er kniff die Augen in dem Versuch zusammen, in dem schwachen Licht herauszufinden, welche Farbe ihre Augen hatten. Ohne nachzudenken, streckte er die Hand aus, um einen Strohhalm aus ihrem Haar zu entfernen. Er zuckte zurück, als er die Schneide in ihrer Hand blitzen sah. Er hätte sie ihr ohne Schwierigkeiten entwenden können, aber er wollte sie nicht ängstigen.
»Wer seid Ihr, und was macht Ihr hier?«, verlangte sie zu wissen. Sie atmete schwer und zeigte mit dem Messer auf sein Herz. »Antwortet mir, oder ich rufe die Wache.«
»Ich bin ein Ritter in Diensten des Earl von Northumberland«, sagte er beruhigend. »Ich bin spät angekommen, und die Halle war voller Gäste, weshalb ich beschloss, hier meine Bettstatt aufzuschlagen.«
Er gedachte nicht, ihr zu sagen, dass er sich im Stall versteckte. Als er am Abend Northumberlands Nachricht in der Halle überbracht hatte, hatte er eine gewisse Witwe erblickt, die er vom Hof her kannte. Da er es vorzog, allein zu schlafen, war er rasch geflohen.
»Da Ihr jetzt wisst, weshalb ich hier bin, darf ich dann dasselbe von Euch erfahren?«, forderte er und legte den Kopf schief. »Ich denke, Ihr seid es, die sich um diese Zeit nicht allein hier aufhalten sollte.«
Sie antwortete ihm nicht, doch selbst bei dem schlechten Licht konnte er sehen, wie ihre Wangen erröteten.
»Ihr wisst gewiss, dass es für eine junge Dame gefährlich ist, zu dieser Nachtzeit allein herumzulaufen - vor allem, wenn das Schloss voller Männer ist und der Wein ohne Unterlass fließt.«
»Ich konnte nicht schlafen«, sagte sie mit einer Stimme, die vor Trotz schrill war. »Deshalb habe ich beschlossen auszureiten.«
»Ihr könnt nicht mitten in der Nacht allein ausreiten!« Leiser fuhr er fort: »Also wirklich, so töricht könnt Ihr nicht sein.«
Ihre Augen funkelten, als sie die Lippen aufeinanderpresste - ihm kam ein verstörender Gedanke.
»Falls Ihr Euch mit einem Mann trefft, dann schätzt er Euch nicht so, wie er es sollte. Sonst würde er Euch nicht bitten, ganz allein zu ihm zu kommen.« Er hielt sie für ungefähr sechzehn, ein halbes Dutzend Jahre jünger, als er selbst war. Jung genug, so nahm er an, um so naiv zu sein.
»Zu einem Mann rennen?«, sagte sie und verdrehte die Augen gen Himmel. »Also, das wäre wirklich töricht.«
Sie steckte das Messer in die Scheide an ihrem Gürtel zurück. Offenbar hatte sie beschlossen, dass er keine Bedrohung darstellte. Bevor er darüber erleichtert sein konnte, drehte sie sich um und griff nach der Trense an dem Pfosten, der ihr am nächsten war.
»Ich gehe jetzt«, verkündete sie mit der Trense in der Hand.
»Das kann ich nicht zulassen«, sagte er und fragte sich sogleich, wie er sie davon abhalten sollte. Es würde ihnen beiden erheblichen Ärger bereiten, wenn er sie zu dieser späten Stunde in ihre Gemächer tragen würde, wobei sie zweifelsohne schreien und um sich treten würde.
»Gewiss hat der Ausritt Zeit bis morgen«, argumentierte er.
Sie starrte ihn mit grimmiger Entschlossenheit an, sodass er sich fragte, mit welchem Trick sie versuchen würde, an ihm vorbeizukommen.
»Wenn ich Euch den Grund verrate, weshalb ich nicht warten kann«, sagte sie schließlich, »lasst Ihr mich dann gehen?«
Er nickte, obwohl er immer noch fest entschlossen war, sie aufzuhalten.
»Ich werde morgen heiraten.«
Die Welle der Enttäuschung in seiner Brust überraschte ihn. Obwohl er gehört hatte, dass das Schloss wegen einer anstehenden Hochzeit so voll war, war ihm nicht in den Sinn gekommen, dass dieses herzzerreißend liebreizende Mädchen die Braut sein könnte.
Als er nichts erwiderte, schloss sie daraus, dass weitere Erklärungen vonnöten wären, um ihn davon zu überzeugen, sie gehen zu lassen. »Ich erwarte nicht, dass dies eine glückliche Ehe für mich wird«, sagte sie und reckte das Kinn. »Mein Verlobter ist ein Mann, den ich weder mögen noch bewundern kann.«
»Dann müsst Ihr das Eurem Vater sagen; vielleicht ändert er ja seine Meinung noch.« Bereits während er das sagte, war William klar, dass es dafür viel zu spät war, da die Hochzeit für den folgenden Tag angesetzt war.
»Ich bin die Erbin einer bedeutenden Burg«, sagte sie ungeduldig. »Ich kann von meinem Vater oder dem König nicht erwarten, bei der Entscheidung, welcher Mann die Herrschaft darüber bekommt, meine Wünsche zu berücksichtigen.«
»Welche Einwände habt Ihr gegen den Mann?« William hatte kein Recht, diese Frage zu stellen, aber er wollte es wissen. Er fragte sich, ob diese junge Unschuld vielleicht mit irgendeinem Lüstling verheiratet wurde, der alt genug war, ihr Großvater zu sein. So etwas kam oft genug vor.
»Er ist voller Grausamkeit, ich habe es gesehen.« Ihre Augen blickten ernst und unerschrocken. »Er ist kein Mann, dem man trauen kann.«
Ihre Antwort überraschte ihn erneut. Und doch zweifelte er nicht daran, dass sie ihm die Wahrheit sagte, so wie sie sie sah.
»Morgen werde ich tun, was mein Vater und mein König von mir verlangen, und diesen Mann heiraten. Von diesem Moment an werde ich tun müssen, was mein Ehemann mir sagt, und ihm in allen Dingen gehorchen.«
William dachte natürlich daran, dass der Mann sie mit in sein Bett nehmen würde, und fragte sich, ob sie sich dessen ebenfalls bewusst war.
»Heute Nacht müsst Ihr mir diese letzte Stunde der Freiheit gewähren«, sagte sie entschlossen. »Das ist nicht zu viel verlangt.«
William hätte ihr sagen können, sie solle dem Urteil ihres Vaters und des Königs vertrauen, dass diese sie gewiss keinem Mann geben würden, der ihrer derart unwürdig war. Aber er glaubte es selbst nicht.
»Ich reite mit Euch«, sagte er. »Oder Ihr geht nicht.«
Sie kniff die Augen zusammen und musterte ihn eine Zeit lang. Da er das Licht im Rücken hatte, konnte das Mädchen ihn längst nicht so gut sehen wie er sie. Ein willkommener Vorteil, denn er wollte sie nicht verschrecken. Er war sich vollkommen bewusst, dass trotz seiner Jugend etwas an seinen Gesichtszügen und seinem strengen Gebaren war, das selbst erfahrene Kämpfer einschüchterte.
»Ihr müsst mich das für Euch tun lassen«, sagte er und streckte die Hand nach dem Zaumzeug aus. Fast seufzte er laut vor Erleichterung, als sie schließlich nickte und ihm das Zaumzeug in die Hand drückte.
Als er die Pferde sattelte, versuchte er die Stimme in seinem Hinterkopf zu verdrängen, die ihm sagte, dass es Wahnsinn war. Bei Gott, der König selbst hatte beim Zustandekommen dieser Heirat die Hand im Spiel. Wenn er dabei erwischt wurde, dass er die Braut am Vorabend ihrer Hochzeit allein bei einem Ausritt begleitete, würde der König ihn erschlagen lassen.
»Haltet den Kopf gesenkt«, ermahnte er sie, als sie über den äußeren Burghof zum Tor ritten. »Achtet darauf, dass Euer Umhang Euer Kleid bedeckt - und jede Strähne Eures hellen Haares.«
Die Wachen erinnerten sich daran, dass er mit Nachrichten von Northumberland, dem »Königsmacher«, gekommen war. Sie machten ihm keine Schwierigkeiten.
William und das Mädchen ritten in die kalte, sternenklare Nacht hinaus. Sobald sie den Pfad entlang des Flussufers erreicht hatten, übernahm sie die Führung. Sie trieb ihr Pferd an, als wäre der Teufel persönlich hinter ihr her. Als sie es schließlich zügelte, schloss William zu ihr auf. Die Flanken seines Pferdes bebten.
»Ich danke Euch hierfür«, sagte sie und schenkte ihm ein Lächeln, bei dem ihm das Herz in der Brust eng wurde.
Sein Atem ging schnell, als er sie anstarrte. Sie war atemberaubend. Ihr Gesicht strahlte vor Glück, und ihr helles Haar schimmerte im...
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