Schweitzer Fachinformationen
Wenn es um professionelles Wissen geht, ist Schweitzer Fachinformationen wegweisend. Kunden aus Recht und Beratung sowie Unternehmen, öffentliche Verwaltungen und Bibliotheken erhalten komplette Lösungen zum Beschaffen, Verwalten und Nutzen von digitalen und gedruckten Medien.
You could not shock her more than she shocks me;
Beside her Joyce seems innocent as grass.
It makes me most uncomfortable to see
An English spinster of the middle class
Describe the amorous effects of >brass<,
Reveal so frankly and with such sobriety
The economic basis of society.
W.H. Auden
Sicher hat er sie geliebt, brüderlich-stolz und eitel, aber was Henry ihr nachsagte, grenzt für eine satirische Schriftstellerin an Rufmord. Jane Austen sei ängstlich bemüht gewesen, Gott zu gefallen und bei ihren Mitmenschen keinen Anstoß zu erregen. »Nie sprach sie ein unüberlegtes, leichtfertiges oder strenges Wort«, und »ihre Ansichten entsprachen genau denen der englischen Hochkirche.« Es wirkte. Nachfolgende Generationen von Leserinnen genossen ihre »dear books« wie ein Tässchen Haferschleim und legten sich damit in der Sofaecke schlafen. Die liebe Jane und ihre exquisiten Miniaturen englischen Landlebens!
Nach Henrys Würdigung - und wer sollte sie besser kennen als ihr Lieblingsbruder - war die Perspektive erst einmal gesetzt. Charlotte Brontë sah in ihrem Werk nur saubere Rasenkanten. »Leidenschaft ist ihr völlig unbekannt.« H.G. Wells verglich sie mit einem bezaubernden Schmetterling »ohne jedes Mark«, und die literarische Sekte der Janeites verteidigte ihren guten Ruf, »als ginge es um die Keuschheit ihrer Tante«, schrieb Virginia Woolf. Ihr Werk handele »von überhaupt nichts«, klagte ein Kritiker noch 1902. Jane Austen - eine Langweilerin von hohen Graden? Es hätte tödlich ausgehen können. Aber möglicherweise war Henry nicht zugegen, wenn sie ihren Schnabel an den Nachbarn wetzte, oder er hatte es ganz schnell vergessen; und da nicht sein kann, was nicht sein darf, verweigerte sich die viktorianische Literaturkritik ihrer Schärfe und nahm statt des Degens nur die Stickschere wahr.
Aber dann, über 200 Jahre nach dem Erscheinen ihrer Romane, hören und sehen Millionen Menschen Jane Austen zu. Pride and Prejudice, Sense and Sensibility, Emma, Love and Friendship, Sanditon und Persuasion erleben eine Wiederauflage - im Fernsehen, im Kino, als Mehrteiler im Internet. Welches andere Medium hätte annähernd so viel Macht über unsere Lesegewohnheiten?
Aus den Aufnahmestudios sei das Knarren der Korsettstangen zu hören und ein unübersetzbares Geräusch, mit dem Brüste in historische Kostüme gezwängt würden, erfuhr die Times.
Sense and Sensibility mit Emma Thompson und Kate Winslet gewann bereits 1995 einen Oscar, Emma mit Gwyneth Paltrow 1996 ebenfalls einen. Seither wurde nicht nur jeder Austen-Roman verfilmt, einige davon mehrfach, es gab auch Filmbiographien wie Becoming Jane, 2007 über die junge und Miss Austen regrets, 2008 über die ältere Austen. Ohne die neue Lust an ihren Romanen gäbe es auch keine modernen Komödien wie Bridget Jones - Schokolade zum Frühstück, samt Colin Firth als dem unsterblichen Mr Darcy, keine Travestien wie Lost in Austen, in der Elizabeth Bennet und eine orientierungslose junge Frau aus dem 21. Jahrhundert die Plätze tauschen, und sicher auch keine von ihr inspirierten exotischen Blüten wie die Fernsehserie Bridgerton, die voll unübersetzbarer Geräusche ist.
Literarisch hat das Fortschreiben eine lange Tradition. An der Vollendung von Sanditon, Austens letztem Roman, den zu schreiben sie am Ende zu krank war, haben sich nach ihrem Tod bereits ihre Nichte Anna und in der Folge ein knappes Dutzend Autorinnen versucht. P.D. James dachte sich einen Mord aus (Death comes to Pemberley), Joan Aiken nahm sich eine Protagonistin aus Emma für einen eigenen Roman heraus (Jane Fairfax). Eine neue Generation von Janeites ist um Tante Janes guten Ruf ebenso wenig besorgt wie um die Aneignung ihrer Plots und Personen. Die Bewegung hat ein eigenes Kürzel: JAFF, Jane Austen Fan Fiction. Allein über Pride and Prejudice gibt es annähernd 6000 Kapitel von Menschen, die im Internet ihrem schönen Hobby nachgehen. Familie Darcy in dritter Generation und kein Ende in Sicht.
Was also ist so zeitlos hinreißend an Austens Leben und Werk? Es kann ja wohl nicht sein, dass wir uns nach Pferdekutschen, Nachttöpfen und Quadrillen zurücksehnen. Nach einer Zeit, in der unverheiratete Frauen nicht allein verreisen, geschweige denn eine eigene Wohnung beziehen durften. Oder doch nach Mäßigung, Geduld, Zurückhaltung, Aufrichtigkeit, Eleganz und guten Manieren?
»Jane Austen ist sexuell«, sagt Emma Thompson, die das Drehbuch zu Sense and Sensibility schrieb. Ein verstohlener Blick, eine zögernde Hand verraten das Herz, und hinter dem Austausch höflicher Floskeln spritzen die erotischen Lunten. »Wir gehen nicht in Gesellschaft, weil wir Vergnügen am Gespräch, sondern weil wir, direkt oder indirekt, Vergnügen am Sex suchen. Wie hätten wir das ohne Miss Austens Hilfe herausgefunden?«, erkannte George Moore schon vor über 100 Jahren. Der Film zeigt uns das Vergnügen in Großaufnahme. Was er nicht kann, weil er in seinem Ausstattungseifer zu viel des Guten tut, ist die Abbildung von Austens erotischer Ökonomie. Ihre Liebesszenen werden mit Worten, nicht mit Griffen vorangetrieben; Szenen, deren Intensität und schnelle Stimmungswechsel an den Satz einer Schubert-Sonate erinnern, die man auch nicht verfilmen kann.
Denn der Film traut den Worten nicht; sie sind nicht sein Medium. Dafür lädt er sein Publikum zum Schwelgen ein. Gedreht wurde in Bath mit seinen lückenlosen Regencyfassaden, in den Prachtkulissen von Chatsworth, Wilton House, Flete Estate, Dyrham Park, im Dorf Lacock in den Cotswolds mit seinen Häusern aus mürben Ziegeln und Tudorfachwerk, in Lyme Regis und an der Kanalküste; tiefe Sonne, großes Wolkentheater, drinnen zarter Schmelz noch auf der verwohntesten Täfelung.
Die Persuasion-Verfilmung von 2022, über die der Independent schreibt, es herrschten Zweifel daran, dass einer der Beteiligten das Buch gelesen habe, nimmt für sich in Anspruch, in Sprache und Gestus die Generation der Millennials zu erreichen und für Jane Austen zu gewinnen, also eine Art betreutes Entdecken einer fremden Welt, als sei es nicht auszuhalten, dass Menschen vor 200 Jahren anders gesprochen und sich anders verhalten haben; eine Welt, in der Frauen nicht die Rotweinflasche an den Hals gesetzt und nicht »Hallo« gesagt haben und »Er bringt mich zum Lachen« kein Heiratsgrund war.
»Es wird höchste Zeit, dass wir das Korsett sprengen!«, schrieb eine Filmkritikerin bereits 1995 und spendete Beifall für den Filmkuss von Anne Elliot und Kapitän Wentworth in Bath auf offener Straße. Ein bewegendes Bild, ein romantischer Augenblick, aber nicht von Austen, die in einer streng reglementierten Welt lebte. Man kann sich einen eigenen Reim auf ihre Bücher machen, sie umkrempeln, modernisieren, transponieren, die Haare im Wind fliegen lassen und die Rolle der Lady Russel mit einer farbigen Schauspielerin besetzen. Das sind künstlerische Freiheiten, aber man sollte auch wissen, dass Suff, Sex und Krakeel nur in Austens Geschichten vorkommen, die sie als kleines Mädchen schrieb, und zwar in der Absicht, ihre Geschwister und Cousinen zum Lachen zu bringen. Sie wusste durchaus Bescheid, aber als Autorin verzichtete sie darauf, das Korsett zu sprengen.
In sieben vollendeten und zwei unvollendeten Romanen beschrieb sie am Ende des 18. Jahrhunderts diese Welt: der englische Landadel mit seinen Trabanten: Pfarrern, Anwälten, Offizieren, Glücksrittern und Damen von zweifelhafter Ehre -, keine großen Tableaus, sondern »ein Elfenbein-Täfelchen«, das sie ritzte und polierte. Weder Krieg noch Revolution, weder Elend noch Verbrechen kommen in ihren Büchern vor - in einer Zeit, in der Amerika seine Unabhängigkeit erkämpfte, die Bastille gestürmt wurde, England gegen Napoleon in den Krieg zog (zwei von Janes Brüdern fuhren zur See), der Sklavenhandel florierte, die Landbevölkerung sich krumm schuftete und Kinder deportiert werden konnten, wenn sie ein Brot gestohlen hatten. Aber die Welt bricht zusammen, wenn Lydia Bennet mit Mr Wickham durchbrennt, der sie nicht einmal heiraten will.
Es ist ein sozial und geographisch begrenztes Terrain, doch mit einem weiten Ausblick auf die menschliche Natur. »Eine Teegesellschaft entlarvt Egoismus, Freundlichkeit, Selbstkontrolle und schlechte Laune ebenso gut wie ein Luftangriff«, schreibt Austens Biograph David Cecil. Und so macht sich Emma, die auf einem Picknick der unaufhörlich plappernden Miss Bates über den Mund fährt, nicht nur einer Taktlosigkeit schuldig, sie führt auch in einer winzigen Szene vor, wie ungnädig arme alte Fräuleins in guter Gesellschaft gelitten waren. Doch zugleich ist Miss Bates eine von Jane Austens entzückendsten Gestalten. Rührung mischt sich mit Erheiterung. »Schönheit erleuchtet diese Narren«, schrieb Virginia Woolf über Austens gerechte Satire. Keine andere verstand es wie sie, mit leichter Hand das scheinbar Widersprüchliche zu verbinden: scharfe Beobachtung und zartes Verstehen, Farce und Drama, Wortwitz und Moral. Und da sie niemals sentimental wird und sich niemals ereifert, sondern die Menschen beschreibt, wie sie sie kennt, sind auch ihre Figuren unsterblich....
Dateiformat: ePUBKopierschutz: Wasserzeichen-DRM (Digital Rights Management)
Systemvoraussetzungen:
Das Dateiformat ePUB ist sehr gut für Romane und Sachbücher geeignet - also für „fließenden” Text ohne komplexes Layout. Bei E-Readern oder Smartphones passt sich der Zeilen- und Seitenumbruch automatisch den kleinen Displays an. Mit Wasserzeichen-DRM wird hier ein „weicher” Kopierschutz verwendet. Daher ist technisch zwar alles möglich – sogar eine unzulässige Weitergabe. Aber an sichtbaren und unsichtbaren Stellen wird der Käufer des E-Books als Wasserzeichen hinterlegt, sodass im Falle eines Missbrauchs die Spur zurückverfolgt werden kann.
Weitere Informationen finden Sie in unserer E-Book Hilfe.