2
Beck
Meine Lippen schwebten über denen Monicas, während ich über meinen nächsten Schritt nachdachte. Ich hatte mein klingelndes Handy ignoriert, denn, nun ja, ich hatte alle Hände voll mit Monica zu tun gehabt. Das Klopfen an der Tür ließ sich nicht ganz so leicht ausblenden, vor allem da es von Lylas Stimme begleitet wurde.
»Beck, bist du zu Hause? Es ist ein kleiner Notfall.«
Sobald ich mich auf dem Sofa zurücklehnte, blitzten Monicas Augen auf. »Nimmst du mich auf den Arm?«
Tat ich es? Scheiße, ich war genauso erregt wie sie, aber was sollte ich machen? Lyla auf meiner Türschwelle stehen lassen? Wenn es um sie ging, konnte »ein kleiner Notfall« darin bestehen, dass sie eine Zwei bekommen hatte, es konnte sein, dass eine Katze in Nöten gerettet werden musste oder dass ein Axtmörder hinter ihr her war. Sie sprach wirklich nur in einem einzigen Tonfall, und der war »leise«.
»Gib mir einfach eine Minute.«
Monica packte mein Shirt und strich mir mit der Zunge übers Kinn, was sie bestimmt sexy fand, mir aber vorkam, als würde mich ein Labrador ablecken. »Lass mich nicht warten.«
Dringend benötigte kühle Luft traf mich, sobald ich die Tür öffnete. Lyla stand im Treppenhaus, die Arme um den Leib geschlungen. Sie trug keine Jacke, nur eine langärmelige Bluse und einen ihrer bunten Schals. »Hey, ich bin gerade beschäftigt«, sagte ich. »Können wir .«
Beim Anblick ihrer fleckigen, tränenüberströmten Wangen erstarrte ich. »Was ist passiert? Hat dir jemand wehgetan?«
Sie schüttelte den Kopf und stieß eine weiße Atemwolke aus. »Jedenfalls nicht physisch.«
Ich schaute von ihr zu Monica, die hingegossen auf dem Sofa lag, nur bekleidet mit ihrem BH und Jeans. Verdammt, sie würde sauer sein.
Lyla schaute in die Wohnung, und ihre Augen weiteten sich. »Du bist ganz offensichtlich beschäftigt - ich wusste, dass du beschäftigt sein würdest. Es ist nichts, wirklich. Wir sehen uns morgen Abend zum Filmgucken, okay?« Sie wandte sich zum Gehen, aber ich streckte die Hand aus und hielt sie am Arm fest.
»Komm rein.« Auf keinen Fall konnte ich mich jetzt noch konzentrieren. Sicher, es würde nur wenige Minuten dauern, um die Sache mit Monica wieder in Schwung zu bringen, aber ich würde mir die ganze Nacht über immer wieder Sorgen um Lyla machen. Irgendwann im Laufe der Zeit hatte ich angefangen, mich für sie verantwortlich zu fühlen, und wenn jemand sie verletzt hatte, würde ich ihn persönlich zur Strecke bringen.
Nachdem ich die Tür hinter uns geschlossen und somit diesen Samstagabend zu einer Dreierkonstellation geleitet hatte - und zwar nicht zu einer delikaten -, fuhr ich mir mit einer Hand durchs Haar. »Ähm, Monica, wir werden es ein andermal nachholen müssen.«
Die Frau musterte Lyla mit einem angewiderten Stirnrunzeln, das schrie: Du ziehst sie mir vor?, und es wurde plötzlich sehr viel leichter, auf Wiedersehen zu sagen.
»Träum weiter, Arschloch«, zischte sie mich an, als sie an mir vorbeiging. Also, da hatte ich keine große Liebe verloren. Ich begleitete sie trotzdem zur Haustür, obwohl meine Oberschenkel auf den vielen Treppenstufen noch vom heutigen Spiel brannten, denn ich fühle mich ganz gern zumindest halbwegs wie ein Gentleman.
Als ich wieder hereinkam, schaute Lyla von ihrem Platz auf dem Sofa auf. »Wie hat das Special der Woche es aufgenommen?«
Ich ließ mich neben sie plumpsen und zuckte zusammen, als ich mich dort stieß, wo ich am frühen Abend einen Rempler abgekriegt hatte. Der Typ dachte, er sei wirklich tough, aber am Ende hatte ich den Puck und erzielte den Treffer - dafür lohnten sich alle daraus resultierenden Prellungen. »Wir treffen uns sogar schon das dritte Wochenende, herzlichen Dank.«
»Oh, ein Wiederholungstäter. Ich bin beeindruckt.«
»Ich kann hören, dass du es nicht gutheißt. Ziemlich hart, nachdem mir dein Erscheinen blaue Eier beschert hat. Ich schätze, ich werde mich einfach mit dir begnügen müssen.« Ich beugte mich zu ihr vor, den Mund so weit wie möglich geöffnet und die Zunge herausgestreckt.
»Igitt!« Sie lachte und stieß mich weg. Gut. Jetzt lächelte sie. Das traurige Gesicht brachte mich um. Aber allzu bald war es wieder da. Wenn es jemand anders gewesen wäre, hätte ich Hals über Kopf die Flucht ergriffen, um nicht über Gefühle sprechen zu müssen oder über das, was immer sie zum Weinen gebracht hatte. Aber Lyla war mein Mädchen, und wie gesagt, ich fühlte mich verantwortlich für sie. Wahrscheinlich weil es immer einfach war, mit ihr zusammen zu sein - eine Pause vom Leben, die ich gelegentlich brauchte -, und ich hatte nicht viele enge Freunde, die mich so gut kannten wie sie. Es gefiel mir so, und ehrlich, mir war schleierhaft, wie sie es geschafft hatte, so mühelos an mich heranzukommen.
»Spuck's aus.«
Sie schaute auf ihre Hände, mit denen sie sich über die Oberschenkel strich. »Jemand hat heute Abend ein Date für mich eingefädelt. Oder besser gesagt, ich war das sechste Rad am Wagen und ein Mitleids-Date.«
»Sechstes Rad?«, fragte ich.
Sie erzählte mir von dem eingefädelten Date, dem Alkohol, und als sie an sich herabschaute und im Flüsterton zu der Stelle kam, an der irgendein Arschloch sie potthässlich und langweilig genannt hatte, ballte ich die Fäuste und wollte den Kerl finden, um sie gegen ihn einzusetzen. »Ich kann heute einfach nicht dorthin zurück.« Sie wischte sich die Tränen von den Wangen. »Darf ich auf deinem Sofa pennen?«
»Du weißt, dass du das darfst. Jederzeit.« Im Laufe der vergangenen Monate hatte ich ganz vergessen, wie zerbrechlich sie sein konnte. Mir gegenüber hatte sie kein Problem mehr damit, ihre Meinung zu sagen, aber es hatte eine Weile gedauert, und manchmal machte ich mir Sorgen, dass jemand sie ausnutzen könnte. Ich hatte jedoch nie damit gerechnet, dass jemand so dermaßen gemein sein könnte. »Dieser Typ hat einen Knall, Lyla. Er ist offensichtlich ein Riesenidiot.«
Sie wickelte den Schal von ihrem Hals und warf ihn beiseite. Dann raffte sie ihre hellbraunen Locken zu einem lockeren Knoten zusammen, nahm einen Bleistift vom Beistelltisch und stieß ihn durch ihr Haar, um es zu befestigen. »Ich denke nicht, dass ich potthässlich bin, aber ich bin auf jeden Fall reizlos. Und ich bin langweilig. Ich tue niemals etwas anderes, als zu lernen. Genau wie in der Highschool. Ich dachte, auf dem College in einer großen Stadt würde alles anders sein. Nur dass alle anderen sich verändert haben, ich aber genauso unbeholfen und schrullig bin wie immer. Dieses ganze Gerede davon, dass nach der Highschool alles besser würde, ist totaler Quatsch.«
Ich wusste nicht einmal, womit ich anfangen sollte. Es schien mir, dass eine Menge Tretminen explodieren konnten, wenn ich das Falsche sagte.
»Ich habe es satt, Beck. Ich will nicht mehr immer nur auf Nummer sicher gehen, nur weil ich zu große Angst davor habe, etwas anderes auszuprobieren.« Entschlossenheit trat in ihre Züge - es war der gleiche Ausdruck, den sie gehabt hatte, als wir im vergangenen Semester schwierige chemische Gleichungen gelöst hatten oder wenn einer unserer Laborversuche nicht ganz richtig lief und wir herausfinden mussten, warum. Sie konzentrierte sich manchmal auf eine geradezu Furcht einflößende Art und Weise. »Es ist Zeit für eine Veränderung. Zeit, ein wenig lockerer zu werden. Ich bin im zweiten Semester am College, und ich habe nichts von den Dingen getan, die man tun sollte. Zum Beispiel sich so sehr betrinken, dass man kotzt und sich an den Rest der Nacht nicht mehr erinnern kann.«
»Das wird überbewertet, das schwöre ich dir.« Sie sah mich an, mit diesem tödlichen Ausdruck auf dem Gesicht, und ich hob die Hände. »Na schön. Wenn du dich betrinken und kotzen willst, werde ich dich nicht aufhalten.«
»Aber ich will mehr tun, als nur zu trinken.« Sie legte die Stirn in Falten, und ich konnte praktisch sehen, wie sich die Rädchen in ihrem Kopf drehten. »Ich sollte eine Liste erstellen und mir einen Plan machen.«
Ich wollte darauf hinweisen, dass Listenmachen nicht die beste Methode war, um die Zügel schießen zu lassen, aber ich beschloss, es einfach so hinzunehmen.
Sie beugte sich vor und sah sich um. »Hast du keine anderen Bleistifte oder Kulis?«
»Es überrascht mich schon, dass ich den hatte, den du dir in die Haare geschoben hast. Wenn du wirklich etwas zum Schreiben brauchst, kann ich dir einen Stift aus der Küche holen.«
»Und ein Blatt Papier?«
Als würde sie jemals nur ein einziges benutzen - noch so etwas, das ich gelernt hatte, als wir im selben Kurs gewesen waren. Also ging ich statt in die Küche in mein Schlafzimmer, schnappte mir ein größtenteils leeres Notizbuch und einen Stift und überreichte ihr beides. Sie tippte sich mit dem Stift auf die Lippen. »Ich denke, ich fange mit einem neuen Look an - wie bei einem dieser extremen Imagewechsel. Das wird mir eine neue Denkweise bescheren, sodass ich ein ganz neues Ich entwickeln kann. Was meinst du? Würde ich hellblond gut aussehen? Oder sollte ich mich für etwas Dunkles entscheiden? Oder vielleicht Strähnchen?« Sie zog die Brauen hoch und schaute von der leeren Notizbuchseite auf.
Frauen liebten diese Art von Fangfragen, und ich hatte gelernt, vorsichtig zu sein, wann immer sie gestellt wurden. »Ich finde, du siehst gut aus, so wie du bist.«
Sie legte den Kopf schräg und seufzte. »Aber was hast du gedacht, als wir uns das erste Mal begegnet sind? Du kannst ehrlich...