Kati Wilde
Lost in a Kiss
Roman Aus dem Amerikanischen von Karla Lowen Erscheint im Oktober 2018
Über dieses Buch:
Ein Versprechen. Zwei Herzen. Drei Regeln. Vier Wochen, um sie alle zu brechen.
Als Aspens beste Freundin Bethany sie auf einen vierwöchigen Roadtrip zur Feier ihres College-Abschlusses einlädt, hegt Aspen gemischte Gefühle. Hauptsächlich, weil Bethanys überfürsorglicher Bruder Bram dabei sein wird, mit dem sie immer wieder aneinandergerät und der scheinbar keine allzu hohe Meinung von ihr hat. Aber Aspen ist entschlossen, das Beste aus der Reise zu machen und irgendwie mit Bram zurechtzukommen.
Doch dann springt Bethany in letzter Sekunde ab. Aspen, die als Einzige den Grund dafür kennt, tritt den Roadtrip mit Bram allein an. Als sich Aspens Gefühle für Bram mit der Zeit verändern und alles bisher Unausgesprochene zwischen ihnen ans Licht kommt, riskiert sie nicht nur, ihr Herz zu verlieren .
Autorenvita:
Kati Wilde hat englische Literatur studiert und schreibt für ihr Leben gerne romantische Geschichten. Die US-Amerikanerin lebt mit ihrem Mann und ihrer Tochter sowie zwei betagten Katzen in Oregon. »Lost in a Kiss« ist der erste Roman von ihr, der auf Deutsch erscheint.
1 Brauchst du Geld für eine Kaution?
Die Nachricht meiner Mutter erreicht mich, als der Bus an der Haltestelle vor Walmart einfährt. Nur ein Satz, und das flaue Gefühl im Magen, das mich seit Wochen begleitet, wird stärker.
Die Zeit reicht noch für eine Antwort, bevor ich einsteige.
Warum? Steckt Nash mal wieder in Schwierigkeiten?
Wenn ja, werde ich mich darum kümmern müssen. Mom kommt erst morgen zurück - aus ihrem ersten Urlaub, seit mein Dad vor sieben Jahren gestorben ist.
Ich werde es meinem Bruder nie verzeihen, wenn er ihr die Reise vermiest.
Gelegentlich beschließt Nash, sein Leben in den Griff zu bekommen, und kehrt nach Hause zurück, wo er auf einer soliden Basis aufbauen kann. In den meisten Fällen sucht er aber nur ein paar Wochen Unterschlupf bei Mom, weil ihm mal wieder alle anderen Möglichkeiten ausgegangen sind. Seine letzte Rückkehr gehörte in die Kategorie »Leben in den Griff bekommen«. Er arbeitet jetzt an einer Tanke in der Nachbarschaft und hält sich laut Mom ganz gut. Doch wenn sie nur ein paar Tage aus dem Haus sein muss, damit er in alte Gewohnheiten zurückfällt, weiß ich nicht, wie er sein Leben jemals in den Griff bekommen will.
Und Mom wird einfach immer wieder dafür zahlen.
Der Bus ist voll, doch ich entdecke einen Platz ganz hinten - oder besser gesagt einen halben, denn der Typ auf dem Fensterplatz übt sich im Manspread. Sein linkes Knie ragt weit in meinen Fußraum und zwingt mich zu einer verkrampften Sitzhaltung, die Knie schräg im Gang, den neuen Schlafsack an die Brust gedrückt. Natürlich merkt er nichts davon, denn er hat die Augen geschlossen und Stöpsel in den Ohren.
Idiot, denke ich und überlege, ihm »versehentlich« den Ellbogen in die Flanke zu rammen, doch mein Handy summt und rettet ihn.
Die Kaution ist für dich.
Ein grinsender Smiley begleitet Moms Antwort.
Wenn du Bethanys Bruder ermordet hast.
Ich ersticke mein Schnauben im zusammengeknautschten Nylongewebe. In einer guten Stunde starte auch ich in den Urlaub - zu einer vierwöchigen Reise mit meiner besten Freundin und ihrem Bruder Bramwell Gage. Und obwohl ich nicht vorhabe, ihn umzubringen, werde ich vermutlich stündlich mit dem Gedanken spielen.
Für wie dumm hältst du mich,
schreibe ich zurück.
Wenn ich ihn ermorde, dann doch nicht heute. Ich warte, bis wir durch eine einsame Landschaft wandern. Wenn sie mich nicht erwischen, brauche ich auch keine Kaution, oder?
Wie clever von dir. Man sieht, dass du deinen schicken neuen Bachelor nicht umsonst gemacht hast.
Ihre Stimme ist mir so vertraut, dass ich den trockenen Ton im Ohr habe, während ich die Nachricht lese.
Ja, so clever, dass mir gerade noch was viel Besseres eingefallen ist: Knack doch den Jackpot, wo du schon in Vegas bist. Dann kannst du meinen Anwalt bezahlen, wenn sie mich doch erwischen.
Meine teuerste Aspen, ich liebe dich über alles, aber wenn ich den Jackpot knacke, stehen deine Anwaltskosten ganz unten auf der Liste der Schulden, die ich begleichen werde.
Der Kommentar verpasst mir einen Dämpfer. Ihr Ton bleibt scherzhaft, aber ich möchte niemals zu ihrem Schuldenberg beitragen.
Dann muss ich wohl einfach nett zu Bram sein und über unseren unguten Start hinwegsehen.
Genau, nachdem du ja so leicht verzeihst.
Der angefügte Smiley verdreht die Augen.
Ich habe guten Grund, sauer auf ihn zu sein.
Ich werde ihn mit Küssen überschütten und in die Arme schließen. Wenn ich fest genug zudrücke, plumpst ihm vermutlich ein Diamant aus dem Hintern, so verklemmt, wie er ist. Dann bin ich reich, und wir können uns den Anwalt doch noch leisten.
Deine Tante Clara meint, sie weiß nicht, was sie schlimmer findet: die Vorstellung von Plumps-Diamanten oder davon, sie aufzusammeln, wenn man weiß, woher sie stammen.
Sag ihr, BRAM ist schlimmer.
Nur zur Information: Solltest du mir je einen Diamantring schenken, werde ich ihn nicht tragen.
Sollte ich dir je einen Plumps-Diamanten schenken, hoffe ich, dass du ihn verkaufst. Und alle Geldsorgen los bist.
Kannst du Tante Clara fragen, wie kalt es nachts am Newberry-Campingplatz wird?
Ziemlich kalt. Zwischen drei und sechs Grad.
Mist. Aber eigentlich logisch. Auf einem Berg in der Hochwüste von Oregon ist es nachts nun mal kalt. Mein Blick fällt auf den Nylon-Schlafsack in meinem Schoß. Er war nicht das billigste Modell aus dem Walmart-Sortiment, aber fast - und das Beste, was ich mir leisten kann. Leider werde ich damit erfrieren.
Nicht dass ich Mom davon erzählen und sie in Sorge versetzen würde.
Okay, danke.
Clara meint, du sollst dich bei Aaron und Anna melden, wenn ihr nach Bend kommt. Vielleicht könnt ihr euch treffen.
Mein Cousin und meine Cousine, beide älter als ich - Anfang dreißig. Die wenigen Male, wenn wir uns im Urlaub gesehen haben, sind wir zwar gut miteinander ausgekommen, aber vermutlich haben sie Besseres zu tun, als sich mit mir abzugeben. Ich glaube, Mom denkt sie sich immer noch als Teenager - und Aarons und Annas Bild von mir ist vermutlich immer noch das einer Zehnjährigen, die mal einen Sommerurlaub mit ihnen im Pine Valley verbracht hat, was nicht weit von der zweiten Station auf unserer Reise entfernt ist.
Ich habe ihre Nummern nicht im Handy. Kannst du meine weitergeben und ihnen sagen, dass ich nächste Woche da bin?
Ich erwarte keinen Anruf, aber Mom wird sich freuen, dass ich mich bemühe.
Ich bin voraussichtlich ein paar Tage in der Gegend.
Wird gemacht. Gib mir Bescheid, wenn ihr in der Timberline Lodge ankommt. Schick mir Fotos.
Mach ich,
verspreche ich, und plötzlich brennt meine Kehle, weil ich weiß, was sie nicht schreibt. Eigentlich wollten sie und Dad ihren zwanzigsten Jahrestag im Ferienresort Mount Hood verbringen. Doch dann wurde bei Dad Knochenkrebs diagnostiziert. Er hat es bis zum Jahrestag geschafft, war aber zu schwach für irgendwelche Reisen. Es wäre ohnehin nichts geworden. Zu dem Zeitpunkt hatten die Behandlungskosten bereits ihre Ersparnisse aufgefressen und sämtliche Kreditrahmen gesprengt. Auch sieben Jahre später müht sie sich noch ab, die Schuldenberge abzubezahlen, aber sie wachsen immer weiter.
Aber niemanden ermorden,
ermahnt sie mich noch mal.
Ich garantiere für nichts.
Im Grunde mache ich mir keine großen Sorgen um Bram. Er hat mich bei jeder Begegnung davon überzeugt, dass er ein geschniegelter verklemmter Kontrollfreak mit beeindruckendem Überlegenheitskomplex ist, doch ich bin wild entschlossen, mich mit ihm zu arrangieren.
Ich sorge mich um seine Schwester. Und um mich, wenn ich ehrlich bin - denn ginge es nicht um Bethany, würde ich absagen und zu Hause bleiben.
Dabei hatte ich mich auf die Reise gefreut. Ein paar Tage auf dem Mount Hood, danach in Central Oregon. Anschließend runter nach Kalifornien, an den Mount Shasta, und die letzte Woche am Lake Tahoe. Bethany hat sich diese Reise von Bram zum Abschluss gewünscht. Anscheinend hat ihre Familie diese Tour jeden Sommer gemacht, bevor ihre Eltern vor acht Jahren bei einem Autounfall ums Leben kamen. Damals war Bram neunzehn und Bethany vierzehn.
Ich wurde erst nachträglich mit eingeplant. Bethany hatte sich die Reise irgendwann um Weihnachten herum von ihrem Bruder gewünscht, mich hat sie erst vor einem Monat gefragt. Schätzungsweise musste sie Bram erst dazu überreden.
Obwohl ich auch nicht sonderlich scharf auf seine Gesellschaft bin, habe ich sofort zugesagt. Zum einen, weil ich mir eine solche...