Schweitzer Fachinformationen
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»Endlich zu Hause.« Lindy Carmichael bog in die Apple Orchard Lane in Wenatchee, Washington, ein und stieß einen wohligen Seufzer aus. Ab jetzt hatte sie zwei ganze Wochen Urlaub, um mit ihrer Familie Weihnachten und Silvester zu feiern. Wenn sie je eine Auszeit gebraucht hatte, dann dieses Jahr. Es war ein absolut furchtbares, zermürbendes Jahr gewesen.
Vor drei Jahren hatte Lindy, nachdem sie für einige kleine Firmen gearbeitet hatte, ihren Traumjob im Bereich Marketing- und Webdesign bekommen. Ihr Diplom in Informatik mit Spezialgebiet Grafik und Visualisation war zusammen mit ihrer Berufserfahrung wie maßgeschneidert für Media Blast. Davon überzeugt, dass ihr kreatives Talent sich als großes Plus für das Unternehmen erweisen würde, war sie sicher gewesen, sich dort gut einzufügen. Doch es war anders gekommen. Zwar liebte sie ihren Job und die Möglichkeiten, die er ihr bot, aber sie kam nicht gegen das Gefühl an, nicht genug geschätzt zu werden. Kurz bevor Lindy ihren Urlaub antrat, hatte sie eine Kampagne für die Ferguson-Gruppe eingereicht, einen der größten Kunden von Media Blast. Diese Gelegenheit, ihren Wert unter Beweis zu stellen, war genau das, worauf sie gewartet hatte. Wurde ihr Vorschlag ausgewählt, würde sie endlich die Anerkennung ernten, die sie verdiente. Lindy war nie ein Mensch gewesen, der schnell aufgab. Ihr Dad hatte ihr einmal geraten, stets mehr zu tun als nur das, wofür sie bezahlt wurde. Am Ende des Tages würden sich ihre harte Arbeit und ihre Leistungen bezahlt machen. Lindy hielt sich an diese Philosophie und hatte dementsprechend für diesen Job alles gegeben.
Sie verdrängte den Gedanken an ihre Probleme im Job und bog in die Einfahrt des Hauses ein, in dem sie den größten Teil ihres Lebens verbracht hatte. Blinkende Lichter, die sich an der Dachrinne entlangzogen, begrüßten sie gemeinsam mit den Zwillingsrentieren, die auf dem schneebedeckten Rasen Wache standen. Ein großer Weihnachtskranz, besetzt mit silbernen und blauen Kugeln, hing an der Tür. Weihnachten zu Hause. Das war genau das, was sie brauchte, um dem Trübsinn zu entkommen, der sie in den letzten sechs Monaten im Klammergriff gehabt hatte.
Lindy war noch nicht ganz aus ihrem Auto ausgestiegen, als die Tür schon aufflog und Beau, der Familienhund, über die frisch freigeschippte Einfahrt auf sie zuschoss. Ihre Mutter streckte die Arme nach ihr aus, während Beau schwanzwedelnd die Vorderpfoten gegen ihre Oberschenkel stemmte und ihre ungeteilte Aufmerksamkeit forderte. Ihr blieb kaum genug Zeit, die erschreckend kalte Luft einzuatmen, so schnell wurde sie von ihrer Mutter in das warme Haus und dann in eine feste Umarmung gezogen. Beau bellte seine Begrüßung, rannte um sie herum und hechelte vor Aufregung.
»Ich dachte schon, du kommst überhaupt nicht mehr hier an«, sagte Ellen Carmichael, als sie Lindy aus dem Mantel half. »Wie war der Pass? Ich habe den Wetterbericht gecheckt, und über Snoqualmie hat es geschneit. Hattest du irgendwelche Probleme? Unfassbar, dass du keine Schneeketten hast . Wahrscheinlich brauchst du in Seattle keine, aber auf dieser Seite der Berge sind sie ein Muss.«
»Mom, um Himmels willen, lass mich doch erst mal ankommen«, erwiderte Lindy kichernd. Endlich zu Hause. Von lieben Menschen umgeben zu sein war das, was sie gerade am dringendsten brauchte. Die Küche war warm, und auf der Arbeitsplatte stand ein Blech mit frisch gebackenen Plätzchen. Backen war in Lindys Familie ein Ausdruck von Liebe. Für das alljährliche Heiligabendtreffen mit langjährigen Freunden fing ihre Mutter immer Tage vorher mit dem Backen an. Jede Familie würde mit einem überquellenden Plätzchenteller nach Hause gehen.
»Hast du gefrühstückt?«, fragte ihre Mutter sie, als sie nach der Kaffeekanne griff.
»Nein. Ich wollte sehen, dass ich auf die Straße komme, sowie es hell wird.« Im Winter konnte es problematisch werden, über den Snoqualmie-Pass zu fahren, und er war oft wegen Lawinengefahr gesperrt. Lindy hatte gedacht, je eher sie aus Seattle hinaus und auf die andere Seite des Berges kam, desto besser.
»Dann setz dich hin, und ich mache dir schnell was .«
Lindy, die die Kekse auf der Arbeitsplatte bewunderte, winkte ab. »Kaffee und ein paar von diesen Vogelnestplätzchen reichen mir bis zum Mittagessen.«
Ihre Mutter öffnete den Schrank, um einen Becher herauszunehmen, während sich Lindy an ihren Lieblingsweihnachtsplätzchen bediente.
Als sie ihr gegenübersaß, lächelte sie ihre Mutter an. Das war es, woran sie sich die letzten paar Monate geklammert hatte, während sie den Stürmen trotzte, die das Leben ihr schickte. Zu Hause sein, und Weihnachten. Die perfekte Kombination, um ihr aus diesem emotionalen Tief herauszuhelfen.
Ihre unsichere Position bei Media Blast war nur die Spitze des sprichwörtlichen Eisbergs. Da sie nicht wollte, dass ihre Mutter sich Sorgen machte, hatte Lindy seit Monaten den größten Teil ihrer Probleme für sich behalten. Sie beabsichtigte auch nicht, sofort damit herauszuplatzen. Vielleicht würde sie in ein paar Tagen, wenn sie den heimatlichen Frieden in sich aufgesaugt hatte, in der Lage sein, etwas zu erzählen.
Als sie das erste Plätzchen probierte, schloss Lindy genießerisch die Augen. »Ich schwöre, dass ich davon ein Dutzend essen könnte.«
»Aber das wirst du nicht. Sonst hast du beim Mittagessen keinen Hunger.«
Erst jetzt bemerkte Lindy den brodelnden Topf auf dem Herd. »Hast du Pasta e fagioli gemacht?« Die Suppe, die aus Cannellinibohnen, Kidneybohnen und kleinen Nudeln in einer sämigen Tomatensoße bestand, war eine Familientradition.
»Mit Sauerteigbrötchen«, fügte ihre Mutter hinzu. Das Rezept stammte noch vom Großvater ihres Vaters, der einst in Alaska gelebt hatte. Er behauptete, es stamme von einem alten Klondike-Goldschürfer, irgendwann um 1890.
»Mom«, stöhnte Lindy. »Du wirst mich wieder zu sehr verwöhnen.«
»Genau das habe ich vor. Du warst viel zu lange nicht mehr zu Hause.«
»Ich war am vierten Juli hier«, erinnerte Lindy sie. Sie war gekommen, kurz nachdem sie ein eigenes Apartment bezogen hatte und kurz bevor sie die furchtbare Wahrheit über . Sie rief sich zur Ordnung; weigerte sich, an all das Schlimme zu denken.
»Ja, und das ist Monate her. Es ist ja nicht so, als würden uns tausend Meilen trennen. Seattle ist kaum drei Autostunden entfernt.«
»Ich weiß, ich weiß, aber ich bin umgezogen, vergiss das nicht, und dann war da dieses Projekt für die Firma, das fast jedes Wochenende in Anspruch genommen hat. Doch es hat sich gelohnt, denn ich habe zwei Wochen herausgeschlagen, um die Feiertage mit dir, Dad, Chad, Ashley und Peter zu verbringen.« Ihr jüngerer Bruder hatte vor ein paar Jahren seine Highschoolliebe geheiratet und arbeitete als Lieferkettenmanager für den Apfelgroßmarkt. Innerhalb eines Jahres hatten Ashley und Chad ihren Eltern einen hinreißenden Enkel geschenkt. Lindy war verrückt nach dem vierjährigen Peter. Sie sprachen jede Woche über FaceTime miteinander, und sie schickte ihm so oft Geschenke, dass Chad sie gebeten hatte, damit aufzuhören. Zurzeit war Ashley mit einem kleinen Mädchen schwanger, das sie Grace nennen wollten. Sie sollte in der ersten Märzwoche zur Welt kommen.
Als Lindy mit Kaffee und Plätzchen fertig war, lud sie ihr Auto aus und brachte ihren Koffer in ihr Zimmer. Auf der Schwelle zu dem vertrauten Raum stehend, stellte sie fest, dass alles noch genauso aussah wie damals, als sie aufs College gegangen war. Sie setzte sich auf die Bettkante, blickte sich um und erinnerte sich daran, wie unbeschwert ihr Leben als Teenager gewesen war.
Ein Poster der Jonas Brothers hing an der Wand, die Pompons von der Tanzgruppe klemmten an der Ecke der Pinnwand, und die Korsage, die sie zu ihrem Oberstufenball getragen hatte, war auch daran befestigt.
Endlich zu Hause.
Tiefer Frieden überkam sie, als sie sich in all das Vertraute ringsum einhüllte wie in eine wärmende Decke.
»Essen ist gleich fertig«, rief ihre Mutter aus der Küche, da hatte Lindy gerade ausgepackt. Sie legte die Geschenke, die sie mitgebracht hatte, unter den Weihnachtsbaum, der das Wohnzimmer schmückte. Er stand vor dem Panoramafenster, das auf die Apple Orchard Lane hinausging.
»Ich komme schon.« Nachdem sie den Baum bewundert hatte, gesellte sich Lindy zu ihrer Mutter, die bereits zwei dampfende Suppenschalen auf den Küchentisch gestellt hatte. Der Brotkorb stand zusammen mit einem Butterschälchen in der Mitte.
Nach dem Tischgebet hob Lindy ihren Löffel. »Ich habe nachts von dieser Suppe geträumt. Obwohl ich mich haargenau an das Rezept halte, kriege ich sie nie so gut hin. Irgendwie schmeckt sie immer besser, wenn du sie kochst.«
»Das liegt daran, dass sie mit Liebe zubereitet wird.«
Lindy hatte so ihre Zweifel, was diese zusätzliche Zutat anging, aber anscheinend gab es keine andere Erklärung.
Ihre Mutter wartete, bis Lindy aufgegessen hatte. Dann sah sie Lindy direkt an und sagte: »Ich warte.«
»Worauf?«, fragte Lindy.
»Darauf, dass du mir erzählst, was mit dir los ist, und bitte versuch nicht, es abzustreiten. Du sagst es mir am besten gleich, bevor .«
»Mom . nichts ist mit mir los. Alles in Ordnung.«
Ihre Mutter kniff die Augen zusammen und bewegte den Zeigefinger in der Luft hin und her. »Lindy Rose, ich bin deine Mutter. Niemand kennt dich besser als ich. Ich habe schon eine ganze Weile vermutet, dass du nicht glücklich bist. Und jetzt raus mit der Sprache.«
Lindy fürchtete, vielleicht weinen zu müssen, wenn sie erst einmal anfing zu...
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