Schweitzer Fachinformationen
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Es war Viertel nach acht Uhr morgens, als das Telefon auf Jill Ryersons Schreibtisch klingelte.
»Kapitalverbrechen«, sagte sie. »Ryerson am Apparat.«
»Ms. Ryerson, hier ist Valerie Drammell, ich bin der Hilfssheriff oben in der Hand. Ich habe Ihre Visitenkarte hier und dachte mir, ich gebe Ihnen wegen der Umstände bei uns vor Ort Bescheid.« Eine Männerstimme mit einem Frauennamen, erkannte sie. Er sprach hastig und atemlos, so abgehackt, dass es zuerst schwierig war, ihn zu verstehen.
»Was sagten Sie, von wo Sie anrufen, Mr. Drammell?«
»Aus der Hand, Ma'am.« Dann räusperte der Mann sich. »Aus Dread's Hand, um genau zu sein, Ma'am.«
Der Ortsname war ihr geläufig - er war zu ungewöhnlich, als dass man ihn vergessen konnte -, aber im Moment entging ihr, woher oder wieso sie ihn kannte. Aber irgendetwas war dort kürzlich passiert, vielleicht innerhalb der letzten zwölf Monate, und irgendwie hatte sie etwas damit zu tun gehabt.
»Was für Umstände haben Sie da oben, Drammell?«
»Hören Sie, ich habe hier einen Mann, der hier lebt, namens Joe Mallory«, erklärte Drammell. »Er sagt, dass er einige Leute umgebracht hat und die Leichen hier in der Gegend im Wald begraben hat. Er hat . na ja, es sieht so aus, als hätte er Blut auf der Kleidung, getrocknetes Blut. Frisch sieht es nicht aus. Er wirkt . er sieht ungut aus, Ms. Ryerson - äh, Detective. Ich habe doch die richtige Nummer, ja? Ist das die richtige Nummer?«
Sie versicherte Drammell, dass er die korrekte Nummer gewählt hatte, und sagte, dass sie so schnell wie möglich kommen würde. Nachdem sie aufgelegt hatte, verließ sie ihr Büro und spähte in die Zentrale, wo Mike McHale hinter dem Schreibtisch saß.
»Dread's Hand«, sagte sie. »Wo ist das?«
Mike McHale zuckte nur mit den Schultern. Er war kein auffallend beleibter Mann, bewegte sich aber, als wäre er es. Auf der Anrichte hinter McHales Schreibtisch lag ein Straßenatlas. Er lehnte sich hinüber, grunzte dabei, und nahm ihn sich. Er schlug den Atlas auf seinem Tisch auf und sah sich eine der Karten genauer an.
»Eben hat der Hilfssheriff von da angerufen. Er sagt, er hätte einen Ortsansässigen, der behauptet, mehrere Menschen ermordet zu haben.«
Stirnrunzelnd sah McHale von der Landkarte auf. »Oh ja?«, sagte er.
Ryerson zuckte die Achseln.
»Hier ist das«, sagte McHale und tippte mit dem Finger auf eine vergrößerte Karte von Alaskas Landesinnerem. »Ganz da draußen in den Bergen. Schätze, wir brauchen um die anderthalb Stunden bis dahin«, sagte McHale.
Ryerson verzog eine Seite ihres Mundes zu einem halben Lächeln. »Wir?«
»Was für ein Mann wäre ich denn, wenn ich dich mutterseelenallein losziehen und Mordverdächtige jagen ließe?«
»Dann darfst du fahren«, sagte sie.
Sie fanden Drammell auf einer Bank vor der Dorfkirche. Er saß neben einer ausgemergelten Vogelscheuche von einem Mann, dem sein krauser Bart bis unters Schlüsselbein hing. Ryerson und McHale stiegen aus ihrem Streifenwagen aus und näherten sich den Männern entspannt. Es dauerte keinen Sekundenbruchteil, bis Ryerson die kupferbraunen Streifen aus getrocknetem Blut vorn auf Mallorys Thermohemd und an seinen Hosenaufschlägen auffielen. Nicht, dass sie das sofort überbewertete - schließlich konnte dieser Mann die letzten beiden Tage im Wald auch Wild ausgeweidet haben -, aber als er sie das erste Mal ansah, flößte ihr irgendetwas in Mallorys grauen Augen ein Gefühl von Kälte ein.
»Ich bin hier, weil ich damit ins Reine kommen will«, sagte Mallory, bevor Ryerson und McHale auch nur den Mund aufmachen konnten.
»Womit?«, fragte Ryerson.
»Kommen Sie mit und ich zeig's Ihnen«, erklärte Mallory. Er nahm Val Drammells Schulter zur Hilfe, um sich von der Kirchenbank hochzustemmen. Drammells Miene vermittelte den Eindruck, dass die Berührung des Mannes ihn anwiderte, auch wenn er keinerlei Versuche unternahm, die Hand von seiner Schulter zu stoßen. Als sein Blick zu Ryerson schweifte, wirkte er äußerst erleichtert, dass sie hier war und dass er sein Problem an sie und ihren Kollegen abgeben konnte.
»Einen Moment«, sagte Ryerson. »Mr. Drammell hier hat uns angerufen und gesagt, dass Sie hier in der Gegend mehrere Menschen getötet haben. Stimmt das?«
»Ja, Ma'am«, sagte Mallory.
»Haben Sie das erst kürzlich getan?«
»Oh nein, Ma'am. Das habe ich schon länger nicht mehr gemacht.«
»Wo sind sie?«
»Das wollte ich Ihnen zeigen, Ma'am«, sagte Mallory. Er zeigte auf die Bäume, die das Vorgebirge der White Mountains umkränzten.
»Da befinden die sich? Da oben?«
»Alle«, sagte Mallory.
»Menschen«, schob Val Drammell ein. »Er sagt, er hat da oben mehrere Menschen begraben. Nur, damit das allen klar ist.«
»Ich verstehe«, sagte sie zu Drammell. Dann sah sie wieder Mallory an. »Das ist es, was Sie uns hier sagen, oder? Dass Sie mehrere Menschen getötet und sie da oben begraben haben. Stimmt das?«
»Stimmt«, sagte Mallory.
Sie sah einen Augenblick lang zur Waldgrenze hinauf, bevor sie ihren Blick wieder auf Mallory fallen ließ. Diese Wälder waren immens und das Vorgebirge schwieriges Terrain. Außerdem sah Mallory unterernährt aus und stand ungefähr so sicher auf den Beinen wie ein neugeborenes Fohlen. »Wie weit ist es bis dahin?«
»Das schaffen wir auf jeden Fall zu Fuß«, antwortete Mallory, obwohl Jill Ryerson angesichts seines Äußeren und der Art, wie er Drammells Schulter gerade eben als Krücke zum Aufstehen von der Bank benutzt hatte, stark daran zweifelte.
»Ich glaube, Sie brauchen vorher vielleicht erst mal ärztliche Hilfe«, sagte sie zu ihm.
»Dafür ist später noch genug Zeit«, sagte Mallory. »Ich werde da draußen schon nicht gleich mein Leben aushauchen, Ma'am. Zuerst zeige ich Ihnen, wo die liegen. Es ist wichtig, dass ich Ihnen zeige, wo sie liegen. Das hier ist alles sehr wichtig.«
Sie warf einen Blick auf McHale, der aussah, als sei ihm kalt und als wäre er sich unsicher. Er zuckte die Schultern.
»Also gut«, sagte Ryerson. Aus irgendeinem Grund glaubte sie ihm - dass es wichtig war, von ihm jetzt und sofort gezeigt zu bekommen, wo sie lagen. Als würde es später keine Gelegenheit mehr dazu geben. Sie holte eine Extra-Jacke aus dem Kofferraum des Streifenwagens und half Mallory, sie überzuziehen. Amüsiert verzog Mallory sein verwittertes Gesicht und spähte auf das aufgestickte Polizeiabzeichen hinunter.
»Na, schau mal einer guck«, murmelte er und befingerte das Rangabzeichen.
Mallory führte sie in den Wald, auf einen Marsch, der fast eine Stunde währte, und über eine Distanz, die Ryerson im Kopf auf knapp über eine Meile berechnete. Wäre sie zurückgegangen, um das Auto zu holen, hätte sie etwas weniger als die Hälfte der Strecke auf der ehemaligen Bergbaustraße zurücklegen können: Nachdem sie ungefähr eine Viertelstunde lang gegangen waren, verschmälerte die Straße sich auf vielleicht einen Meter Breite, und ab und zu mussten sie über umgestürzte Bäume klettern oder massive Felsbrocken umgehen, um weiterzukommen. Und dann verschwand die Straße vollends, ergab sich einem spärlichen Bewuchs aus Kiefern und Sitka-Fichten und großen, mit weichem, grünem Moos bepelzten Felsbrocken.
»Falls sich jemand das hier als Streich ausgedacht hat«, sagte McHale zu niemandem Bestimmten auf der Hälfte der Strecke, »knalle ich dem meine Taschenlampe auf den Kopf.«
Ryerson überließ Mallory die Führung. Sie hatte ihm keine Handschellen angelegt - es wäre zu schwierig für ihn, mit hinter dem Rücken gefesselten Händen durch den Wald zu klettern -, aber sie hatte ihn unauffällig abgetastet, als sie ihm in den Parka geholfen hatte, und keine Waffen gefühlt. Außerdem war sie immer noch nicht überzeugt, dass es sich bei diesem Typen nicht um einen Irren handelte. Es gab weiß Gott genügend davon. Trotzdem ließ sie ihn während ihres Marsches nicht aus den Augen.
»Woher hatten Sie meinen Namen und meine Telefonnummer?«, fragte Ryerson Drammell, als sie sich auf den Scheitelpunkt der waldigen Hügel zuarbeiteten. »Der Name Ihres Orts kommt mir bekannt vor, aber hier gewesen bin ich noch nie.«
»Vor vielleicht einem Jahr kamen zwei Trooper her, die jemanden suchten«, sagte Drammell. »Soviel ich weiß, haben sie den Mann nie gefunden. Als sie wieder fuhren, haben sie mir Ihre Visitenkarte dagelassen. Falls der Mann hier auftauchen sollte, hätte ich Sie anrufen sollen.« Drammell runzelte die Stirn und fügte hinzu: »Ist er nie.«
Ja, jetzt erinnerte sie sich. Sie hatte vor ungefähr einem Jahr einen Anruf von dem Bruder eines Mannes erhalten, der in dieser Gegend verschwunden war. Der Mann hatte herausgefunden, dass sein Bruder zuletzt in Dread's Hand gesehen worden war. Ryerson hatte den Anruf entgegengenommen und die entsprechenden Formulare ausgefüllt, aber selbst hergekommen war sie nicht. Stattdessen hatte sie zwei Kollegen nach Dread's Hand geschickt, um Nachforschungen anzustellen. Ganz sicher war sie sich im Moment nicht, meinte aber, dass es ihnen gelungen war, den Mietwagen des Mannes zu finden.
»Haben Sie diesen Mann je gefunden?«, fragte Drammell.
»Nein«, sagte Ryerson.
Überraschenderweise schien Mallory das Gehen trotz seiner schlechten körperlichen Verfassung keine Schwierigkeiten zu bereiten. McHale und Drammell dagegen waren beide außer Atem, als sie eine große Lichtung erreichten. Genau hier, erklärte Joseph Mallory, hatte er die Leichen der acht Opfer begraben, die er über einen Zeitrahmen von...
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