Schweitzer Fachinformationen
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Ich weiß genau, wen Lucy wählen wird. Ich weiß es seit einer halben Stunde, um genau zu sein - könnte es auf eine verdammte Meile riechen. Noch bevor die dritte Runde Drinks unsicher zurück an den Tisch gebracht wurde und noch bevor Roxanne, wie sie es nach ungefähr zwei Cocktails und einem Appetizer jedes Mal tut, angefangen hat, von den verschiedenen Arten zu schwafeln, auf die sie ihren Boss umbringen würde, wenn es nur legal wäre. Denn meine Freundinnen suchen immer die gleichen Typen für mich aus. Dunkelhaarig, da meine drei Ex-Freunde allesamt dunkelhaarig waren. Hochgewachsen, da fast jeder Schwarm, den ich je hatte, seit ich vierzehn war, hochgewachsen war, und mit der Größe-Schultern-Kombo, die eine anständige Rettung bei einem Hausbrand verspricht, sollte man sie je brauchen - Adam Driver, Vince Vaughn, dieser massige Kleiderschrank von einem Kerl, der auf Roxannes Halloweenparty 2007 als Lurch aus The Addams Family verkleidet aufkreuzte. »Nicht gesichtsmäßig«, erinnere ich mich, in seine ausdruckslose Miene gelallt zu haben, »aber dein Körperbau, Sir. C'est parfait. Du bist robust. Du weißt schon. Wie ein Schiff. Wie ein . ein Megabus.« Und sehr lebendig. Das gibt immer den Ausschlag, um genau zu sein. Der Mann, den sie wählen, muss lebendig sein und den Plan haben, es noch viele, viele Jahre lang zu sein (falls möglich).
»Siehst du den Typen da drüben, Natalie?«, brüllt Lucy über die Musik hinweg, während sie das klebrige runde Tablett auf dem Tisch abstellt. Vier Cocktails auf seiner Oberfläche schwanken wie Betrunkene. »Der mit den Armen, an der Bar. Wuschelige Haare, weißes T-Shirt .«
»Oh ja«, sage ich und werfe zur Betonung sogar einen gekünstelten Blick über die Schulter. »Arme, Haare, Kleider, oh ja, und ob ich ihn sehe.«
»Heißt Tom. Ist single. Und das seit acht Monaten.«
Neben mir macht Roxanne ein Geräusch in der Kehle - ein einziges Hm, das so viel sagt wie: »Na bitte, da haben wir's doch, nehme ich an« -, und über einem Berg Guacamole ergänzt Priya: »Oh, ich würde ja. Na ja, ich würde, wenn ich, ihr wisst schon, mein Leben nicht eben erst der ehelichen Monogamie geopfert hätte.«
»Und einer Schwangerschaft«, wirft Roxanne ein.
»Oh, Scheiße, ja, das auch«, stöhnt Priya, während Lucy neben ihr in die Sitznische rutscht und mich strahlend ansieht.
»Du solltest da rübergehen, Natalie«, sagt sie. »Er war so gesprächig und nett. Und schöne Zähne. Ich habe gesagt, ich schick dich rüber!«
Und es ist immer um diese Zeit des Abends, dass ich den Drang unterdrücken muss, zu tun, was ich wirklich tun will, wenn ich mit meinen Freundinnen unterwegs bin: wegrennen. Reißaus nehmen. Mir eine Rakete in den Hintern stecken, mich hochkatapultieren, durch die Decke schießen. Oder, zumindest, Lucy am Kragen packen, sie über den Tisch zerren und sie anschreien: »Wann wirst du damit aufhören? Wann wirst du endlich aufhören, mich zu beäugen wie ein schmieriger Gebrauchtwagenverkäufer, der weiß, dass er im Begriff ist, diesen Van mit der halben Stoßstange und einer Leiche im Kofferraum endlich an den Mann zu kriegen? Wann wirst du mich in Ruhe vor mich hin verwesen lassen? Ich bin nicht interessiert an Dates. Ich werde nie mehr daran interessiert sein.« Und heute Abend ist der Drang sogar noch heftiger. Ich wusste, dass er es sein würde, sobald ich heute Morgen aufwachte und nur an Russ denken konnte. Es waren diese Musiknoten von gestern - dieses einzelne, seltsam glänzende Blatt Papier mit tröstlichen Symbolen und Zeichen, anonym hinterlassen, am Klavier. Für mich. Oder für jemand anders. Oder, natürlich, für absolut niemanden und ohne irgendeinen Grund. Deshalb habe ich es auch nicht erwähnt. Es könnte gar nichts sein - vermutlich ist es absolut gar nichts. Außerdem bin ich mir sicher, wenn ich es erwähnen würde, wenn ich bei Cocktails und Tortillas ein beiläufiges »Also, jemand hat mir ein Blatt mit Musiknoten an dem öffentlichen Klavier hinterlassen, an dem ich heimlich spiele, und ich glaube, es könnte von meinem Ehemann sein. Ja, genau! Russ! Dem toten!« fallen lassen würde, dann würde Lucy prompt Rauchzeichen hochschicken, um meine Eltern zu warnen, dass ich jetzt restlos durchgeknallt bin. Und Roxanne würde mir vermutlich wieder diesen Trauertherapeuten empfehlen - den mit den Bongotrommeln.
»Habe ich euch erzählt, dass ich einen Orgasmus hatte?«, fragt Priya, über die Musik hinweg. »Wieder im Schlaf.« Gott (und Priya) sei Dank für den filmklappenmäßigen Themawechsel. »Das müssen die Hormone sein. Ich habe von dem Gerüstbauer geträumt.«
»Schon wieder?«, lache ich.
»Oh ja. Dem von nebenan. Clive. Und ich hätte ja gar nichts dagegen, aber er ist nicht mal heiß. Ehrlich gesagt hat er richtig gehässige Gesichtszüge, der arme Kerl. Ich meine, dagegen kann man nichts machen, oder? Die Gesichtszüge, die man zugeteilt kriegt. Jedenfalls, trotzdem, in diesem Traum, Gott, ihr hättet ihn sehen sollen. Er war so .«
»Natalie, willst du nicht gehen?«, platzt Lucy dazwischen.
»Will ich nicht .?«
»Gehen. Da rübergehen, zur Bar?«
»Zu Tom«, ergänzt Roxanne.
»Oh. Okay. Ähm .« Sie starren mich an, meine Freundinnen. Sechs Augen, rund und hoffnungsvoll. Und ich werfe ihnen ein Lächeln zu. Ein Knochen für drei hungrige Hunde. Ein breites, strahlendes, durch und durch überzeugendes »Was für eine tolle Idee«-Lächeln. »Na ja, ich nehme an, ich könnte einfach rübergehen und noch einen Drink bestellen .«
»Ja«, nickt Lucy.
»Hi sagen, ihn abchecken .«
»Total.«
Und ich stehe auf und kippe meinen Cocktail, und meine Freundinnen sehen stolz zu mir hoch, als wäre ich eben auf die Bühne gebeten worden, um einen Brit Award entgegenzunehmen. Bester internationaler Durchbruch. Beste britische Single.
»Ach du Scheiße, er sieht rüber«, kichert Priya, während ich, leicht stolpernd, aus der Sitznische rutsche. Die Margarita, die ich gekippt habe, startet bereits ihren Frontalangriff auf meine Gehirnzellen.
»Oh mein Gott, guck ihn dir an. Das tut er wirklich«, zischelt Lucy, und ich werfe den dreien noch ein Lächeln zu, das mir vom Gesicht rutscht und auf dem Boden aufschlägt, sobald ich ihnen den Rücken zukehre.
Ich will nicht da rübergehen. Ich will wirklich nicht zu dieser klebrigen, quirligen Bar gehen und mit irgendeinem verdammten hochgewachsenen Typen namens Tom reden, der vermutlich um zwei Uhr morgens Dating-App-Konversationen mit »Hi Babe, hast du irgendwelche Kinks lol« startet. Ich kann mir nichts Schlimmeres vorstellen. Na ja, um genau zu sein, kann ich das durchaus. Viele Dinge. Mit einigen von ihnen stehe ich heutzutage auf Du und Du. Aber die Sache ist die: Die Alternative ist noch schlimmer - so viel schlimmer. Denn wenn ich jetzt nicht zu diesem für mich auserkorenen Typen mit den Haaren und den Armen rübergehe, werden sie mir wieder diesen Blick zuwerfen. Diesen Blick, mit dem sie mich manchmal bedenken, meine Freundinnen, als ob ich ein brandneuer Stoffpavillon wäre, der auf einer Gartenparty langsam und traurig immer weiter durchhängt und durch den es auf die Käsescones regnet. Diesen »Oh, Natalie, was sollen wir nur mit dir machen?«-Blick. Den, der wortlos, aber so offensichtlich besagt: »Wir alle haben Russ geliebt, wirklich, doch es ist jetzt über zwei Jahre her. Er ist nicht mehr. Und wir machen uns Sorgen um dich. Wir alle machen uns große Sorgen.« Und dieser Blick ist etwas, was ich noch weitaus mehr hasse, als an den klebrigen, quirligen Bars abgeschmackter mexikanischer Restaurants perversen Singles zuzuhören. Und daher wähle ich heute Abend das kleinere Übel. Ich wähle Tom.
Ich bahne mir einen Weg zwischen zu eng zusammenstehenden Tischen, abgehetzten Bedienungen und Scharen von Essensgästen mit parfümierter Haut und Knoblauchatem hindurch, und jetzt dreht sich mir ein bisschen der Kopf. Das müssen die drei Margaritas sein, ganz bestimmt, zweifellos. Aber es ist auch zu heiß hier drinnen und viel zu fröhlich, wenn man mich fragt, für einen Laden, in dem sie fünfzehn Pfund für eine Schale Guacamole verlangen, die in der Bauchhöhle einer grinsenden Keramik-Avocadofigur serviert wird. Oh Gott. Ich hätte heute Abend nicht mitkommen sollen. Ich hätte absagen, mir irgendeine ekelhaft klingende Magengrippe einfallen lassen sollen. (Oder ein paar Schuhsohlen ablecken und mir absichtlich eine einfangen.)
»Entschuldigung.« Ein Kellner tritt zur Seite, macht mir Platz, und ich nicke zum Dank und schlüpfe an ihm vorbei, ihm und der riesigen Platte, die er auf seiner flachen Hand balanciert. Ein einsames, verstümmeltes, abgenagtes Hühnchengerippe liegt darauf. Ich weiß, wie du dich fühlst, erledigtes, abgenagtes kleines Hühnchengerippe. Ich fühle mich ganz genauso.
»Warum gehst du denn überhaupt mit ihnen aus, wenn es dir so widerstrebt?«, fragte mich meine Schwester Jodie vor ein paar Wochen, und ich tat es kurz ab und sagte: »Ach, hör nicht auf mich, Jode, manchmal habe ich ja wirklich Spaß.« Die wahre Antwort auf diese Frage ist die gleiche wie darauf, warum ich jetzt auf diesen Fremden an der Bar zugehe. Weil die Alternative noch schlimmer ist. Die Alternative sind diese mitleidvollen Blicke, die ich meide wie Risse im Gehsteig und Chips, die aus irgendetwas anderem als Kartoffeln gemacht sind. Die Alternative ist, mit dem Kater zu Hause zu sitzen und Frozen Cocktails zu...
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