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Gefangen im Hamsterrad des Alltags als Mutter eines fußballverrückten Teenagers und Ehefrau eines Workaholics, fragt sich Hannah, warum eigentlich ihre eigenen Interessen immer auf der Strecke bleiben. Das kann es doch noch nicht gewesen sein, oder? Und als sich überraschend die Möglichkeit ergibt, den Dorfladen samt Postamt in Little Maudley zu übernehmen, zögert sie nicht lange.
Zwar gestaltet sich das Leben auf dem Land nicht ganz so einfach wie erwartet, aber Ben, ihr Sohn, findet dank seines Talents rasch Anschluss in der örtlichen Fußballmannschaft, und Hannah schmiedet Pläne, um ihren heimlichen Traum von einer eigenen kleinen Buchhandlung zu verwirklichen. Und die finden so großen Anklang im Dorf, dass sie kaum bemerkt, dass sich ihr Ehemann extrem rar macht.
»Ich fasse es nicht, dass du da allein hinfahren musst. Wie können die beiden dich bloß so hängen lassen?«
Hannah Reynolds nutzte die Gelegenheit, dass sie gerade im Stau stand, um im Rückspiegel ihres etwas unordentlichen Autos einen Blick auf ihr Gesicht zu werfen. Mit ihren fünfunddreißig Jahren konnte sie immer noch wie ein Schulmädchen aussehen, das - wieder einmal - ermahnt wurde, weil es im Unterricht geschwätzt hatte. Sie verdrehte die Augen. Inzwischen hatte dieses Mädchen sich irgendwie in eine recht hübsche Frau verwandelt, oder jedenfalls schätzte sie sich selbst so ein, wenn sie sich bemühte, diese »Liebe dich selbst«-Bewegung auf Instagram mitzumachen. Allerdings mischten sich in ihre ungebärdigen dunklen Locken hier und da schon vorwitzige graue Sprenkel.
Die Schlange setzte sich langsam wieder in Bewegung, und Hannah winkte dankbar, als ein Lastwagenfahrer ihr Platz ließ, sodass sie sich in die linke Spur einfädeln konnte, um die Ausfahrt nach Oxford zu nehmen. Währenddessen tat ihre Freundin Katie über die Freisprechanlage weiter murrend ihr Missfallen kund.
»Du bist einfach zu weich, das ist dein Problem.«
»Ich weiß«, sagte Hannah geduldig, obwohl sie das eigentlich nicht so sah. Hätte man sie gefragt, was die liebevolle, aber manchmal etwas übergriffige Katie eher selten tat, dann hätte Hannah zugegeben, dass sie zwar oft leicht rumzukriegen war, ja - aber in wichtigen Fragen blieb sie standhaft. Und wenn Phil, ihr Gatte, der als Geschäftsmann immer irrwitzigere Überstunden machte, es zeitlich nicht hinkriegte, mit zu Tante Jess' Beerdigung zu kommen, sodass sie allein hinfahren musste, na gut, in modernen Familien war das eben so. Oder jedenfalls sagte Hannah sich das.
»Aber Phil muss arbeiten. Und Ben hat eine Prüfung, und noch mehr Ärger in der Schule kann er im Moment wirklich nicht gebrauchen.«
Hannah sah Ben vor sich, wie er heute Morgen das Haus verlassen hatte, mit seinen wirren dunklen Locken, die er von ihr geerbt hatte, und dem Rucksack lässig über der Schulter. Sie staunte immer wieder darüber, dass sie einen fünfzehnjährigen Sohn hatte, während sie sich selbst noch gar nicht richtig erwachsen fühlte. Aber irgendwie war der kleine Junge zu einem stattlichen Teenager herangewachsen, einsachtzig groß, mit einem feinen Sinn für sarkastischen Humor und einer zunehmenden Tendenz, sich Ärger einzuhandeln, sowohl in als auch außerhalb der Schule.
»Ich sag ja bloß, wenn in Phils Familie jemand gestorben wäre, wärst du unter allen Umständen beim Begräbnis dabei.«
Wieder verdrehte Hannah die Augen. Katie hatte ja recht. Wie immer.
»Ja, das stimmt. Ich bin das Dummerchen und er ist ein Idiot, Ende.«
Sie wusste genau, worauf dieses Gespräch hinauslaufen würde - und Katie, die solche Themen mit großer Verbissenheit verfolgte, würde nicht aufgeben.
»Ach komm, jetzt werd nicht gleich pampig.« Katies Tonfall wurde ein wenig sanfter.
»Werd ich doch gar nicht. Verdammt noch mal!« Ein Motorradfahrer hatte sich mit einem eleganten Schlenker vor sie gesetzt, sodass sie eine Vollbremsung machen musste. »Hab nicht dich gemeint, sondern den Verrückten auf dem Motorrad da vorne.«
»Da bin ich beruhigt.« Katie lachte. »Hör mal, ich mag Phil sehr. Ich finde, er ist ein total netter Ehemann und Vater und so weiter. Aber dich mag ich noch viel lieber, und es macht mich sauer, dass du dich darauf spezialisiert hast, so was auf die leichte Schulter zu nehmen.«
Jetzt komm mir bloß nicht mit deiner hieb- und stichfesten Logik, dachte Hannah kopfschüttelnd.
»Kannst du dir vielleicht ausnahmsweise mal überlegen, dich selbst an erste Stelle zu setzen? Mir zuliebe?«
»Abgemacht.« Schon während Hannah das sagte, wusste sie, dass die Chancen dafür verschwindend gering waren. Und Katie wusste das auch - schließlich waren sie beide in Salford, einer Trabantenstadt von Manchester, aufgewachsen und seit der Schulzeit befreundet. Der Unterschied war nur, dass Katie etwas aus ihrem Leben gemacht hatte, während Hannah immer noch mehr oder weniger da stand, wo sie beide angefangen hatten, nur dass bei ihr die Schwangerschaftsstreifen und die Stirnfalten der Mutterschaft hinzugekommen waren.
»Okay. Muss auflegen. Wir sprechen wieder. Hab dich lieb!«
Für die Freundin war es einfach, überlegte Hannah, während sie vom Zubringer abbog und beobachtete, wie die grüne Landschaft von den ausufernden Randbezirken Oxfords abgelöst wurde. Katie war Single, kinderlos, hatte einen super Job als Leiterin der Forschungsabteilung in einem multinationalen Unternehmen und ließ sich nicht die Butter vom Brot nehmen. Seit sie ihr Studium erwartungsgemäß mit Auszeichnung abgeschlossen hatte, hatte sie daran gearbeitet, sich nichts gefallen zu lassen, und war mit verbissener Entschlossenheit die Karriereleiter hochgestiegen.
Aber es war nicht so einfach, Durchsetzungskraft zu entwickeln, wenn man fünfunddreißig war und sein Leben lang die Liebenswürdige, Nachgiebige gespielt hatte. Hannah ging eine Liste der Dinge durch, auf die sie aus irgendwelchen Gründen verzichtet hatte. Die alte Universitätsstadt Oxford löste stets dieselbe Sehnsucht in ihr aus. Mit neunzehn, im ersten Semester, hatte sie festgestellt, dass sie schwanger war. Damals hatte sie ihr Ziel, in der Stadt der träumenden Türmchen Literaturprofessorin zu werden, aufgegeben und stattdessen Phil geheiratet, der seit der letzten Klasse ihr Liebster gewesen war und sich zu jener Zeit an einer neu gegründeten Uni in Lancashire durch ein BWL-Studium kämpfte. Phil hatte sein Studium beendet, während sie eine Teilzeitstelle in einer Kita angenommen hatte. Als Ben dann geboren war, hatte sie ihn mit zur Arbeit genommen, ins Babyzimmer gelegt und ihn in ihren Pausen gestillt. Vernünftig, strukturiert, zuverlässig. Das waren Worte, mit denen andere sie beschrieben. Immerhin waren es keine schlechten Eigenschaften, tröstete Hannah sich.
Während sie weiterfuhr, riss der graue Himmel auf und tauchte die Stadt in helles, mildes Licht. Die goldenen Steine saugten den Sonnenschein auf, als wäre er das Mindeste, was ihnen zustand. Das Hotel war ein altes Herrenhaus mit einer hübschen, von Bäumen gesäumten Zufahrt. Hinter dem Gebäude lag eine Weide mit Kühen, die paradoxerweise vor einer Kulisse aus verfallenen Läden und Studentenwohnheimen grasten. Hannah parkte, zerrte ihre Reisetasche aus dem Kofferraum und betrat das Foyer, um einzuchecken.
Wenn es etwas gab, was die Familie Reynolds gut konnte - ja, worin sie sich selbst übertraf -, dann waren das Beerdigungen. Im Foyer hatten sich bereits diverse entfernte Freunde und Verwandte versammelt. Die meisten hatte Hannah seit der Beerdigung ihrer Mutter vor zwei Jahren nicht mehr gesehen, doch alle begrüßten sie mit herzlichem Lächeln.
»Heute ohne Phil?«
»Kommt er später?« Vetter Andy hob das Kinn und musterte sie über sein Pint Guinness hinweg.
»Er arbeitet. Konnte sich nicht losmachen. Anruf in letzter Minute.« Hannah presste die Lippen zusammen und wartete ab.
»Ach, wie schade. Und Ben?«
»Schule. Eine Prüfung.« Dieses Gespräch werde ich vor der Trauerfeier noch ungefähr achtzehn Mal führen, dachte Hannah, während sie höflich lächelte und auf den Empfangstresen deutete. »Ich will eben schnell einchecken.«
»Hannah Reynolds.« Sie zog ihre Kreditkarte heraus und reichte sie der jungen Frau hinter dem Tresen.
»Und wird Mr Reynolds später zu ihnen stoßen?«
Hannah unterdrückte einen Wutschrei.
»Heute nicht«, sagte sie freundlich. »Dieses Mal nicht.«
Die Trauerfeier war so bewegend, wie Hannah es erwartet hatte. Es gab Tränen, denn Tante Jess, die Schwester ihrer Mutter, war nur achtundsiebzig geworden, überhaupt kein Alter, wie alle sich sagten. Und es gab Gelächter, denn Jess' Tochter Beth, überschwänglich, laut und mitteilsam wie eh und je, zeigte eine Reihe von Fotos, die sie mit Musik unterlegt hatte, und alle prusteten vor Vergnügen darüber, was Jess so angestellt hatte. Als ein Foto von ihr Arm in Arm mit ihrer Schwester, Hannahs Mutter, erschien, bildete sich in Hannahs Kehle ein dicker Kloß. Die beiden Schwestern waren beste Freundinnen gewesen, und als Einzelkind...
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