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Megan
Nach dem Flackern der Discokugeln auf der Forumsfete dauerte es einige Zeit sich an die Beleuchtung im Diner zu gewöhnen, aber als ich mich in dem retromäßigen Restaurant umsah, gefiel es mir immer besser. Alles war in Blau, Weiß und Silber gehalten, angefangen von den großen Sitznischen bis hin zu den gepolsterten Hockern an der Theke und sogar den großen Fliesen auf dem Boden.
Zeitungsartikel bedeckten die Wand hinter dem Tresen, und sie alle drehten sich um Boston. Mehrere handelten von den Celtics, den Sox, den Pats und natürlich den Bruins - dank meines Bruders war Eishockey die Sportart, die ich mir mit Abstand am liebsten ansah. Als ich kleiner war, hatte ich die NHL-Spiele ertragen, weil es bedeutete, Zeit mit ihm zu verbringen. Aber irgendwann - wahrscheinlich während ich Beckett leibhaftig hatte spielen sehen und ganz besonders laut gejubelt hatte, um die Tatsache wettzumachen, dass normalerweise niemand von meiner Familie in die Arena ging -, irgendwann hatte ich mich fürs Eishockey begeistert und war ein verrückter Fan geworden.
»Ich erinnere mich an diesen Wahnsinnssieg der Bruins.« Ich deutete auf einen Artikel, der über ihr Comeback in der letzten Spielzeit berichtete, ein Comeback, das alle Rekorde gebrochen hatte. »Die Hälfte der Zuschauer waren bereits gegangen.«
»Mörderisches Spiel«, pflichtete Dane mir bei, während wir an einem Tisch Platz nahmen.
»Du beschäftigst dich mit Eishockey?«
Dane lachte. »Das kannst du laut sagen. Ich beschäftige mich damit. Bin davon besessen. Genau genommen habe ich .«
»Dane! Wie schön, dich zu sehen.« Ein Mann mit einem runden Bauch und einer glänzenden Glatze schlug Dane auf die Schulter. Er hielt eine dampfende Kanne Kaffee in der anderen Hand. »Ich habe dich eine ganze Weile nicht mehr gesehen.«
»Ich war über die Weihnachtstage zu Hause.«
»Ah.« Der Mann bedachte mich mit einem breiten Grinsen und musterte mich, und ich strich mir mit einer Hand übers Haar. »Und du hast heute Abend eine Freundin mitgebracht.«
»Megan, Larry. Larry, Megan.« Dane rieb sich den Nacken. »Ich, ähm, komme oft hierher.«
Ich mochte vage Äußerungen nicht, aber dieses »oft« entsprach offensichtlich einer stärkeren Bindung als der, die ich zu der Barista aus meinem alten Starbucks hatte. Sie schob mir einfach meinen Becher hin und widmete sich dann der nächsten Bestellung.
Dies hier schenkte mir einen winzigen Einblick in das Leben dieses Mannes und weckte in mir den Wunsch, noch mehr über ihn zu erfahren.
»Meistens ist er der Einzige, der nach Mitternacht noch hier zu finden ist«, sprach Larry weiter. »Ich weiß nie, ob ich ihn mit Kaffee abfüllen oder ihn rausschmeißen soll.«
»Bitte such dir nicht den heutigen Abend aus, um mich rauszuschmeißen. Ich brauche unbedingt Koffein. Und ich nehme Nummer vier.«
Larry drehte den riesigen Pott um, der kopfüber auf einem weißen Unterteller gestanden hatte, und füllte ihn bis zum Rand mit Kaffee, dessen kraftvolles, himmlisches Aroma sich sofort ausbreitete. Dann schwang er die Kanne in meine Richtung und hob sie in einer stummen Frage hoch.
»Ja, bitte.« Ich war auf dem Weg hierher stark getaumelt, aber ich war mir ziemlich sicher, dass das mit dem Nuscheln besser geworden war. Dane versicherte mir, dass niemand im Diner sich darum scheren würde, ob ich ein wenig betrunken war. Ich hatte mir Sorgen gemacht, dass ich vielleicht angezeigt werden könnte, weil ich im Prinzip noch minderjährig war und so. Wie auch immer, es würde wahrscheinlich gut sein, wenn ich Kaffee trank und ein wenig nüchterner wurde. Nach der Aufregung heute Abend gab es ohnehin keinen Grund, so zu tun, als würde ich schlafen können.
Larry füllte meinen Pott und nahm meine Bestellung entgegen. Er schnappte sich die Speisekarten, hielt dann noch einmal inne und legte Dane eine Hand auf die Schulter. »Als ich dich in den letzten Wochen nicht gesehen habe, dachte ich, du hättest endlich begriffen, dass du Schlaf brauchst.«
»Ich? Nein. Nicht wenn es Pfannkuchen gibt.«
Larry lachte leise und ging davon.
Ich riss den Papierring mit der Serviette und dem Besteck darin auf. »Hast du Schlafprobleme?«
Dane presste die Lippen aufeinander, und ich hätte Geld darauf gewettet, dass er gerade überlegte, wie aufrichtig er die Frage beantworten sollte. Ich wusste es, weil ich unzählige Male das Gleiche erlebt hatte.
»Ich habe nämlich welche. Das heißt, ich habe Mühe einzuschlafen.« Ich rollte den kleinen Papierstreifen zwischen den Fingern zusammen. »Ich und die Zeit um drei Uhr morgens sind beste Freunde. Nur ist es eine toxische Beziehung, in der ich ihr nicht sagen kann, dass sie ein Miststück ist und ich nichts mehr mit ihr zu tun haben will. Sie lacht mir nur ins Gesicht und sagt mir, es spiele keine Rolle, was ich will.«
Dane stieß ein Lachen aus und fuhr sich mit den Fingerspitzen übers Kinn, als er nickte. »Kommt mir bekannt vor.«
Eine Sekunde lang fesselte mich die Bewegung, die starke Linie seines Kinns und seine langen Finger. Ich konnte mich nicht daran erinnern, je zuvor die Finger eines Mannes sexy gefunden zu haben, aber Dane hatte definitiv sexy Finger. Die Tatsache, dass er wusste, wovon ich redete, vertiefte seinen Reiz nur noch.
Ooh, er versteht mich! Großes Häkchen an diese Anforderung an einen potenziellen Freund. Ich versuchte mich zu bremsen, aber das summende Kribbeln, das sich über meine Haut ausbreitete, bekam die Message nicht mit. Ich tauchte tiefer ein und wollte die Verbindung erkunden, immerhin könnte ich damit rechtfertigen, dass ich es so stark empfand.
»Wenn du jemandem davon erzählst, musst du dir so was anhören wie >du machst einfach die Augen zu und schläfst ein<, als würdest du nicht verstehen, wie das mit dem Schlafen funktioniert. Oder du kriegst gesagt, du sollst aufhören, dir Stress zu machen, als sei das so einfach.«
»Als hättest du noch nicht jede einzelne blöde Methode ausprobiert, um einzuschlafen.«
»Ja!« In meiner Aufregung kippte ich beinahe den Keramikbehälter mit dem Zucker und den Süßstoffpäckchen um. Aber ernsthaft, niemand hatte mich bisher verstanden, wenn ich von meiner Schlaflosigkeit erzählte - es verwirrte die Leute einfach.
»Und diese Schlaftabletten«, fuhr Dane fort. »Entweder hauen sie dich für zwei Jahre um, oder sie bescheren dir einen fegefeuerartigen Schlafzustand, in dem du zwar nicht wirklich wach bist, aber auch nicht richtig schläfst.«
»Oh ja! Ich habe alles probiert, aber nichts scheint die schlimmen Nebenwirkungen wert zu sein. Meine Tante hat angedeutet, ich würde mir nicht genug Mühe geben, als würde ich gar nicht schlafen wollen. Es hat mich an diese Sportfilme erinnert, in denen der Trainer Dinge sagt wie« - ich verfiel in meine beste Aufgepeitschter-Trainer-Stimme - »du musst es wollen. Willst du es wirklich?«
Dans Mund verzog sich zu einem schiefen Lächeln, verging aber wieder, bevor es sich ganz ausbreiten konnte. »Wenn ich es meinen Eltern erzählen würde, würde sie das furchtbar unter Druck setzen, und sie würden ebenfalls aufhören zu schlafen.« Er griff nach der Kaffeesahne und kippte sie in seinen Pott.
Ich schnappte mir alle Zuckerpäckchen bis auf eins, riss sie auf und gab sie in meinen eigenen Pott.
»Oh Gott, willst du etwas Kaffee zu deinem Zucker?«, zog er mich auf.
»Ich nehme immer alle Päckchen bis auf eins, da ich es unhöflich fände, irgendjemandem nicht mindestens eins übrig zu lassen. Aber ich bin mir sicher, dass jeder, der gern Zucker in seinem Kaffee hat, ein einziges Päckchen jämmerlich findet und wahrscheinlich noch trauriger angesichts der Tatsache wird, dass früher mal mehr da waren.«
Erheiterung flackerte in Danes Augen auf. Er griff mit einem langen muskulösen Arm hinter sich, wodurch sich sein T-Shirt noch mehr um seine muskelbepackte Brust spannte, und schnappte sich den Behälter mit dem Zucker vom Nebentisch.
»Danke, aber ich brauche nicht .« Ich wollte abwinken, aber dann sah ich all die weißen Päckchen, die nur darauf warteten, in meinen Kaffee gekippt zu werden, um ihn noch köstlicher zu machen. »Oh, wem will ich was vormachen? Ich brauche für diesen riesigen Pott sowieso noch mehr Zucker. Normalerweise haben Diner so klitzekleine Becher. Diese hier ist echt was anderes.«
»Ich hab's dir doch gesagt. Diese hier ist außerdem die ganze Nacht geöffnet.«
»Es ist gut zu wissen, dass es in den Nächten, in denen der Schlaf einfach nicht kommen will und ich das Verlangen verspüre, aus dem Haus zu gehen, nun ein Ziel gibt.« Nummer vier auf meiner Liste war die Entdeckung der besten Orte in Boston, und ein Gefühl, etwas geleistet zu haben, stieg in mir auf - heute Abend hatte ich einen großen Sprung bei mehreren meiner Punkte auf meiner Checkliste für den Neuanfang gemacht. »Bei mir zu Hause machen alle Cafés und Restaurants spätestens um zehn zu.«
»Wo ist zu Hause?«
»An einem Ort, den ich lieber vergessen möchte.« Ich blies auf den dampfenden Kaffee und hob den Pott an die Lippen. »Das klingt jetzt so, als hätte ich irgendein verborgenes dunkles Geheimnis. Ich meinte nur .«
»Ich verstehe«, unterbrach er mich und hob eine Hand. »Es klingt gut, es für eine Weile zu vergessen.«
Diese Bemerkung katapultierte ihn offiziell in die Kategorie Er versteht mich, nicht wahr? Dane hatte abgesehen davon, dass er irre heiß war, eine Menge zusätzliches Potenzial. Aber...