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In ihrem Viertel gilt die junge Aita ob ihrer Schönheit als Lilie von Palermo. Doch als sie sich beim Tanz in den Falschen verliebt, ihn gar küsst, wird sie vom begehrtesten Mädchen der Stadt zur Ausgestoßenen. Erst recht, als sie den, den sie alle >>il Diavúlu<<, den Teuflischen, nennen, auch noch zum Mann nimmt.
Aita könnte trotz allem glücklich sein, denn ihr fehlt es an nichts. Ihr Mann hat sich inzwischen einen Ruf als geschickter Schmied erarbeitet, fertigt für die Reichen und Mächtigen. Doch die Zeiten sind unruhig, immer mehr Sizilianer stemmen sich gegen die Herrschaft des Hauses Anjou. Können Aita und Emidio ihre Liebe auch in schweren Zeiten bewahren? Oder werden sie und ihre Familien im Streit der konkurrierenden Mächte zerrieben?
Ein berührender, mitreißender Palermo-Roman aus der Zeit der Sizilianischen Vesper
Ihre kleinen Sohlen klopften aufs Pflaster wie Hämmer, die Kupfer trieben. Emidio, der dem Tumult auf dem Campo zusah und in Gedanken eine Zeichnung machte, erschrak und hielt inne. Er musste sich täuschen. Im Brausen des Menschengetümmels konnte nicht einmal das von Sehnsucht geschärfte Gehör eines Verliebten einen einzelnen Schritt erkennen. Dennoch war er sich sicher. Die schnellen Schritte gehörten Marianna, und so wie er die Zeichnung im Geiste vor sich gesehen hatte, sah er jetzt sie: ihre fliegenden Röcke, die feinen Flechten, die sich aus dem Gebände lösten, den fast noch kindlichen Brustkorb, der sich mit ihren Atemzügen hob und senkte.
Im Frühjahr war sie oft so gerannt, im Zickzack durch halb Neapel bis auf den belebten Platz, wo Emidio an Markttagen seine Arbeit zum Verkauf anbot. Er hatte es ihr verboten. Der Campo del muricino galt zwar neuerdings als Herz der Stadt, doch gelegen war er an ihrer kalten Schulter, die die Verführerin Neapel all jenen zeigte, die mit ihrem atemberaubenden Höhenflug nicht mithalten konnten: den Gottlosen und den Gottverlassenen, den Entrechteten und jenen, denen jedes Mittel recht war.
Emidio wollte nicht, dass Marianna sich allein durch das Spinnennetz dieser Gassen schlug. Es war keine Gegend für eine wie sie, und allein der Gedanke, ihr könne etwas zustoßen, schnürte ihm die Kehle zu. Er hatte zornig auf sie sein wollen, doch sooft er das Getrappel ihrer Sohlen vernommen und ihr vom Laufen erhitztes Gesicht erkannt hatte, war sein Zorn verraucht wie das Feuer beim Amboss, und seine Arme hatten sich geöffnet wie von selbst.
Wenn sie sich hineinwarf, war sie wieder das Mädchen, das bei ihm alles suchte: Schutz und Liebe und den Duft des wahren Lebens. Statt sie zurechtzuweisen, hatte er lächeln und sie in seinen Armen einschließen müssen, so fest und sicher wie in ihres Vaters Haus.
Nicht so heute.
Heute war kein gewöhnlicher Tag, und Marianna hätte sein Verbot nicht missachten und herkommen dürfen. Sie war zart, und ihre Brust mochte kindlich wirken, aber der geschwollene Leib ließ keinen Zweifel daran, dass sie kein Kind mehr war. Sie kam schon in Hörweite, außer Atem rief sie nach ihm, doch zwischen ihnen toste das Menschenmeer. Köpfe schnellten wie Wellenkronen in die Höhe, und eine sich bäumende Woge aus Leibern versperrte Marianna den Weg.
»Midiú! Ahime, Midiú!«
Sie sprach seinen Namen anders aus als jeder sonst in Neapel. Mit ihrer Art, den Vokal am Ende zu verdunkeln und in die Länge zu ziehen, verriet sie, dass sie beide fremd waren, dass sie nur zueinander und sonst zu niemandem gehörten. Auch nicht zu dem, den Beamte des Franzosenkönigs gleich durch die Menschenmenge und die Stufen hinauf auf das Holzgerüst schleifen würden, um ihn hier, vor den Augen der Gaffer, ums Leben zu bringen.
Sie waren Sizilianer, echte, nicht solche vom Festland, die lediglich demselben König untertan waren, aber von Sizilien nichts verstanden. Sie kamen von der Insel, ihre Sprache war dunkel und abgeschliffen wie Küstenfelsen, und die Stadt, in der sie geboren worden waren, hieß in dieser dunklen Sprache Paliemmu. Wenn man sich nach ihr sehnte, duftete sie nach Pinienharz und vor Reife geplatzten Orangen, wenn man in ihr erwachte, stank sie nach Pisse und verfaultem Fisch. Rot war ihre Farbe - rot für Feuer, Wein und Blut.
Die Sizilianer, so ging das Gerede, waren wie Stacheln im Fleisch der französischen Besatzer, stählerne Stacheln, die sich nicht beugen ließen, sondern sich einfraßen und Gift ins Blut träufelten, als säße dem verhassten König, Karl von Anjou, ein Seeigel auf der Schulter.
Was man nicht beugen konnte, zerbrach man. Emidio war Schmied, er wusste, wie groß die Versuchung war, störrischem Material mit brachialer Gewalt zuzusetzen, es nicht geduldig zu recken und auszuschmieden, sondern ihm blindwütig Hammerschläge zu verpassen, bis das Werkstück für alle Zeit verdorben war. König Karls Bewaffnete, die in zwei Reihen das Gerüst umstanden, hielten statt der Hämmer Schwerter und Lanzen. Wenn sie einen Sizilianer sprechen hörten, der sich keine Mühe gab, seinen Zungenschlag zu verbergen, horchten sie auf und umfassten ihre Waffen fester. Ein Rest verhangener Sonne ließ ihre Klingen blitzen.
Wäre einer dieser Wachleute unbewaffnet vor seinen Scharren getreten, hätte Emidio sich mit ihm auf ein Gespräch eingelassen. Glaubst du das wirklich, compagno?, hätte er ihn fragen wollen. Glaubst du wirklich, der kleine Deutsche, der Staufer, dem ihr den Kopf abschlagen wollt, wäre uns als König lieber als der Franzose, der uns knechtet? Schon recht, unter den Deutschen war unser Palermo eine strahlende Hauptstadt, während der Franzose es verkümmern lässt und seine Würde der Kurtisane Neapel vor die Füße wirft, doch warum sollte uns das scheren? Wir sind kleine Leute, wir knirschen unter der Steuerlast des Franzosen mit den Zähnen und haben genauso unter dem Deutschen geknirscht. Fremd sind sie uns beide, und wir auf Sizilien sind an Fremde gewöhnt. Byzantiner, Sarazenen, Juden, Griechen, Normannen, Deutsche - ihr Zeichen haben sie uns alle aufgebrannt. Der unglückselige Staufer gäbe nichts um uns - weshalb also sollten wir um ihn und sein Elend mehr als eine saure Feige geben?
Aber um solche Gespräche zu führen, war jetzt nicht die Zeit. Vor Emidios Scharren stand kein Unbewaffneter, der Lust zum Schwatzen hatte, sondern eine dicht gedrängte Horde, die Marianna den Weg abschnitt. Ihre verzweifelten Rufe verloren schon an Kraft.
»Midiú, hilf mir! Ich muss doch zu dir, Midiú!«
Jemand versetzte ihr einen Stoß, sodass sie ins Taumeln geriet und um ein Haar gestürzt wäre. Mit einem Satz sprang Emidio hinter dem Scharren hervor und stieß wie ein Rammbock in die Menge. Die brach auseinander, kreischend und zeternd flohen die Gaffer beiseite.
Emidio machte von der Kraft, die in seinem Körper ruhte, nur am Amboss gern Gebrauch, doch wenn jemand Marianna anrührte, kannte er kein Halten. Sie war sein Liebstes, niemand durfte ihr ein Haar krümmen, und Opfer hatte sie um seinetwillen schon genug erbracht. Einen Kerl, der nicht schnell genug aus dem Weg floh, stieß er beiseite, dass ihm die Kiepe vom Rücken kippte und ein Hagel von Zitrusfrüchten sich über den hart gebackenen Boden ergoss. Es klang wie einer der Trommelwirbel, mit denen die Steuereintreiber in Paliemmu die Leute aus der Deckung ihrer Häuser scheuchten.
»Midiú!«
Mariannas Rufen ging in Weinen über, und im nächsten Augenblick lag sie in seinen Armen. Entsetzen schüttelte ihn, während er vergeblich versuchte, die Bilder niederzukämpfen, die ihm durchs Hirn schossen: Marianna, seine kindlich schmale picciotta, zu Boden gestoßen, von einer Heerschar trampelnder Sohlen überrannt, der Leib vornübergekrümmt, um das zu schützen, was darin heranwuchs - den Funken Leben, noch schmaler, noch wehrloser, noch zerbrechlicher als sie. Emidio war nicht zart besaitet. Er war ein Schmied, ein robuster Bursche, der sich nie gescheut hatte, dem Leben ins Auge zu blicken, auch da, wo es wenig appetitlich war. Seine Liebe zu Marianna aber machte ihn verletzlich, und seit sie sein Kind erwartete, fühlte er sich an manchen Tagen, als hätte jemand die Haut auf seinen kräftigen Schultern mit dem Schabeisen dünn gewetzt.
Er hielt sie fest und spürte, wie sie in seinen Armen zusammenfuhr, weil er ihr wehtat. »Geschieht dir recht«, murmelte er und hielt sie noch fester. »Wozu rede ich überhaupt mit dir? Wozu erkläre ich dir geduldig wie ein Esel, was alles passieren kann, wenn du dir denkst: >Dem, was der Dummkopf schwatzt, brauche ich nicht zuzuhören, und meine Ohren habe ich ohnehin nur, weil ihre Muscheln hübsch sind.<«
Zaghaft hob sie den Kopf und sah mit weiten Augen zu ihm auf. »Findest du das wirklich? Dass meine Ohrmuscheln hübsch sind?«
»Darüber reden wir nicht. Lass die Koketterie.« Das war Unsinn. Koketterie war ihr fremd, und er fand alles an ihr hübsch, jede Haarsträhne, jede helle Wimper.
»Ich habe noch nie gedacht, dass du ein Dummkopf bist«, sagte sie. »Du bist der klügste Mann, den ich kenne, ich höre jedes Wort, das du sagst, und bitte sei mir doch nicht mehr böse, Midiú.«
»Ich bin dir aber böse!«, herrschte er sie an. »Habe ich dir nicht gesagt, du sollst in der Wohnung bleiben und die Tür verriegeln, weil heute in dieser Stadt der Teufel los ist?«
Die flache Hand, mit der sie ihm über die Brust gestrichen hatte, hielt still. Unter ihrer Handfläche vernahm er sein Herz. So war es vom ersten Tag an gewesen: Seit er sie kannte, spürte er sich selbst.
»Ich hab's in der Wohnung nicht ausgehalten«, sagte sie. »Wenn der Teufel los ist, muss ich doch bei dir sein, amuri.«
Emidio empfand einen Anflug von Schwäche. Der Lärm um ihn schwoll an, der Tumult schien sich wie bei einem Wasserstrudel zur Mitte hin zu verdichten. Die Umschlingung, in der er Marianna hielt, wurde weicher, ohne sich zu lösen. Mit den Lippen zog er ihr das verrutschte Gebände, das sie von Rechts wegen nicht hätte tragen müssen, vom Kopf, ließ es fallen und küsste den milchblonden Schopf. »Nicht weinen, Marinuzza. Ist schon gut.«
»Wirklich, amuri? Bist du mir nicht mehr böse?«
»Aber ja doch. Was denn sonst?«
Er hatte ihr schließlich nichts vorzuwerfen. In dem Loch in Napoli sotterranea, das sie ihre Wohnung nannten, weil sie es unmöglich ihr Zuhause nennen konnten, ließ es sich nicht aushalten. Hätte er selbst den ganzen Tag über...
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