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1. Kapitel
Palmer
»Wirst du Josie einen Heiratsantrag machen oder nicht?«, wollte Alicia wissen.
Ich schloss die Augen. Es kam mir so vor, als würde meine Brust sich zusammenziehen und mein Herz einen Salto schlagen.
»Palmer, hast du mir zugehört?«
»Ich habe dir sogar sehr genau zugehört.«
Es war ein Fehler gewesen war, meine große Schwester anzurufen, ich hatte es geahnt.
Alicia pflegte stets unverblümt ihre Meinung zu sagen. Sie wusste, was ich für Josie empfand, und als meine selbst ernannte Beschützerin gedachte sie es nicht zuzulassen, dass Josie abreiste, ohne dass ich ihr meine Gefühle für sie gestanden hätte.
»Dann beantworte meine Frage. Wirst du Josie sagen, dass du sie liebst?«
Meine Schwester und ich waren in Alaska in einem winzigen Nest oberhalb des nördlichen Polarkreises aufgewachsen. Und da wir mangels Schule zu Hause unterrichtet worden waren, besaß ich nicht viele Erfahrungen in puncto soziale Interaktion, die man anderswo bereits im Kindesalter lernte.
Trotzdem würde ich dieses Leben gegen nichts anderes eintauschen wollen, bedauerte lediglich, dass es mir an gewissen Fähigkeiten mangelte, die man in einer anderen Umgebung ganz selbstverständlich erwarb. Bei Alicia, die mir diesbezüglich einiges voraushatte, da sie inzwischen in Fairbanks lebte, klang alles immer so einfach. Ich hingegen fühlte mich, als sollte ich mein Herz auf einen Hackblock legen, obwohl das Risiko, dass es in Stücke gerissen wurde, sehr groß war.
Mein größtes Problem allerdings bestand darin, dass ich nie auch bloß annähernd das war, was man als romantisch bezeichnen würde. Das überließ ich den Jungs aus der Stadt. Ich war ein Naturbursche, ein Mann aus Alaska, blumige, gefühlvolle Worte waren mir so fremd wie mit Kürbis gewürzter Latte.
Und wenn es darum ging, eine Frau zu erobern, war ich so schwerfällig wie ein Holzklotz, würde also mit absoluter Sicherheit nie der Typ sein, der Gedichte rezitierte. Hinzu kam, dass kaum jemand ein Leben in der Wildnis Alaskas attraktiv fand, erst recht kein hübsches Mädchen. Insofern war die Auswahl an Frauen betrüblicherweise eher sehr mager.
Die meisten kannten nicht mal den Namen des Ortes, in dem ich lebte, denn Ponder war Meilen von dem entfernt, was noch geradeso als Zivilisation durchging, lag nordöstlich von Fairbanks, der zweitgrößten Stadt Alaskas, die mit ihren rund dreißigtausend Einwohnern ebenfalls nicht gerade ein Hit war. Gemessen an Ponder jedoch schon. Dessen Einwohnerzahl stieg in der Saison, wenn die Lodge Wanderer und Naturfreaks anlockte, mit Glück auf dreihundert an. Im Winter blieben ein Haufen abgehärteter Männer und Frauen sowie eine Handvoll Familien zurück. Immerhin gab es zwei Kneipen, die während des langen Winters die einzige Unterhaltung darstellten.
Dass Alicia mich nach dem Motto Jetzt oder nie schwer bedrängte, Josie einen Antrag zu machen, ging mir auf den Geist. Allein bei dem Gedanken, sie zu bitten, in Ponder zu bleiben, brach mir der kalte Schweiß aus. Ich fühlte mich schlimmer als während der Grippe, die mich letztes Jahr übel erwischt hatte.
Was sollte sie auch hier? Keine Frau wollte hier leben. Und selbst in der Angel- und Jagdlodge, die den ganzen Sommer über ziemlich frequentiert war, gab es überwiegend Männer. Frauen, insbesondere Singles, waren in Ponder dünn gesät. Die einzigen weiblichen Wesen, die ich in den letzten paar Jahren kennengelernt hatte, waren diejenigen, die in der Lodge arbeiteten, oder solche, die mir bei meinen gelegentlichen Abstechern nach Fairbanks über den Weg gelaufen waren. Bei den Lodgemädchen handelte es sich zumeist um Collegestudentinnen, die den Sommer über dort jobbten und für meinen Geschmack noch reichlich unreif und albern waren, sodass ich ihnen keine Beachtung schenkte.
All das änderte sich, als Josie Avery in Ponder eintraf.
Sie war Mitte zwanzig und in der Lodge als Küchenchefin angestellt worden und würde die ganze Saison über, von Mai bis Ende Oktober also, bleiben. Von dem Moment an, als ich sie zum ersten Mal sah, wusste ich, dass sie anders war als die Girlies. Gleich zu Anfang fiel mir auf, dass ihr Handy nicht mit ihrer Hand verwachsen war, sondern dass sie ihre Hände benutzte, um ein Buch zu halten. Und als sie von ihrer Lektüre aufblickte und mich anlächelte, war es um mich geschehen. Ihre Augen strahlten, und ich schwöre, dass ich darin hätte versinken können.
Überhaupt sah sie wunderschön aus.
Das Sonnenlicht war gerade durch die Bäume gebrochen und hatte sich wie flüssiges Gold über sie ergossen und ihre langen schwarzen Haare mit winzigen funkelnden Sternen übersät. Ich weiß nicht, wie ich erklären soll, was bei diesem Anblick mit mir geschah. Erst kam es mir vor, als hätte mich ein Blitz getroffen, denn ich blieb wie erstarrt stehen, dann taumelte ich zurück, als hätte man mir einen heftigen Schlag versetzt.
Von da an war sie die Eine für mich, zumal ich überdies feststellte, dass sie intelligent und praktisch veranlagt war, dass sie über viel Sinn für Humor verfügte und dass ich mich in ihrer Gesellschaft wohlfühlte wie noch mit keiner Frau vor ihr. Mit ihr konnte ich mich so ungezwungen unterhalten wie mit niemandem sonst, nicht einmal mit meiner Schwester.
Um ehrlich zu sein, spielte natürlich ihr Aussehen ebenfalls eine Rolle. Josie war bildhübsch, eine Schönheit mit wundervollen Augen und genau der richtigen Figur, nicht zu üppig, nicht zu mager, sodass ich mich nicht verstellen musste, wenn ich ihr Komplimente machte. Und als Krönung des Ganzen war sie gut in ihrem Job, das Essen in der Lodge war nie besser gewesen, hatte sozusagen einen Quantensprung gemacht. Ein guter Grund für mich, jetzt öfter dort vorbeizuschauen.
Deshalb begann ich Jack Corcoran zu begleiten, einen alten Kauz, der der Caribou Lodge Wild lieferte und sich dort fast jeden Abend zum Essen einfand. Auch den Besitzern der Lodge fiel meine plötzlich häufige Anwesenheit auf, und sie zogen ihre Schlüsse daraus. Mehr noch: Sie erlaubten Josie netterweise, abends früher Schluss zu machen, damit wir mehr Zeit miteinander verbringen konnten und ich ihr die Schönheit der Wildnis Alaskas zeigen konnte.
Mal machten wir dies, mal das.
Da es im Sommer fast vierundzwanzig Stunden lang hell blieb, hatten wir, wenn sie mit ihrer Arbeit fertig war, noch reichlich Gelegenheit, durch die endlose Tundra zu streifen. Wir gingen wandern und pflückten unterwegs Blaubeeren und Cranberrys, aus denen sie eine wundervolle Soße als Beilage zu Elchfleisch zauberte. Oder wir lagen unter dem Sternenhimmel und schauten zu, wie die Polarlichter grün über den Himmel tanzten. Josie hatte angesichts dieses Naturschauspiels nach Luft geschnappt, während ich viel zu sehr von ihr gefesselt gewesen war, um in die Sterne zu schauen. Schließlich war sie für mich der allerschönste Stern.
Wir hatten echt tolle Zeiten miteinander, Josie und ich. Als Ponder im Rahmen der Feiern zum vierten Juli seinen jährlichen Angelwettbewerb veranstaltete, fing Josie, die vorher noch nie geangelt hatte, den Siegerfisch. Anfängerglück, behauptete sie, ich hingegen war sehr stolz auf mein Mädchen.
Ich genoss ihre Gesellschaft immer mehr. So sehr, dass ich bald zu überlegen begann, wie schön es wäre, wenn sie sich in Ponder häuslich niederlassen würde. Mit mir natürlich, denn ich war fest davon überzeugt, dass wir bestens miteinander auskommen würden. Und eine Frau im Haus zu haben würde das Leben leichter machen, wenn im Winter die Temperaturen unter null sanken und man weniger nach draußen ging. Dann konnte sich ein Mann manchmal recht einsam fühlen. Immerhin näherte ich mich meinem dreißigsten Geburtstag. Da wurde es, wie Alicia wiederholt betonte, sowieso Zeit für mich, an Heirat und die Gründung einer Familie zu denken.
Jack mochte Josie ebenfalls. Er war ein knorriges Urgestein, das inzwischen zu einem Teil der Landschaft geworden war. Kerle wie ihn traf man in Alaska häufig an. Er sah aus wie die alten Goldsucher und versuchte hin und wieder noch mal sein Glück, aber bislang erfolglos. Dafür war er ein begehrter Jagdführer und ging mit Touristengruppen zwei oder drei Tage lang in der Wildnis zelten, um ihnen zu einem echten Alaskafeeling zu verhelfen.
Josie hatte das mit der Goldsuche gereizt und mich überredet, mit Jack mal loszuziehen. Ein ganzer Tag war für eine völlig sinnlose Suche draufgegangen. Egal. Zwar hatte ich keine Nuggets gefunden, dafür mit ihr meinen allergrößten Schatz.
Jerry Brewster, der zusammen mit seiner Frau Marianne die Lodge betrieb, hatte sich auf das Angeln auf dem See spezialisiert, einem Nebenarm des Copper River, wo einer der besten Lachse der Welt gefangen wurde. Während des Sommers war er dort ständig mit Sportanglern anzutreffen, die sein Fachwissen schätzten und bereit waren, eine stattliche Summe für das Privileg hinzublättern, mit ihm fischen zu gehen.
Die meisten Touristen kamen übrigens mit der Fähre, der einzigen Möglichkeit, nach Ponder zu gelangen, außer man leistete sich ein Wasserflugzeug. Bevor der See zufror, mussten alle, die den Winter nicht in der kleinen Siedlung verbringen wollten, mit der letzten Fähre abreisen. Danach stellte ein Kufenflugzeug, das bei Bedarf angemietet werden konnte, die einzige Verbindung zur Außenwelt dar. Mit allem, was man den langen Winter über brauchte, musste man sich rechtzeitig eindecken. Dennoch liebte ich das friedliche und ruhige Leben, das ich mir an dem idyllischen Caribou Lake aufgebaut hatte.
»Hast du irgendetwas von dem...
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