Schweitzer Fachinformationen
Wenn es um professionelles Wissen geht, ist Schweitzer Fachinformationen wegweisend. Kunden aus Recht und Beratung sowie Unternehmen, öffentliche Verwaltungen und Bibliotheken erhalten komplette Lösungen zum Beschaffen, Verwalten und Nutzen von digitalen und gedruckten Medien.
Warum sind einige Unternehmen besser durch die Corona-Krise gekommen als andere? Das Buch beleuchtet die Rolle des Topmanagements beim Führen durch die Krise. Interviews mit ausgewählten Top-Manager:innen der deutschen Wirtschaft auf Vorstands- und Geschäftsführungsebene geben Einblicke zu ihren ganz persönlichen Erfahrungen mit Führung in der Krise.
Welche Rolle spielen dabei Intelligenz, Durchsetzungsstärke, Erfahrung, Belastbarkeit, Moral und Teamfähigkeit? Und welche Rolle spielt die Haltung? Die aufschlussreichen Antworten lassen sich auf die Lebenswirklichkeit eines jeden von uns übertragen.
Das Leben ist nicht das, was es sein sollte. Es ist, was es ist.
Die Art und Weise, damit umzugehen, macht den Unterschied.
Virginia Satir
»Krise ist, wenn einer sagt >Es ist Krise< und die anderen es glauben«. Denn es gibt keinen objektiven Zustand, den alle Beteiligten »zweifellos« als Krise erleben. Vielmehr sind die Wahrnehmung und Einstufung der Situation als Krise höchst subjektive Angelegenheiten. Deshalb kann man als Führungskraft eben nicht darauf vertrauen, dass schon alle wissen, dass nun Krise angesagt ist. Und deshalb muss Krise auch angesagt werden.
Auch deshalb setzte sich die Bundeskanzlerin Angela Merkel zu Beginn der Pandemie vor die Fernsehkameras und sagte: »Die Lage ist ernst. Bitte nehmen Sie sie auch ernst«. Und sie wusste vermutlich, dass sie dabei darauf angewiesen war, dass die Menschen im Lande ihr Glauben schenkten. Und dieser Glaube ist tatsächlich ein Geschenk, das die Geführten den Führenden in dieser Situation machen können, aber nicht müssen.
Unterschiedliche objektive Bedingungen
Weshalb ist das aber so, dass Krise kein objektiver Zustand, sondern eine subjektive Einschätzung der Lage ist? Das liegt zum einen an den sehr unterschiedlichen Auswirkungen, die ein und dieselben objektiv wahrnehmbaren Veränderungen in der relevanten Umwelt auf die Menschen und ihre Organisationen haben. Denn die Störungen, die ein Mensch in seinem Umfeld erlebt, führen ihn nur dann in eine Krise, wenn sein System, also sein Körper, sein Geist und seine Seele in ihren Reaktionen auf diese Störungen nicht in der Lage sind, ihr Gleichgewicht so souverän wiederherzustellen, wie es ihnen mit allen anderen Störungen, die sie dauernd bearbeiten, regelmäßig gelingt.
In der Pandemiekrise gibt es die Menschen, deren Körper auf die Störung durch den Virus reagieren, indem sie schwer krank werden und sterben. Und im Kontrast gibt es die, deren Körper mit demselben Virus gut klarkommen. Es gibt die Menschen, die Gefahr laufen, ihren Arbeitsplatz zu verlieren, und diejenigen, die bei vollen Bezügen mit wenig Arbeit zu Hause bleiben und in der »Arbeitszeit« ihren Hobbys in Haus und Garten nachgehen.
Es gibt die Unternehmen, deren Umsätze nach oben durch die Decke schießen, und die, deren Umsätze von einem Tag auf den anderen auf Null fallen.
Unterschiedliche subjektive Wahrnehmungen
Zum anderen sind - neben diesen »objektiven« Betroffenheiten auf allen drei Betrachtungsebenen - auch die subjektiven Wahrnehmungen der potenziell krisenhaften Situationen völlig unterschiedlich von Mensch zu Mensch. Denn, ob ich als Mensch in der Pandemie die Wahrnehmung der fehlenden Treffen mit meinen Freunden in den Vordergrund stelle oder die der entstehenden Freiräume für Freizeitaktivitäten vieler Art (z. B. durch reduzierte Reisetätigkeiten), führt regelmäßig zu ganz unterschiedlichen Einschätzungen der Lage.
Der Multimilliardär, der in der Wirtschaftskrise 2008/09 erleben musste, dass er nun vielleicht nur noch einfacher Milliardär war, weil er sich gigantisch verspekuliert hatte, und der deshalb seinem Leben ein Ende setzte, hat mit höchster Wahrscheinlichkeit eine Situation als Krise erlebt, die die allermeisten Menschen als »objektiv« nicht derartig katastrophal bewertet hätten (Schmidt 2010).
Unterschiedliche Level von Leidensfähigkeit
Neben den objektiven Bedingungen und den subjektiven Wahrnehmungen gibt es auch noch die Unterschiede in den Leveln von Leidensfähigkeit, die dazu führen, dass ein Mensch eine Situation als Krise erlebt, die für seinen Nachbarn gar keine Krise wäre.
Und so sind es auch in der Pandemie nicht die objektiven Bedingungen einer globalen Störung von Wirtschaft und Gesellschaft, die darüber entscheiden, ob Führung in einen Krisenmodus wechseln wird, sondern vielmehr die individuellen Bedingungen des einzelnen Unternehmens in einer spezifischen Branche und die individuellen Wahrnehmungen und Bewertungen der Situation durch das Topmanagement des Unternehmens. Denn Krise ist erst, wenn einer sagt »Es ist Krise« und die anderen es glauben.
Wann sollte also eine gute Führungskraft die Krise ansagen - oder auch die Krisenansage anderer Beteiligter aufgreifen und autorisieren? Wenn die »objektivierte« Diagnose klare Indikatoren einer existenziellen Gefahr für das Unternehmen (oder wesentlicher Teile davon) oder auch für die Gesundheit und das Leben einzelner Menschen durch ihre Arbeit für das Unternehmen erkennen lassen?
Auch das wäre nur die halbe Wahrheit, denn die ganze Betrachtung unterschlägt bislang noch, dass die Konsequenzen aus der Störung im Umfeld, die wir für die eigene Organisation potenziell als Krise erleben, gar nicht zwangsläufig ein Risiko beinhalten muss. Denn die Phase des Übergangs mit offenem Ausgang, als die wir die Krise bislang definiert hatten, kann ja auch einen Ausgang nehmen, den wir als Chance charakterisieren müssten oder zumindest könnten.
Während der Corona-Krise bestand für manches etablierte E-Commerce-Unternehmen das größte Risiko darin, die einmalige Chance, die sich durch die störungsinduzierten Maßnahmen für das Unternehmen ergaben, nicht vollumfänglich nutzen zu können. In einer Situation, in der niemand in einen stationären Laden zum Einkaufen gehen konnte und deshalb alle händeringend nach Möglichkeiten des Online-Shoppings gesucht und diese dann auch gefunden haben, wäre es für ein Unternehmen wie die OTTO Group mit ihrem bestens etablierten eCommerce-Business katastrophal gewesen, den Ansturm der Kunden nicht bewältigen zu können - egal aus welchem Grund. Auch wenn die OTTO Group mit ihren umfangreichen stationären Geschäften durch die Pandemie auf der Risikoseite durchaus betroffen war, wurde das »Krisenmanagement« im Wesentlichen eher zu einem Chancenmanagement. Und so gilt es für jedes Unternehmen, in einer kritischen Situation genau hinzuschauen, wo neben den Risiken auch Chancen aus der Störung erwachsen - getreu dem Motto: Kein Schaden ohne Nutzen.
Wer über den Nutzen aus der Krise nachdenkt, landet schnell bei den sogenannten Krisenprofiteuren, die aus der Not der anderen ein gutes Geschäft für sich selbst machen. So stehen in jeder Konjunktur-, Branchen- oder Strukturkrise immer auch Unternehmen bereit, die notleidenden Unternehmen »unter die Arme greifen«, ihnen dabei aber manchmal auch die Luft abdrehen. So haben manche westdeutsche Unternehmen die fundamentale Krise der ostdeutschen Wirtschaft nach der Wende auch insofern als Chance genutzt, als sie einen potenziellen Konkurrenten rechtzeitig aus dem Markt nehmen und vorhandene Überkapazitäten im Markt zu vergleichsweise geringen Kosten und mit staatlicher Unterstützung beseitigen konnten.
Dieser Blick auf spekulative Krisenprofiteure, die ihre einmalige Machtsituation in der Krise nutzen, versperrt aber auch leicht den Blick auf die mehrheitlich moralisch korrekten Nutzenelemente, die mit einer allgemeinen Krise einhergehen können.
Zwei Strategiedimensionen
So können Unternehmen in zwei Dimensionen aus der klassischen Ansoff-Strategiematrix (Ansoff 1976) Nutzen aus der Krise ziehen:
Für den ersten Fall ist ebenso wie an die bereits erwähnten eCommerce-Unternehmen an die vielen Restaurants zu denken, denen es gelungen ist, mit dem Take-away-Business einen lukrativen Kanal zu erschließen oder auszubauen. Auf einem ähnlichen Preisniveau wie im On-site-Business, aber mit deutlich geringeren Servicekosten, konnten hier sogar attraktivere Margen als zuvor erzielt werden. Die zweite Strategie verfolgten z. B. die zahlreichen Unternehmen, die plötzlich entdeckt haben, dass Herstellung und Vertrieb von einfachen Schutzmasken sowohl zu ihrem Kompetenzspektrum als auch zu ihrem maschinellen Equipment passten. Und dann gibt es noch die »Krisengewinner«, die in der Krise das machen mussten, was sie angeblich schon lange wollten, nämlich weniger. Also diejenigen, die vorher immer zu viel auf ihrer Agenda hatten und nun gezwungen wurden, sich ihren selbst geäußerten Wünschen zu stellen.
Diese Beispiele zeigen deutlich, dass ein Nutzen aus einer Krise auch darin besteht, dass eine Krise Innovationen provoziert. Wenn Innovationen nichts anderes sind als neue Antworten...
Dateiformat: ePUBKopierschutz: Wasserzeichen-DRM (Digital Rights Management)
Systemvoraussetzungen:
Das Dateiformat ePUB ist sehr gut für Romane und Sachbücher geeignet - also für „fließenden” Text ohne komplexes Layout. Bei E-Readern oder Smartphones passt sich der Zeilen- und Seitenumbruch automatisch den kleinen Displays an. Mit Wasserzeichen-DRM wird hier ein „weicher” Kopierschutz verwendet. Daher ist technisch zwar alles möglich – sogar eine unzulässige Weitergabe. Aber an sichtbaren und unsichtbaren Stellen wird der Käufer des E-Books als Wasserzeichen hinterlegt, sodass im Falle eines Missbrauchs die Spur zurückverfolgt werden kann.
Weitere Informationen finden Sie in unserer E-Book Hilfe.