Lilly Lucas
New Beginnings
Roman Erscheint im Juni 2019 Über dieses Buch:
Ihr Jahr als Au-pair in den USA hatte sich Lena aus Berlin definitiv anders vorgestellt. Statt in einer angesagten Metropole landet sie in der Kleinstadt Green Valley in den Rocky Mountains, wo ihre Gastfamilie ein kleines Bed & Breakfast führt. Doch obwohl Lena als echtes Großstadtmädchen wenig mit Bergen anfangen kann, fühlt sie sich schnell wohl im Haushalt von Jack und Amy Cooper und deren kleinem Sohn Liam. Wäre da nicht Jacks jüngerer Bruder Ryan, der »gefallene Held« von Green Valley! Er musste nach einem schweren Ski-Unfall seine Profikarriere beenden und wohnt nun eher unfreiwillig bei den Coopers, wo er seinen geballten Frust an Lena auslässt. Eines Tages liest ihm Lena ganz schön die Leviten. Von da an ist zwischen ihr und dem gut aussehenden Bad Boy irgendwie alles anders .
Lilly Lucas' Green-Valley-Love-Reihe im Überblick:
New Beginnings
New Promises
1. Blumen, Luftballons, ein Willkommensschild. Ich hatte fast ein halbes Jahr und einen Langstreckenflug Zeit gehabt, um mir auszumalen, wie mein neues Leben in den USA starten würde. Worauf ich mich nicht vorbereitet hatte, war die Tatsache, dass ich mutterseelenallein - ohne Blumen, ohne Luftballons und ohne Willkommensschild - in der Ankunftshalle des Denver International Airports stehen und einen wütenden Dialog mit meinem iPhone führen würde, das sich seit der Landung tot stellte. Fast so, als wollte es mir sagen: Ich weiß, wir wollten das hier zusammen durchziehen, aber ich kann das einfach nicht.
Zum gefühlt hundertsten Mal scannten meine Augen die geschäftige Ankunftshalle, in der Gepäckkarren hupend an Reisenden vorbeisausten und fremde Stimmen aus Lautsprechern plärrten, doch von Jack, Amy und dem kleinen Liam fehlte jede Spur. Ich kannte die Familie Cooper nur vom Skypen und von ein paar Fotos, war mir aber sicher, dass ich ihre Gesichter nicht übersehen hätte. Noch dazu hatte ich in der vergangenen Stunde niemanden entdeckt, der offensichtlich Ausschau nach seinem Au-pair hielt. Aus meiner anfänglichen Nervosität war nun echte Anspannung geworden. Hatten die Coopers mich vergessen? Den Tag vergessen, auf den ich seit über einem halben Jahr hinfieberte? Den ich mir in sämtlichen Farben und Schattierungen ausgemalt hatte? Ich rief mir unsere vielen Skype-Telefonate - Jacks sympathisches Lachen, Amys warmherzige Stimme und Liams niedliche Kulleraugen - in Erinnerung und versuchte, das flaue Gefühl in meinem Magen zu vertreiben.
Die Chemie zwischen uns hatte von Anfang an gestimmt, hatte mich sogar darüber hinwegsehen lassen, dass Colorado nicht Kalifornien war. Denn eigentlich hatte ich mein Jahr als Au-pair in einer amerikanischen Metropole, umgeben von Wolkenkratzern, Starbucks und Shopping Malls, verbringen wollen. In meiner Vorstellung hatte ich die Sterne auf dem Hollywood-Boulevard berührt, Macy's leer geshoppt und bei Dreharbeiten am Miami Beach zugesehen. Ich hatte das Amerika meiner Lieblingsserien vor Augen gehabt, als ich mich bei der Agentur angemeldet hatte, und die spielten nun mal nicht in Green Valley, Colorado, aka Arsch der Welt. Aber zur Belustigung meiner Eltern hatte mein Lebenslauf nur eine siebenköpfige Farmer-Familie aus Oklahoma, ein Ehepaar mit Drillingen aus Idaho und die Coopers aus Colorado angesprochen.
»Bei zwei dieser Staaten war ich mir nicht sicher, ob es die überhaupt gibt«, hatte mich mein Vater aufgezogen, während meiner Mutter nichts Besseres eingefallen war, als mich damit zu trösten, dass in Colorado immerhin auch eine berühmte Fernsehserie spiele.
»Du weißt schon, dass Der Denver-Clan vor ihrer Geburt gedreht wurde?«
Sein amüsiertes Lachen noch im Hinterkopf, warf ich einen angespannten Blick auf die Anzeige der leuchtenden Digitaluhr über dem Dunkin'-Donuts-Laden und begann zu rechnen. Mein Flieger war vor über 90 Minuten gelandet. Erklärungen wie »Zu viel Verkehr«, »Kein Parkplatz« oder »Spät dran« waren also definitiv nicht mehr drin. Eine Autopanne kam infrage. Ja, vielleicht hatten die Coopers auf dem Weg zum Flughafen eine Autopanne gehabt und versuchten gerade verzweifelt, mich zu erreichen. Ich zog mein iPhone aus der Tasche und startete einen weiteren Versuch, doch das Display blieb schwarz. Warum musste dieses verdammte Ding auch ausgerechnet jetzt schlappmachen!
Im Kopf ging ich meine Optionen durch: Nach Hause fliegen (zu dramatisch!), an die Autopanne glauben und abwarten (zu naiv!), nicht an die Autopanne glauben und abwarten (zu stolz!), auf eigene Faust nach Green Valley fahren (sehr emanzipiert!). Entschlossen schnappte ich mir meinen Koffer und zog ihn zum nächsten Infoschalter, hinter dem eine blonde Frau mit Zahnpastalächeln stand, die laut ihrem Namensschild »Christie« hieß. Ich schilderte Christie also mein Dilemma und wurde mit einer Fülle rühriger Ohs und Nos bemitleidet, bevor sie mir riet, den Mountain Express in Richtung Vail zu nehmen. Die Fahrt, erklärte sie, dauerte knapp zwei Stunden, und der Busfahrer würde mich für ein kleines Trinkgeld mit Sicherheit in Green Valley absetzen, einem Ort, der incredibly beautiful sei. Für fast 40 Dollar kaufte ich mir ein Busticket- incredibly beautiful bedeutete wohl auch incredibly expensive - und machte mich auf den Weg zur Haltestelle.
Als ich durch die Tür ins Freie trat, blies mir warme Septemberluft entgegen. Es musste mindestens 20 Grad haben, und mit meinen gefütterten Ugg-Boots und der roten Daunenjacke mit Fellkragen, die ich mir extra für die Berge gekauft hatte, war ich definitiv zu warm angezogen. Aber in den Rocky Mountains war es mit Sicherheit kälter als hier in Denver, schließlich konnte es dort um diese Jahreszeit bereits schneien. Berge und Schnee, seufzte ich in mich hinein. Ich konnte immer noch nicht glauben, dass ausgerechnet ich hier gelandet war. Ich, das Großstadtmädchen, das nicht einschlafen konnte, wenn die S-Bahn nicht ratterte. Das für 200 Meter Fußweg in die Tram stieg und die Taxihotline auf der Kurzwahltaste hatte. Das einer funkelnden Skyline so viel mehr abgewinnen konnte als einem verschneiten Bergpanorama. Ich konnte nur hoffen, dass sich das Ganze nicht als riesengroße Schnapsidee entpuppen würde.
2. Nachdem ich die Fahrt fast komplett verschlafen hatte, stieg ich leicht gerädert aus dem Shuttlebus, der mit verzuckerten Bergen bedruckt war, die definitiv Bildschirmschoner-Potenzial hatten. Da ich neben einer Reisegruppe aus Frankreich der einzige Fahrgast war, hatte mich der Fahrer, ein grauhaariger Mann namens Ted, direkt vor dem Haus der Coopers abgesetzt. Glücklicherweise war mir noch rechtzeitig eingefallen, dass der Straßenname etwas mit einem Vogel zu tun hatte.
»Eagle Road«, war es fast gelangweilt aus Teds Mund gekommen, der mit seiner Baseballcap und den Nike-Turnschuhen dem weitverbreiteten Bild eines typischen Amerikaners entsprach.
In jener Eagle Road stand ich nun also, vor einem riesigen frei stehenden Haus, das genau so aussah wie auf den Fotos, die mir Jack und Amy Cooper gemailt hatten. Ein Weg aus Natursteinplatten führte zu einem zweistöckigen Holzhaus mit einer überdachten Veranda und einer rot gestrichenen Tür. Der gemauerte Schornstein blies Rauch in den wolkenlosen Himmel, der sich strahlend blau über malerische Berggipfel und saftig grüne Tannen erstreckte. Ich schmunzelte ungläubig. Dieser Anblick hätte für Postkarten herhalten können - oder Instagram-Posts, #nofilterneeded. Zu dumm, dass mein iPhone nicht mehr funktionierte.
Cooper. Der Name auf dem Klingelschild stimmte schon mal, stellte ich mit Erleichterung fest. Vielleicht würde doch noch alles gut werden. Zuversichtlich strich ich mir das lange blonde Haar hinter die Ohren, das sich nach der langen Reise ungekämmt und strähnig anfühlte. Die dunklen Ringe unter meinen Augen hatte ich vor der Landung notdürftig überschminkt, was aber nicht darüber hinwegtäuschen konnte, dass ich problemlos eine Statistenrolle bei »The Walking Dead« bekommen hätte. Ich holte einmal tief Luft und drückte auf die Klingel, während mein Puls in die Höhe schoss. So hatte ich mich das letzte Mal vor dem Bewerbungsgespräch für ein Praktikum bei einem Start-up in Kreuzberg gefühlt (um am Ende einem Typen gegenüberzusitzen, der kaum älter war als ich und ein T-Shirt mit einem grinsenden Kackhaufen trug).
Als sich nichts rührte, klingelte ich ein zweites Mal und lauschte abwartend. Wieder nichts. Nervös wippte ich mit dem Bein und klopfte an die rote Holztür, erst zaghaft, dann fester. Stille. Meine Stimmung schlug um. Aus Beunruhigung wurde binnen weniger Sekunden Ärger. Ich war seit fast 20 Stunden auf den Beinen, um die halbe Welt geflogen, hatte mir am Flughafen die Füße platt gestanden und war zwei Stunden lang mit einem Bus durch die Pampa gegondelt. Ich war müde, verschwitzt und hungrig. Und jetzt öffnete mir niemand die Tür!? Niemand!? Verärgert presste ich meinen Zeigefinger auf die Klingel und ließ es sekundenlang läuten. Dann näherten sich schwere Schritte auf der anderen Seite der Tür, und mein Herzschlag setzte einen Moment lang aus. Ein Schlüssel drehte sich im Schloss, und die Tür schwang auf. Mein erster Blick fiel auf eine Männerbrust. Eine nackte Männerbrust. Ich stutzte und brauchte ein paar Sekunden, bis mein Blick nach oben wanderte, vorbei an breiten Schultern, dunklen Bartstoppeln, einem gähnenden Mund und Augen, die mich verschlafen musterten. Kam der Typ gerade aus...