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Sebastian Reichle
Pflegeheime können öffentlich und privatrechtlich organisiert sein. Das Gemeinwesen bestimmt die Rechtsform im Rahmen des kantonalen Rechts. In den meisten Kantonen bestehen sowohl öffentliche als auch private Pflegeheime.
Auf Bundes- und Kantonsebene gibt es zahlreiche Regelungen, die Alters- und Pflegeheime unabhängig von der gewählten Rechtsform einzuhalten haben. Die Bewilligungsprüfung und die Regelungen zur Aufsicht bezwecken grundsätzlich, dass Alters- und Pflegeheime ein funktionierendes Qualitäts- und Risikomanagement gewährleisten müssen.2 Schweizweit und in einzelnen Kantonen bestehen zunehmend Regelungen, die mehr oder weniger detaillierte Qualitätsstandards für Alters- und Pflegeheime vorsehen. Das Ziel besteht darin, sowohl wirtschaftliche Risiken als auch Risiken im Umgang mit Personal und Bewohnenden zu vermeiden.3
In privatrechtlicher Hinsicht sind insbesondere der Verein, die Stiftung, die Aktiengesellschaft, die GmbH sowie die Genossenschaft mögliche Rechtsformen für ein Pflegeheim.4 Als mögliche öffentlich-rechtliche Organisationsformen kommen insbesondere die öffentlich-rechtliche Anstalt, die Körperschaft oder der Zweckverband in Frage (LandolT, 2009).
Die öffentlich-rechtliche Anstalt wird durch einen Kanton oder eine Gemeinde mittels eines sogenannten »Spezialgesetzes« errichtet und dient einem bestimmten Nutzungszweck. Die unselbstständige Anstalt hat keine eigene Rechtspersönlichkeit und ist Teil der Verwaltung. Sie hat daher kein eigenes Vermögen, ist nicht rechtsfähig und kann selbst kein Haftungssubjekt sein. Die selbstständige Anstalt verfügt über eine eigene Rechtspersönlichkeit und steht außerhalb der Verwaltung. Kantone oder Gemeinden können Gesundheitsbetriebe auch als Zweckverbände organisieren, die auf einem öffentlich-rechtlichen Vertrag basieren (LandolT, 2009).
Private Alters- und Pflegeheime mit kantonalem Leistungsauftrag erfüllen staatliche Aufgaben. Somit sind sie an die Grundrechte gebunden und müssen zu deren Verwirklichung beitragen (vgl. Art. 35 Abs. 2 BV). Dies betrifft auch Alters und Pflegeheime, die durch den Kanton und die Gemeinden selbst betrieben werden.
Zu berücksichtigen sind insbesondere die Rechtsgleichheit nach Art. 8 BV, die Achtung der Menschenwürde nach Art. 9 BV, das Recht auf Leben, psychische und physische Integrität sowie auf Bewegungsfreiheit, die sich aus Art. 10 BV ergeben.
Im gesamten Privatrecht und darüber hinaus sind die aktienrechtlichen Bestimmungen über das Risikomanagement von Bedeutung. Diese sind für zahlreiche privatrechtlich organisierte Einrichtungen (z.?B. auch als Stiftungen organisierte Pflegeheime) maßgebend, insbesondere da regelmäßig auf sie verwiesen wird (Peyer & Seiler, 2022; Anwander, 2022).
Im Folgenden sind die zentralen Regelungen des Privatrechts in Bezug auf das Risikomanagement dargestellt. Entscheidet sich ein Gemeinwesen zum Beispiel für die Organisationsform der öffentlich-rechtlichen Anstalt, sind diese privatrechtlichen Regelungen nicht relevant. Jedoch existieren generell und rechtformunabhängig spezifische Bestimmungen im kantonalen und eidgenössischen Recht, die für Pflegeheime maßgebend sind. Auf diese Regelungen geht der vorliegende Leitfaden ebenfalls ein.
Risikomanagement als Aufgabe des obersten Führungsorgans
Dem Verwaltungsrat einer Aktiengesellschaft5 auferlegt Art. 716a Abs. 1 OR unübertragbare und unentziehbare Aufgaben (sogenanntes »Paritätsprinzip«). Diese gilt es unter Anwendung aller Sorgfalt zu erfüllen (vgl. zur Sorgfaltspflicht Art. 717 Abs. 1 OR). Nach bundesgerichtlicher Rechtsprechung ist das Gebot der Sorgfaltspflicht im Sinne von Art. 717 Abs. 1 OR mehr als nur eine einfache Pflicht. Denn es legt denjenigen Sorgfaltsmaßstab fest, der bei der Ausübung aller anderen Pflichten zu beachten ist, die sich aus den zugeschriebenen Aufgaben ergeben (Urteil des Bundesgerichts 4 A_373/2015 vom 26. Januar 2016, E. 3.1.1).
Die Pflicht des Verwaltungsrats, eine Risikoauseinandersetzung vorzunehmen bzw. sich mit den Risiken des Unternehmens auseinanderzusetzen, ergibt sich nicht explizit aus dem Gesetzestext selbst. Die Lehre leitet diese Pflicht hauptsächlich aus Art. 716a Abs. 1 Ziff. 1 OR ab, namentlich aus der Aufgabe der Oberleitung der Gesellschaft (Peyer & Seiler, 2022). Doch auch unter Art. 716a Abs. 1 Ziff. 2 OR (Festlegung der Organisation) und Art. 716a Abs. 1 Ziff. 5 OR (Oberaufsicht über die Geschäftsführung) lassen sich Aspekte des Risikomanagements subsumieren. Da diese Pflichten Teil der unübertragbaren und unentziehbaren Aufgaben eines Verwaltungsrates (Art. 716a OR) sind, muss dieser zwingend mindestens die Grundsätze und Prozesse des Risikomanagements festlegen (Peyer & Seiler, 2022).
Ein sorgfältig tätiger Verwaltungsrat eines als Aktiengesellschaft organisierten Pflegeheims hat daher stets eine adäquate Risikobeurteilung vorzunehmen - grundsätzlich unabhängig von der Größe des Betriebs. Unterlässt es ein Verwaltungsrat, diese zentrale Aufgabe wahrzunehmen, stellen sich aufgrund unsorgfältigen Handelns Fragen der Verantwortlichkeit nach Art. 754 OR (Peyer & Seiler, 2022).
Spezifische Regelungen für größere Unternehmen
Obwohl die dargestellten Sachverhalte grundsätzlich für zahlreiche privatrechtliche Rechtsformen maßgebend sind, sieht das schweizerische Recht je nach Größe des Unternehmens spezifische Regelungen vor, insbesondere zur Risikoberichterstattung und zu Prüfungsaufgaben der Revisionsstellen.
Historisch gesehen ist die Gesetzesrevision vom 16. Dezember 2005 von Bedeutung (vgl. AS 2007 4791). Im Zuge dieser Revision führte der Gesetzgeber am 1. Januar 2008 Regelungen zum Lagebericht und zum Internen Kontrollsystem (IKS) ein: Gemäß Art. 663b Ziff. 12 aOR mussten Unternehmen im Anhang zur Jahresrechnung Angaben zur Durchführung einer Risikobeurteilung darlegen. Diese Bestimmung wurde mit der Revision des Rechnungslegungsrechts per 1. Januar 2013 bereits wieder gelöscht (vgl. AS 2012 6679). Anstelle dessen verlangen Art. 961 Ziff. 3 OR in Verbindung mit Art. 961c Abs. 2 Ziff. 2 OR von Unternehmen, die einer ordentlichen Revision unterstehen, dass sie in einem Lagebericht Aufschluss über die Durchführung der Risikobeurteilung geben. Dies bedeutet nicht, dass die übrigen Gesellschaften (also insbesondere diejenigen, die der eingeschränkten Revision unterstehen oder gänzlich auf eine Revision verzichten) von der Risikobeurteilung ausgenommen sind. Sie trifft jedoch keine Berichterstattungspflicht.
Seit der am 1. Januar 2008 in Kraft getretenen Revision muss die Revisionsstelle im Rahmen der ordentlichen Revision zudem jeweils prüfen, ob ein internes Kontrollsystem (in der Folge »IKS«) existiert (vgl. Art. 728a Abs. 1 Ziff. 3 OR). Sie muss sich im Revisionsbericht in diesem Zusammenhang in recht umfassender Weise äußern (vgl. Art. 728b Abs. 1 OR).
Sowohl das Verfassen eines Lageberichts als auch die Kontrolle der Existenz eines IKS gehören zum Prüfungsprogramm der ordentlichen Revision, nicht aber der weniger weit gehenden eingeschränkten Revision. Das Aktienrecht definiert in Art. 727?ff. OR, welche Aktiengesellschaften unter welchen Voraussetzungen der ordentlichen oder der eingeschränkten Revision unterstehen. Grundsätzlich sind diese Regelungen auch für die weiteren privatrechtlichen Gesellschaftsformen maßgebend. Dies soll im Folgenden deutlich werden.
Risikomanagement im Rahmen der ordentlichen Revision
Einleitend ist darauf hinzuweisen, dass im schweizerischen Gesellschaftsrecht regelmäßig auf die Bestimmungen des Aktienrechts in Bezug auf Revision verwiesen wird. Insbesondere gilt dies für die Rechtsform »Gesellschaft mit beschränkter Haftung« (GmbH) gemäß Art. 818 Abs. 1 OR und für die Rechtsform »Genossenschaft« (Gen) gemäß Art. 906 Abs. 1 OR. Das Vereinsrecht sieht gemäß Art. 69b ZGB leicht moderatere Voraussetzungen als das Aktienrecht vor, vom Prinzip her aber dieselben. Hingegen unterstehen Einzelfirmen und Personengesellschaften von Gesetzes wegen gar keiner Revision. Stiftungen müssen ebenfalls eine Revisionsstelle einrichten. Die Vorschriften des Obligationenrechts über die Revisionsstelle bei der Aktiengesellschaft sind entsprechend anwendbar (vgl. Art. 83b Abs. 1 und 3 ZGB). Zusätzlich unterstehen Stiftungen der Aufsicht des Gemeinwesens, dem sie angehören (Bund, Kanton oder Gemeinde) (vgl. Art. 84 Abs. 1 ZGB). Die Stiftungsaufsichtsbehörde sorgt dafür, dass das Stiftungsvermögen dem Zweck entsprechend verwendet wird (Art. 84 Abs. 2 ZGB.). Diese Aufsicht erstreckt sich auch auf die generellen Anordnungen der Stiftungsorgane, beispielsweise auf den Erlass von Reglementen und Statuten, sowie auf die Verwaltung im Allgemeinen (BGE 111 II 97,...
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