Schweitzer Fachinformationen
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Wie bist du auf die Idee gekommen, an einem Schüleraustausch teilzunehmen?
Wie ICH auf die Idee gekommen bin? Ehrlich gesagt: Es war gar nicht MEINE Idee! Mama hat die ganze Sache angeleiert und mich dann mehr oder weniger vor vollendete Tatsachen gestellt, und zwar genau übermorgen vor einem Jahr, an meinem 15. Geburtstag …
7. August, 08:49 Uhr. Sagt der Funkwecker. Wenn er meint.
Ich liege im Bett, starre an die Decke und hülle mich ein in das Gefühl, dass mir alles egal ist. Egal, dass ich heute fünfzehn werde. Egal, dass alle, mit denen ich gerne gefeiert hätte, verreist sind. Egal, dass Niklas mich nicht wie sonst Punkt Mitternacht angerufen hat, um mir alles Gute zu wünschen. Egal, dass es draußen regnet und stürmt wie im Oktober …
7. August, 09:05 Uhr. Wenn der Flieger pünktlich ist, landet Niklas jetzt gerade in London Heathrow. Mama hat vorgeschlagen, dass wir zum Flughafen fahren, um uns zu verabschieden. Ich habe es ihr ausgeredet. Mit Mama am Flughafen, das hat mir gerade noch gefehlt! Ich kenne Mama: Niklas ist so etwas wie ein zweites Kind für sie, sie würde in Tränen ausbrechen, wenn er durch die Sperre geht, und ich müsste sie trösten. Das packe ich einfach nicht.
Mama hat es nur gut gemeint. Sie weiß ja nicht, dass zwischen Niklas und mir nichts mehr so ist, wie es mal war. Niklas ist mein bester Freund gewesen, solange ich denken kann. Jetzt ist er gar nichts mehr für mich. Nur Luft.
Und alles nur, weil wir uns geküsst haben.
Es war Niklas’ Idee gewesen. Er war es, der mich geküsst hat. Er war es, der gesagt hat: »Wir sind perfekt füreinander!«, und es sich dann anders überlegt hat. Er war es, der alles kaputt gemacht hat.
Es passierte an einem Freitagabend vor fünf Wochen.
Auf der Freilichtbühne im Schulhof hat gerade die Premiere des neuen Stücks unserer Theater-AG stattgefunden. Ich bin mit Niklas und ein paar anderen hingegangen. Nach der Aufführung hat Niklas mich nach Hause gebracht, so wie immer, wenn wir abends zusammen unterwegs sind …
Es ist erst kurz nach neun Uhr. Mama ist noch nicht zurück, sie ist bei einer Kollegin zu einer Grillparty eingeladen. Im Kühlschrank steht ein Krug Eistee für uns. Wir setzen uns mit zwei großen Gläsern auf den Balkon und reden über das Stück. Und dann, ganz plötzlich, beugt Niklas sich vor und küsst mich – einfach so, ohne Vorwarnung! Seine Lippen liegen sanft und zugleich herausfordernd auf meinen, und sie bringen mich völlig aus der Fassung, weil ich nicht weiß, was ich davon halten soll, davon, dass sich zwischen Niklas und mir etwas nicht vertraut anfühlt, sondern fremd – verwirrend fremd, aufregend fremd!
Der erste klare Gedanke, der mir durch den Kopf schießt, ist: Verdammt, Bea hat also doch recht gehabt!
Bea ist das hübscheste Mädchen der ganzen Klasse, wahrscheinlich sogar der ganzen Schule, Typ Manga-Prinzessin. Sie kann sich vor Verehrern kaum retten und beansprucht für sich die oberste Autorität in Liebesangelegenheiten – vor allem in denen anderer Leute. Seit Wochen behauptet sie, dass Niklas total auf mich steht. Und seit Wochen wiederhole ich immer ein und denselben Satz: »Wir sind nur Freunde, Niklas und ich …« Und jetzt das!
Wie um Himmels willen kommt Niklas dazu, mich zu küssen? Er weiß doch ganz genau, dass ich vom Küssen nichts halte. Wenn man sich küsst, verliebt man sich. Und wenn man sich verliebt, hat man ein Problem. Jedenfalls dann, wenn es der Falsche ist. So wie bei Mama. Als Papa sie vor zwei Jahren verlassen hat, hat sie gelitten wie ein Schwein. Darauf habe ich keine Lust! Und ich habe schon genug Probleme, auch ohne dass ich mich verliebe!
»So wie du aussiehst, bin ich ein ganz miserabler Küsser!«, stellt Niklas fest; er grinst, als ob er sich nichts daraus macht, aber ich weiß genau, dass er nur den Gleichgültigen spielt. Er will immer der Beste sein, in der Schule, beim Sport – ganz egal, worum es geht. Er kann nichts dafür. Seine Eltern haben ihn so erzogen.
»Das ist es nicht …«, murmle ich, »ich weiß nur nicht, ob … ich meine, bist du dir sicher, dass wir …«
»Ganz sicher!«, unterbricht er mich. »Ich habe mir alles genau überlegt. Du und ich, wir sind perfekt füreinander. Hundert Prozent.«
Ganz im Ernst: Welches Mädchen kann der Versuchung widerstehen, sich zu verlieben, wenn ein gut aussehender, intelligenter Junge sagt: »Wir sind perfekt füreinander. Hundert Prozent.«?!
Und dann nimmt er auch noch meine Hand und drückt sie und sagt: »Vertrau mir einfach!«
Ich versuche, logisch zu denken: Gibt es irgendeinen Grund, der dagegen spricht, Niklas zu vertrauen? Mir fällt, ehrlich gesagt, keiner ein …
Ich schließe die Augen. Niklas küsst mich noch einmal. Diesmal küsse ich ihn zurück. Es fühlt sich ganz gut an, sogar ziemlich gut, sehr gut, genauer gesagt! Nicht nur, weil Niklas gut küssen kann, sondern auch und vor allem deshalb, weil in meinem Leben endlich mal wieder etwas nach Plan läuft – zugegeben, nicht nach meinem Plan, sondern nach Beas, aber immerhin!
Ich bin so glücklich wie schon lange nicht mehr. Ich habe ganz vergessen, wie leicht man wird, wenn man glücklich ist. Ich glaube, ich könnte vom Balkon springen und würde nicht fallen, sondern fliegen! Auch wenn ich das lieber nicht ausprobiere.
Das Himmelhochgefühl hält an, zwei ganze Wochen lang. Obwohl Bea mir in jeder Pause mehr als einmal unter die Nase reibt: »Ich hab’s ja gewusst!« Und obwohl ich Niklas wegen seines Wahnsinnspensums kaum zu Gesicht bekomme; er ist der einzige Neuntklässler, den ich kenne, der einen Terminkalender braucht …
Nach zwei Wochen wache ich am Samstag frühmorgens davon auf, dass mein Handy vibriert. Eine SMS, von Niklas: Bist du schon wach?! Muss dich sehen! In einer halben Stunde bei der Bank im Park? N.
Mein Herz macht einen ungeschickten kleinen Luftsprung. Wir haben uns drei Tage lang nicht getroffen, weil Niklas von Mittwoch bis Freitag auf einer Klassensprecher-Freizeit war, nur drei Tage, und das Erste, woran er am vierten Tag beim Aufwachen denkt, bin ich und dass er mich sehen muss?! Spricht ja ganz dafür, dass er mich vermisst hat!
Auf unsichtbaren Flügeln schwebe ich vom Bett ins Bad, vom Bad in die Küche, von der Küche in den Flur, die Treppen hinunter, die Straße entlang, Richtung Park. Natürlich gibt es im Park viele Bänke, aber ich weiß genau, welche Niklas meint – UNSERE Bank, am Rand der großen Wiese, gut versteckt zwischen ein paar alten Bäumen.
Niklas ist schon da. Als ich ihn erblicke, weiß ich sofort, dass irgendetwas nicht in Ordnung ist. Er sieht blass und müde aus und trommelt nervös mit den Fingern auf das morsche Holz. Lächelt mich nicht an. Macht auch keine Anstalten, mich zu umarmen, geschweige denn zu küssen.
Ich setze mich neben ihn. »Was ist los?«
Niklas antwortet nicht sofort. Er holt tief Luft, einmal, zweimal. Dann erzählt er mir alles: dass seine Eltern schon ganz aufgeregt auf ihn gewartet haben, als er am Freitag nach Hause gekommen ist. Weil er einen Brief bekommen hat, aus Seven Oaks, England.
»Seven Oaks, das ist dieses berühmte englische Internat, von dem ich dir mal erzählt habe …«
Hat er das? Wenn ja, kann ich mich jedenfalls nicht daran erinnern.
»Du weißt schon, eine der internationalen Privatschulen, an denen ich mich beworben habe …«
Er hat sich dort beworben?!
»Ganz ehrlich, Jule, ich hätte nie gedacht, dass es klappt! Ich kann es immer noch nicht fassen, dass ich tatsächlich einen Platz bekommen habe!«
Er hat sich nicht nur beworben, er ist auch noch genommen worden?! Und was jetzt? Was ist mit mir, was ist mit UNS?!
Niklas weicht meinem Blick aus.
»Das ist eine Wahnsinnschance, Jule, die kriegt man nie wieder! Wer es nach Seven Oaks schafft, der schafft es überallhin – Oxford, Cambridge, Harvard …«
Er macht es also. Er geht nach England. Meine Flügel schlagen langsamer, tragen mich kaum noch.
»Du weißt doch, Harvard ist immer mein Traum gewesen!«
SEIN Traum? Wohl eher der Traum seiner superehrgeizigen, karrieregeilen Angeber-Eltern!
»Ich würde es mein Leben lang bereuen, wenn ich nicht gehe!«
Oh ja, das würde er! Dafür würde seine Mutter, das verkniffene alte Biest, schon sorgen!
»Ich will dich nicht verlieren, Jule.«
Meine Flügel schlagen auf einmal wieder ein bisschen schneller.
England ist nicht am anderen Ende der Welt, so wie Australien. Und wir leben im 21. Jahrhundert: Es gibt SMS und E-Mails und Chatrooms, es gibt Telefone und Flugzeuge, es gibt Weihnachten und Ostern und Sommerferien … Und Niklas hat gesagt: »Du und ich, wir sind perfekt füreinander.« Wenn wir wirklich perfekt füreinander sind, dann kriegen wir das hin!
»Ich will dich nicht verlieren. Aber es geht einfach nicht!«
Wie bitte?! Was soll das heißen, ›es geht einfach nicht‹?!
»Ich habe die ganze letzte Nacht wachgelegen und nachgedacht. Du hier, ich in England – das wird nicht funktionieren. Das kann einfach nicht funktionieren.«
Totaler Flügelstillstand! Ich stürze ab, endgültig. Freier Fall, ungebremster Aufprall. Totalschaden.
»Ich will dir nicht wehtun, Jule, wirklich nicht!«
Zu spät, schon passiert.
»Es tut mir so leid.«
Ich nicke nur, sage nichts. Was soll ich auch sagen?...
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