Schweitzer Fachinformationen
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Vor einigen Jahren - und wahrscheinlich geistert es immer noch irgendwo herum, denn das Internet vergisst ja nicht - wurde mir mal ein Rezept für ein Wunderheilmittel aus dem Mittelalter vorgeschlagen.
Dieses Wundermittel sollte angeblich gegen bakterielle, virale und Pilzerkrankungen wirken. Als historisch interessierter Mensch las ich mir den Artikel durch, wurde aber immer stutziger. Ein wenig Recherche brachte dann schnell zutage, dass das Rezept auf diversen Seiten herumgereicht wurde und ursprünglich offenbar von einer englischen Webseite stammte. Ein so umfangreich wirkendes Mittel wäre ja eine Sensation, aber es wäre auch merkwürdig, dass es trotz seiner Universalität nicht mehr eingesetzt wird. Ich wurde natürlich skeptisch.
Wissenschaft kann hier Hilfestellung geben. Wissenschaft erlaubt, sich der Wahrheit konstruktiv und objektiv zu nähern. Sie liefert Methoden, um Belege zu finden und zu prüfen, z. B. experimentell oder über Literaturrecherchen.
Bei dem Rezept für das antibakterielle Supermittel habe ich mich schon über die Zutaten gewundert, zu denen unter anderem Ingwer, Kurkuma und Chili gehören. Ingwer und Kurkuma stammen aus Südasien. Nun gab es zwar im Mittelalter durchaus Kontakt nach Asien - man bedenke zum Beispiel Marco Polos Reise nach China im 13. Jahrhundert, wobei deren Authentizität auch nicht vollkommen geklärt ist -, aber solche Gewürze waren entsprechend teuer und selten. Sie wurden buchstäblich mit Gold aufgewogen. Chili stammt aber aus Amerika. Eine Verwendung in einem mittelalterlichen Rezept ist also definitiv ausgeschlossen. Die im Vergleich zu heute geringere Lebenserwartung im Mittelalter war vor allem auch Folge von Krankheiten, gerade im Kindesalter. Da scheint die Wirkung dieses Mittels nicht so besonders gut gewesen zu sein. Kein Wunder! Man suchte ja auch vergeblich die Zutat Chili. Bei näherer Betrachtung fiel dann auch schnell auf, dass die angeblich heilende Wirkung der diversen Zutaten nicht belegt ist. Es war also eher ein Märchen, ein Quacksalber-Artikel.
Damit man solchen reinen Behauptungen, Meinungen oder eben Märchen nicht erliegt, gibt es Wissenschaft. Sie erlaubt es, Ideen zu überprüfen, Märchen zu entlarven und die Wirklichkeit zu entschlüsseln.
Wissenschaft ist natürlich selbst nicht fehlerfrei. Der Kern von Wissenschaft ist aber vor allem eine Methode, nicht so sehr das Wissen selbst, mit der man sich Tatsachen annähern kann. Diese Methode wiederum enthält Mechanismen, z. B. externe Begutachtungen, die sicherstellen, dass die Arbeit möglichst fehlerfrei ist. Kein Mechanismus, keine Methode ist perfekt, aber fehlerhafte Wissenschaft enttarnt sich spätestens dann, wenn Vorhersagen über Ereignisse und Verläufe unmöglich werden. Andersherum ist die Übereinstimmung von Vorhersage und Ereignis ein gutes Indiz dafür, dass die hinter der Vorhersage stehende Theorie oder das Modell von guter Qualität ist.
Ein Beispiel dafür ist in Bild 1.1 zu sehen. Gezeigt ist der Verlauf des Meeresspiegelanstiegs bis zum Jahr 2010. Einmal als Satellitenmessung und einmal als Vorhersage aus dem dritten Bericht des Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC), einer internationalen Institution, die den Klimawandel und seine Auswirkungen überwacht und bewertet. Aufgrund der Komplexität des Problems hat der IPCC 2001 eine Bandbreite für den Anstieg angegeben. Die Überprüfung zeigt, dass die tatsächlichen Messungen sehr dicht am oberen Rand des Intervalls der Vorhersage entlang verlaufen. Wenn überhaupt war die Modellierung also eher zu optimistisch als zu pessimistisch. Insgesamt kann man erkennen, dass die Theorie hier eine gute Übereinstimmung mit der Realität zeigt.
Das ist das Ziel von wissenschaftlichem Arbeiten. Eine Theorie, d. h. Wissensbasis erstellen, die möglichst gut die Realität wiedergibt. In der Regel werden Modelle und Theorien fortwährend überprüft und weiterentwickelt, um die Genauigkeit zu verbessern.
Bild 1.1 Vergleich der Prognose des Meeresspiegelanstiegs durch das Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC) mit Satellitenmessungen. Links der Anstieg in cm, unten das Jahr. Deutlich zu sehen ist, dass die Vorhersage am oberen Rand mit den Messungen übereinstimmt (Quelle: Climate Change Research Center, 2009, CC-BY-SA-3.0, https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/legalcode)
Wissenschaftliche Arbeitsfelder haben ihr eigenes Vokabular. In der Orbitmechanik spricht man z. B. von Delta-V, um zu beschreiben, wie aufwendig es ist, von einem Planeten zum anderen zu fliegen. In der Biologie ist die Klasse eine Stufe in der Typisierung von Lebewesen. In der Sozialwissenschaft ist die Klasse ein Konstrukt zur Beschreibung einer gesellschaftlichen Aufteilung. Aber es gibt auch einige Begriffe, die sich aus der Wissenschaftstheorie ergeben und sich in allen Feldern übergreifend verwenden lassen. Einige davon haben es auch in die Alltagssprache geschafft, aber werden da oft mit anderer Bedeutung verwendet. Das ist vor allem dann schwierig, wenn Laien dann auf wissenschaftliche Texte oder Erklärungen stoßen und aus der alltäglichen Bedeutung Missverständnisse entstehen. Daher möchte ich hier gerne einige Begriffe erläutern, die auch in diesem Buch immer wieder auftauchen werden. Ich möchte zwei Begriffe wegen ihrer Wichtigkeit und Doppeldeutigkeit vorziehen. Die restlichen werden in alphabetischer Reihenfolge beschrieben.
Leider ist die Bedeutung in der Alltagssprache ziemlich genau das Gegenteil von der wissenschaftlichen Bedeutung. Eine Theorie ist eine Sammlung von wissenschaftlich gewonnenen Gesetzmäßigkeiten. Sie wurden überprüft, ggf. korrigiert und als richtig bewertet, bzw. als ausreichend genau. Eine Theorie hat typischerweise einen Geltungsbereich, in dem sie angewendet werden kann und besteht aus mehr als einem einfachen Gesetz. Zwar kann sie von Beobachtungen hergeleitet sein, dies ist aber kein Muss. Sie wird durch Anwendung und Experimente nachgewiesen und enthält auch keine Widersprüche. Theorien können, müssen aber nicht, von Beobachtungen hergeleitet sein. Die Anwendung einer Theorie erlaubt Vorhersagen. Stimmen die Vorhersagen mit Beobachtungen oder Experimenten überein, kann dies eine Theorie bestätigen. Im Alltag wird leider damit eine unbewiesene Idee bezeichnet, was in der Alltagssprache, wenn überhaupt, einer These entspricht.
Die Gravitationstheorie ist ein Beispiel für eine Theorie. Sie wird gemeinhin Isaac Newton zugeschrieben (Du weißt schon, die Geschichte mit dem Apfel, der ihm angeblich auf den Kopf fiel). In Wirklichkeit ist ihre Entstehungsgeschichte viel länger. Schon Aristoteles beschrieb Erdanziehungskraft und wie diese alles zum Mittelpunkt der Erde zieht. Nikolaus Kopernikus postulierte, dass die Planeten wegen dieser Schwerkraft ihre runde Form erhielten (und hatte damit recht). Newton aber entdeckte sein universelles Gravitationsgesetz und machte Gravitation so mathematisch beschreibbar. Bewegungen im Schwerefeld der Erde wurden plötzlich vorhersagbar. Newtons Gravitationskonstante wurde durch das Cavendish-Experiment mit einem Zahlenwert versehen. Dabei maß Henry Cavendish Ende des 18. Jahrhunderts, wie stark sich zwei Bleikugeln anzogen, und erhielt so den Wert der gesuchten Konstante.
Das Sonnensystem wurde so aus der Entfernung erforschbar. Man konnte die Bahnen der Himmelskörper nun nicht nur beobachten, sondern berechnen und viel genauer vorhersagen. Außerdem wurden Störungen der Bahnen entdeckt. Diese Störungen von Himmelskörpern erlaubten so die Aussagen über das Vorhandensein von weiteren, bisher unentdeckten Himmelskörpern. Auf diese Weise wurde z. B. Neptun (s. Bild 1.2) entdeckt.
Bild 1.2 Neptun, ein Kronzeuge der Gravitationstheorie, wurde mittels Vorhersagen basierend auf dieser aufgespürt (Quelle: NASA, gemeinfrei)
Der Planet Merkur widersetzte sich mit seiner Bewegung allerdings der Newtonschen Gravitationstheorie, sodass klar war, sie ist nicht der Weisheit letzter Schluss. Erst Jahrhunderte später formulierte Albert Einstein die Relativitätstheorie. Sie ist eine Verallgemeinerung der Gravitationstheorie und erlaubt deutlich genauere Rechnungen. Im Alltag sind die Abweichungen, die man mit Newtons Theorie erhält nicht bemerkbar, aber in der Nähe großer Massen schon. Mit der Relativitätstheorie lässt sich auch Merkurs Bewegung korrekt beschreiben.
Aber auch die Relativitätstheorie hat ihre Grenzen. Bei kleinen Teilchen greift sie nicht und wir müssen die Quantentheorie anwenden. Vereinen lassen sich die beiden Theorien bislang nicht. Entscheidend ist, dass man versteht, wann welche Theorie gilt und ihr Grenzen kennt.
Eine These ist das, was man umgangssprachlich unter einer Theorie versteht: nämlich eine Idee. Sie ist aber nicht irgendeine Idee....
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