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Freitag, 14. Februar. V-Day. V für Valentinstag und für Victory, also Sieg - das war es, worauf ich gehofft hatte. Doch um siebzehn Uhr hatte ich lange genug gewartet. Es fühlte sich weniger nach Victory als nach Verdammtscheiße an. Ich schickte Dirk eine Nachricht.
17:02 Kari: Alles Gute zum Valentinstag. Lass mich wissen, wenn du gelandet bist. xxx
Nichts. Kein Doppelhäkchen bei WhatsApp. Keine Antwort. Nichts Neues.
Also tat ich das Einzige, was ich in dem Fall noch tun konnte.
Ich öffnete den Champagner. Sinnlos, sauer zu sein, wenn er heimkam. Besser beschwipst, fand ich. Das würde es einfacher machen, mich auf das Wichtigste überhaupt zu konzentrieren: nett zu Dirk sein.
Eine Nachricht!
17:10 Lily: Is jou koek reg? Hahahaha!
Nicht Dirk. Sondern nur Lily mit ihrem großen Arztgehirn voller dummer Witze. Sie kennt Dirks uralte Begeisterung für einen nat sjokoladekoek. »Ist das ein Afrikaans-Ding?«, fragt sie ihn immer. Jedes Mal Gelächter von beiden Seiten. Lily ist das L in unserer WhatsApp-Gruppe LSDoK: Lily, Shelley, Di, Owen und ich. Sie finden es verrückt, dass ich mich mit dem Valentinstag aufhalte, und einen Kuchen für Dirk zu backen, finden sie noch verrückter.
Es war mir völlig egal, was sie dachten. Doch als es achtzehn Uhr wurde und ich immer noch nichts von ihm gehört hatte, begann ich allmählich zuzugeben, dass sie vielleicht recht haben konnten. Ich war fast so weit, sie alle hierher einzuladen, um den Kuchen mit mir zu verspeisen. Das Einzige, was mich davon abhielt, war Dirk. Was, wenn er in der Luft hing und nicht landen konnte und einfach später eintraf? Er wäre garantiert nicht begeistert, eine WhatsApp-Gruppe aneinandergequetscht auf der Couch vorzufinden. Aber wenn sein Flugzeug derart verspätet war, dass er erst morgen nach Hause kam - wie letzte Woche schon mal -, hätte ich jeden Grund, echt sauer zu sein, weil ich dann nicht nur ihn nicht, sondern auch meine Freunde nicht gesehen hätte.
Halb sieben. Mit einem ziemlichen Vorsprung beim Leeren des Champagners bereitete ich mich innerlich gerade darauf vor, den ganzen verdammten Kuchen allein aufzufuttern, als ich hörte, dass das Garagentor langsam aufging. Ich sah durch die offene Tür zwischen Küche und Garage, wie zwei Scheinwerfer alles erhellten und dann Dirks Golf auf seinen Platz rollte.
War ich glücklich! Okay, etwas verärgert schon, weil er so spät dran war und sich nicht mal die Mühe gemacht hatte, einen seiner üblichen Einzeiler zu schicken. Aber das beschwipste Glücklichsein überwog in diesem Moment das beschwipste Sauersein. Hastig steckte ich das Handy in die Tasche und zündete die Vanillekerzen auf dem Couchtisch an, auch wenn es eigentlich noch nicht dunkel genug für die Kerzensache war. Am besten blieb ich auf dem Sofa sitzen (Nebenwirkungen des Schwipses sind bekanntermaßen leichtes Schielen und Taumeln).
Warte, Kari, warte. Zuckerbrot und Peitsche - so lautete doch immer der Rat. Dr. Lilys Anweisungen kamen mir in den Sinn, ein weiterer Grund, warum ich dieses Mal nicht zur Tür hastete. Dieses Hallo-wie-geht's-ich-freue-mich-sooo-dich-zu-sehen-Ding konnte ich selten abstellen, obwohl ich natürlich schon lange wusste, dass Dirk einer dieser Typen ist, die nur langsam warm werden. Der heutige Abend bedeutete jedoch selbst für ihn einen neuen Rekord. Er brauchte ein gefühltes Jahr, bis er seine Sachen beisammenhatte, aus dem Auto ausstieg und durch die Küchentür ins Haus hereinkam. Wie immer beugte er sich unter dem Türstock leicht nach vorne, was alle großgewachsenen Leute dort tun mussten. Marsh, die Katze, saß neben mir. Gemeinsam beobachteten wir, wie der blonde Schopf auftauchte, doch seltsamerweise wartete Marsh diesmal nicht, bis sie vom Sofa geschubst wurde, sondern suchte gleich freiwillig das Weite. Vielleicht war es auch nicht so seltsam, denn Tiere spüren früher als alle anderen, wenn sich etwas zusammenbraut.
»Hi, Kari«, sagte Dirk leise. Noch blickte er mich nicht an. Noch hatte er sich nicht aufgerichtet. Noch immer stellte er Taschen ab, hängte Schlüssel auf und ignorierte den Kuchen, der sozusagen direkt vor seiner Nase stand. Ihr kennt diesen Unsinn über dramatische Blitze und das Knistern in der Luft, wenn sich der Mann und die Frau in die Augen sehen und man einfach weiß, dass sie sich für immer lieben werden, egal, wie wütend sie gerade sind? Meist gibt es diese Szene am Anfang eines Films. Nun ja, diesmal schien es eine Ewigkeit zu dauern, bis diese blauen Augen weit genug nach oben wanderten, um in meine zu schauen. Und ja - als sich unsere Blicke trafen, ging das Gewitter los.
Über den ganzen Küchenboden.
Dirks Erbrechen ließ mich schlagartig nüchtern werden und vom Sofa aufspringen.
»Oh nein, ist dir übel, Dirk? Hast du was Schlechtes gegessen?«
Ich eilte auf ihn zu, um die nächste Fontäne rechtzeitig in die Spüle lenken zu können. Gewöhnlich kotzt er still. Er schwitzt und verkrampft sich und bricht. Ohne Ton. Still leidend. Auf dem Weg zu ihm spürte ich unter meinen nackten Füßen weiche Stückchen, was mich nach unten blicken ließ, obwohl ich wusste, dass das keine gute Idee war. Die grauen Bodenfliesen sahen aus wie der Strand in Eden bei Ebbe. Nicht genauer identifizierbare Teilchen lagen dort herum, die zu irgendwelchen seltsamen Meerestieren gehören konnten oder auch nicht. Doch statt nach Salzwasser roch es nach Erbrochenem und Alkohol. So etwas war mir mit Dirk noch nie passiert. Gewöhnlich schließt er rücksichtsvoll die Tür, ehe er sich übergibt. Bisher hatte ich kein einziges Mal miterlebt, wie er sich erbrach, von dieser Alkoholvariante ganz zu schweigen. Ich stand also neben ihm, während er sich über die Spüle beugte, und hatte meine Hand auf seinen Rücken gelegt. Meinen anderen Arm hielt er fest, als würde er befürchten, sonst unterzugehen. Er würgte und erbrach sich immer wieder, bevor er auf einmal begann, laut zu schluchzen. Es war merkwürdig. Vom Hals abwärts sah Dirk aus wie immer: schwarzer Anzug, Paul-Smith-Krawatte, Montblanc-Manschettenknöpfe. Aber sein Gesicht war rot, verkrampft, und überall hingen kleine Stückchen Erbrochenes und Rotz. Tränen tropften auf seine Hand. Mein Gott, dachte ich, das ist eine heftige Dronkverdriet, selbst nach Dirks Maßstäben.
Mein Bauchgefühl sagte mir, dass es um mehr als nur darum ging.
»Dirkie, alles in Ordnung. Mach dir keine Sorgen. Es kann jedem mal passieren, dass er zu viel trinkt. Vielleicht hast du ja auch was Schlechtes gegessen. Wirklich, alles in Ordnung.« Ich bemühte mich, so ruhig und gelassen wie möglich zu klingen, während ich gleichzeitig die schmutzigen Schüsseln in der Spüle betrachtete, von denen ich mir jetzt wünschte, sie zuvor doch schon abgewaschen zu haben. Jetzt waren sie voll mit Kotze und den Resten des Kuchenteigs.
Ich sagte sicher mindestens hundertmal Ist schon in Ordnung.
Dirk schluchzte und würgte noch eine Weile, bis er schließlich auf den Boden sackte und dort in dem grauen Schleim saß. Er ließ mich die ganze Zeit über nicht los, so dass mir nichts anderes übrig blieb, als ebenfalls in dem nassen Gestank zu hocken. Ich beobachtete ihn wie einen Fremden und hatte das Gefühl, nicht die geringste Ahnung zu haben, welches Wesen in den Körper meines Mannes geschlüpft war. Er weinte und weinte und weinte.
Jetzt war das Gewitter nur noch leise im Hintergrund zu vernehmen.
Ich wusste nicht, was ich tun sollte. Gewöhnlich zeige ich meine Liebe mit Kuchen und Umarmungen und Worten, aber jetzt hatte ich keinen Schimmer, wie ich ihm helfen oder wie ich mich um ihn kümmern sollte. Dirk ist auch nicht der Typ, der solche Hilfe normalerweise annimmt.
Also saß ich einfach da, bis er aufhörte zu weinen.
»Sjoe, Dirkie, das muss aber eine wilde Feier gewesen sein. Willst du einen Schluck Wasser?«, meinte ich, als es endlich still war.
Er bedeckte die Augen mit seiner feuchten, nach Erbrochenem stinkenden Hand und lehnte den Hinterkopf gegen einen der leuchtend gelben Küchenschränke, die wir im Jahr zuvor eingebaut hatten.
»Ich hab mit Eva geschlafen.«
Einfach so. Fünf harmlose Wörter, und ich hatte meinen persönlichen V-Day Ground Zero. V für Verdammtverdammtscheiße. Seine Lippen bewegten sich. Ich hörte ein paar mehr Worte, aber nicht alle.
»Wir sind was trinken gegangen . zu viel . nur einmal . nie wieder . Ich bin so blöd . Es tut mir so leid . Es tut mir so wahnsinnig leid . Ich lieb dich doch.«
Er sagte auch noch ein paar andere Dinge, glaube ich, aber ganz sicher bin ich mir nicht. Ich konnte nicht mehr klar denken. Ich konnte nicht atmen. Also rannte ich los. Ich ließ Dirk in dem Gestank zurück und drehte mich nicht mehr zu ihm um.
Ich weiß. Keine sonderlich durchdachte erwachsene Reaktion.
Ich hätte dableiben und toben und reden und schreien sollen. All die Dinge herausfinden, die ich jetzt so dringend wissen will und die mich wahnsinnig machen wie eine juckende Stelle, an die ich einfach nicht herankomme. Doch als sich mein Bewusstsein auf die grauen Fliesen neben dem Erbrochenen von Dirk zu verabschieden schien, sah ich nur noch meine Schlüssel auf der Küchentheke. Hinter der Tür in der Garage stand mein kleiner schwarzer Mini, neben Dirks Golf. Ich kann mich nicht erinnern, wie ich das Auto aus der Garage bekommen habe, den Berg hinunterfuhr und um die Ecke zu Dis Haus einbog. Zum Glück wohnt sie auch im Beach View Estate, denn ich vermute, dass mich die Leute vom...
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