Schweitzer Fachinformationen
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Kapitel 1
»Ich weiß nicht recht«, sagte Douglas MacMillan, während er langsam die Reihe seiner potenziellen neuen Angestellten in den Kew Gardens abschritt. »Wirklich nicht.« Er schüttelte den Kopf und blieb stehen. »Was meinst du, Jim?«
Sein Assistent, ein junger Bursche mit einem dichten Schopf dunkler Haare und freundlichen Augen, warf seinem Chef einen belustigten Blick zu. »Ich finde, Sie sollten ihnen eine Chance geben, Mac«, sagte er. »Wir haben bereits mehr als die Hälfte unserer Gärtner verloren und können davon ausgehen, dass noch mehr von den Männern eingezogen werden. Wir brauchen diese Frauen.« Er seufzte und blinzelte in die Junisonne. »Dieses Gespräch haben wir schon geführt, als wir die Anzeige in der Times aufgegeben haben. Wir können von Glück reden, dass sich so viele gemeldet haben.«
Mac schnaubte missbilligend. »Ich bin mir einfach nicht sicher, ob sie der Aufgabe gewachsen sind«, knurrte er. »Ein Haufen verweichlichter Amateurdichterinnen und alter Jungfern.«
Zwei der Bewerberinnen in der Reihe wechselten als Zeichen der Solidarität einen vielsagenden Blick - sie waren es gewohnt, von Männern geringgeschätzt zu werden - , bevor sie wieder Haltung annahmen. Mac setzte seine Inspektion fort. Vor einer der Frauen blieb er stehen. Sie war hochgewachsen und elegant gekleidet, auch wenn ein näherer Blick verriet, dass ihr Rock mehrmals geflickt und ihr Mantel abgetragen war.
»Wie heißen Sie?«, blaffte er.
Sein scharfer Ton ließ die Frau leicht zusammenzucken, dann aber richtete sie sich auf und sah ihm direkt in die Augen.
»Louisa Taylor«, antwortete sie.
»Und Sie wollen Gärtnerin werden? Sehen sich wohl selbst als Gartenbaukünstlerin, wie?«
»Ich bin bereits Gärtnerin. Aber ja, ich würde gern hier arbeiten.«
Wieder schnaubte Mac. »Gärtnerin, soso. Was pflanzen Sie denn so an?«
»Zurzeit hauptsächlich Gemüse. Aber auch Blumen. Ich habe nur Blumenkästen, weil meine Wohnung sehr klein ist.«
Mac nickte, und die Frau fuhr fort: »Ich bin in Kent aufgewachsen. Wir haben Hopfen angebaut. Ich verstehe etwas von Pflanzen.«
»Hopfen?« Macs barsche schottische Stimme klang unwillkürlich beeindruckt. »Nicht leicht.«
»Nein, Sir.«
Hinter Macs Rücken grinste Jim. »Er beruhigt sich schon noch«, sagte er mit gesenkter Stimme zu der jüngsten der Frauen in der Reihe. »Keine Sorge.«
Sie lächelte ihn an. »Bestimmt?«, sagte sie leise.
»Ganz bestimmt.«
Am anderen Ende der Reihe entstand Unruhe, und die beiden wandten den Kopf. Ein unordentlich wirkender junger Mann gesellte sich zu der Gruppe. Seine Mütze saß schief auf dem Kopf, ein Hosenbein steckte zur Hälfte in der Socke, und er atmete schwer.
»Tut mir leid, dass ich so spät komme«, keuchte er. »Bin zum falschen Tor gegangen, und dann hatte ich Mühe, etwas zu finden, woran ich mein Rad anschließen konnte.«
Mac, der anscheinend froh war, einen männlichen Bewerber zu sehen, brach seine Befragung Louisa Taylors ab und wandte seine Aufmerksamkeit dem jungen Mann zu.
»Name?«
»Bernard«, keuchte der Ankömmling, der immer noch außer Atem war. »Bernie. Bernie Yorke.«
»Na schön, Bernard Bernie Yorke«, sagte Mac. »Haben Sie Ahnung von Gartenarbeit?«
Bernie gluckste in sich hinein. »Lieber Himmel, nein, nicht die geringste. Aber ich lerne schnell, und ich scheue mich nicht vor harter Arbeit.«
»Gut«, sagte Mac. »Sie sind dabei. Gehen Sie zu Jim, und geben Sie ihm Ihren Namen und Ihre Adresse.«
Wieder wechselten die beiden Frauen einen Blick, und die jüngere, die mit Jim gesprochen hatte, zog eine Augenbraue hoch.
»Sie hätten sich als Louis vorstellen sollen, nicht als Louisa«, raunte sie.
Louisa unterdrückte ein Lachen. Ihr gefiel dieses leicht verwegen aussehende Mädchen jetzt schon, und sie hoffte, man würde ihnen beiden in Kew Arbeit geben.
»Louisa?« Mac hatte sich ihr wieder zugewandt.
Sie fuhr zusammen. »Ja?«
»Sie sind doch keine von diesen Suffragetten, oder?«
Louisa sah ihn an. »Absolut nicht, Sir.«
»Gut«, sagte Mac. »Die haben vor zwei Jahren den Teepavillon in Brand gesteckt, müssen Sie wissen. Und das Orchideenhaus zerstört. Schlimme Sache.«
»Ich habe davon gehört«, erwiderte Louisa. Hinter ihrem Rücken schlang sie ihre Finger um die kleine Silberbrosche in Form eines Hammers, die sie normalerweise trug und erst kurz bevor Mac zu ihr kam, abgenommen hatte. »Schrecklich.«
»Sie sind dabei«, sagte Mac mit sichtlichem Widerstreben. »Gehen Sie rüber zu Jim.«
Als Louisa aus der Reihe trat, nahm das junge Mädchen, das neben ihr stand, ihre Hand und drückte etwas hinein: eine kleine Silberbrosche, die genau wie die von Louisa die Form eines Hammers hatte.
Louisa schaute sie an. Die junge Frau strich sich eine rote Locke aus dem Gesicht und lächelte. Louisa reagierte mit einem fast unmerklichen Nicken und ging weiter zu Jim, der auf einem Baumstumpf hockte und peinlich genau Namen und Adressen der neuen Gärtner und Gärtnerinnen notierte. Bernie stand in der Nähe und kaute nervös auf seiner Unterlippe.
Während Louisa darauf wartete, Jim alles Erforderliche mitzuteilen, beobachtete sie, wie Mac die anderen Frauen befragte.
»Er ist nicht so schlimm, wie es aussieht«, sagte Jim, als ihm auffiel, dass Louisa seinen Vorgesetzten beobachtete. »Im Grunde hat er ein gutes Herz.«
Louisa verzog das Gesicht, und Jim grinste.
»Sie werden schon sehen.«
Mac war mittlerweile bei dem rothaarigen Mädchen angelangt.
»Name?«, blaffte er.
»Ivy Adams«, sagte sie.
Jim hob den Kopf und fixierte Ivy.
Louisa bemerkte es. »Kennen Sie sie?«, fragte sie.
»Ein tolles Mädchen«, sagte er. »Ein wirklich tolles Mädchen.«
Ivy war klein und schmächtig und hatte eine wilde Mähne roter Haare, die ihr ständig vom Wind ins Gesicht gepustet wurden.
Mit einem ungeduldigen Seufzer fing sie mit ihren kleinen Händen die Locken ein und schlang sie umeinander.
»Tut mir leid«, sagte sie. »So was von lästig! Am liebsten würde ich sie mir alle abschneiden. Was haben Sie gerade gesagt?«
Louisa dachte, Mac würde gereizt reagieren, weil Ivy so unaufmerksam war, aber zu ihrer Überraschung lächelte er nachsichtig.
»Dich kenne ich doch. Du bist Paddy Adams' Älteste.«
Ivy lächelte. »Stimmt.«
»Wie geht es deinem Vater?«
Sie zuckte mit den Schultern. »Sind schwere Zeiten.«
Mac machte ein bekümmertes Gesicht. »Hierher zu uns wollte er nicht kommen? Ich würde ihm jederzeit einen Job geben. Bei dem, was Paddy über Blumen weiß, kann ihm so leicht keiner das Wasser reichen.«
»Ihr Dad hat in der Columbia Road gearbeitet«, erklärte Jim Louisa. Sie sah ihn neugierig an. Woher wusste er das? »Einer der besten Blumenverkäufer in der Gegend, bis .«
»Er trinkt«, stieß Ivy hervor. »Zu viel. Und wir haben ihn seit Wochen kaum noch zu Gesicht bekommen. Sie wissen ja, wie er ist. Sie würden ihn nicht hier haben wollen, Sir.«
»Ein Jammer«, brummte Mac.
»Er hat mir alles beigebracht, was er weiß.«
Mac musterte sie von oben bis unten.
»Das Wissen magst du haben, aber du bist ein zartes Persönchen. Für körperliche Arbeit völlig ungeeignet.«
»Ich bin klein, aber stark wie ein Ochse«, entgegnete sie. »Geben Sie mir eine Chance, dann beweise ich es Ihnen.«
»Ich weiß nicht recht, Ivy.«
»Bitte . für meinen Dad.«
Einen Moment herrschte Schweigen. Innerlich drückte Louisa die Daumen, Mac möge Ivy die Chance geben, die sie ganz offensichtlich dringend brauchte.
»Na schön«, sagte er schließlich. »Aber wenn's dir zu viel wird, sagst du's mir, ja?«
»Ganz bestimmt«, antwortete sie. »Vielen Dank, Sir.«
»Das ist mein Mädchen«, murmelte Jim.
Die beiden kannten sich also? Interessant, fand Louisa.
Ivy stellte sich zu Bernie. »Ich bin dabei«, sagte sie glücklich. »Eine vom Team.«
Jim warf ihr ein strahlendes Lächeln zu. »Gut gemacht, Ivy!«
»Brauchst du meine Angaben?«
Er zeigte ihr das Formular, das er gerade mit einem Bleistiftstummel ausfüllte. »Steht schon alles da, siehst du?«
Ein Schatten huschte über Ivys Gesicht, nur eine Sekunde, dann verschwand er wieder. Sie sah Jim an, und einen Moment lang schienen die beiden niemanden sonst wahrzunehmen. Es versetzte Louisa einen leisen Stich, als sie sich daran erinnerte, wie schön es gewesen war, auf diese Art angeschaut zu werden. Bevor sich alles geändert hatte natürlich. Sie straffte die Schultern. Allein war sie besser dran.
»Ähem.« Bernie räusperte sich und unterbrach Ivys und Jims magischen Moment. »Und wie geht es nun weiter?«
Jim blinzelte, als hätte er vergessen, wo er war. »Mac«, rief er. »Was jetzt?«
Mac sah in ihre Richtung. »Macht eine kleine Tour durch die Anlagen«, schlug er vor. »Am besten zuerst das Palmenhaus und das Musterhaus und dann weiter zu den Magnolien, denke ich.«
Jim grinste. »Dann mal los«, sagte er. »Mir nach!«
Gehorsam trotteten Bernie, Louisa und Ivy hinter ihm her. Bernie löcherte Jim mit Fragen zu den Pflanzen, an denen sie vorbeikamen, und selbst die dümmsten beantwortete Jim mit großer Geduld.
»Ich freue...
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