Schweitzer Fachinformationen
Wenn es um professionelles Wissen geht, ist Schweitzer Fachinformationen wegweisend. Kunden aus Recht und Beratung sowie Unternehmen, öffentliche Verwaltungen und Bibliotheken erhalten komplette Lösungen zum Beschaffen, Verwalten und Nutzen von digitalen und gedruckten Medien.
Bucht von Cádiz, Mai 1797
Da seid Ihr ja endlich, Nelson!« Vizeadmiral John Jervis, seit Kurzem Earl of St. Vincent, legte außer bei offiziellen Anlässen keinen Wert darauf, mit seinem Titel angesprochen zu werden, und er verwendete diese auch nicht, wenn er mit seinen Untergebenen sprach. Konteradmiral Nelson, der als Ritter des Bathordens ebenso lange Sir war wie Jervis Earl, war das nur recht. »Ihr müsst etwas für mich tun. Was wisst Ihr über die Meutereien in Spithead und bei den Ankergründen unserer Flotte an der Sandbank Nore nahe der Mündung der Themse?«
»Wenig, Sir«, gestand der Konteradmiral ein. »Schließlich war ich auf Euren Befehl hin im Mittelmeer und habe unsere Truppen von Elba abgeholt.«
General de Burgh hatte endlich eingesehen, dass die Insel als einziger englischer Stützpunkt im Mittelmeer nicht mehr zu halten war, und um Evakuierung gebeten. Jervis hatte daraufhin Nelson, seinen wagemutigsten Mann, dorthin geschickt, ihm neben der HMS Captain als Flaggschiff zwei kleinere Linienschiffe und ein paar Fregatten mitgegeben und ihm befohlen, die Garnison nach Gibraltar zu bringen, wo sie dringend zur Verteidigung des englischen Stützpunktes an der Südspitze Spaniens benötigt wurde. Das war für eine so kleine Flotte eine nahezu unlösbare Aufgabe, denn im Mittelmeer wimmelte es mittlerweile geradezu von französischen und spanischen Schiffen, die nicht durch die Meerenge herauskonnten, weil Jervis nur darauf lauerte, ihnen bei einem Ausbruchsversuch in den Atlantik eine ähnlich schwere Niederlage zuzufügen wie im Februar vor Kap St. Vincent, was ihm und seinem Gast eine Beförderung samt Titel eingebracht hatte.
Nelson war es tatsächlich gelungen, sich zwischen all den kreuzenden Geschwadern durchzumogeln und einen Konvoi von siebzig Transportschiffen sicher und unbeschadet nach Gibraltar zu geleiten. Doch anstatt dafür Lob zu ernten, wie er erwartet hatte, war er von seinem Vorgesetzten zur Rede gestellt worden, weil er nicht für eine weitere Aufgabe zur Verfügung gestanden hatte, als dieser nach ihm verlangte. Aber Jervis war ein guter Menschenkenner, bekam schnell den Unmut seines Konteradmirals mit und fand rasch ein paar versöhnliche Worte.
»Übrigens, gute Arbeit, die Ihr mit der Evakuierung von Elba geleistet habt, das muss ich schon sagen. Alle Achtung, dass Ihr den alten Sturkopf de Burgh dazu bewegen konntet, sich zusammen mit seinen Soldaten einzuschiffen. Ich hätte eher gedacht, dass er als Einziger in Portoferraio auf Elba zurückbleibt, um das Fort allein gegen die anstürmenden Franzosen zu verteidigen und dabei unterzugehen wie ein Captain mit seinem sinkenden Schiff. Aber jetzt zur Sache. Es ist vor Englands Küsten zu schwerwiegenden Meutereien gekommen. Diesmal haben sich nicht nur ein paar Matrosen und Offiziere gegen einen übergriffigen Captain wie diesen William Bligh mit seiner HMS Bounty zur Wehr gesetzt, sondern die ganze Flotte war betroffen. Englands Küsten waren dadurch eine ganze Zeit lang ungeschützt, weil die Meuterer sich weigerten, auszulaufen, solange ihre Forderungen nicht erfüllt wären. Es stand sogar zu befürchten, dass ein paar Schiffe Anker auf gingen und in französischen Häfen Zuflucht suchten. Stellt Euch das einmal vor! So etwas darf sich auf gar keinen Fall wiederholen!«
»Gewiss, Sir, dennoch hat es mich nicht verwundert, bedenkt man, wie einige Befehlshaber mit ihren Untergebenen umgehen«, konnte Nelson sich nicht verkneifen, anzumerken. »Ihr, Sir, wenn ich mir die Bemerkung erlauben darf, kümmert Euch um Eure Männer. Viele andere Offiziere ebenso, aber andere wiederum kein bisschen. Stattdessen versuchen sie, mit drakonischen Strafen das auszugleichen, was sie ihrer Mannschaft an Verpflegung, Kleidung und auch an Sold vorenthalten. Es ist in meinen Augen eine Schande, dass dieser Captain Bligh nicht neben seinen aufgegriffenen Männern an der Rah gehangen hat, denn er war für die Meuterei ebenso verantwortlich wie sie. Und jetzt hat es die ganze Flotte getroffen, sagt Ihr? Hat denn die Admiralität die Aufstände wieder unter Kontrolle bringen können, oder sind unsere Küsten jetzt ungeschützt?«
»Nein, Lord Howe, obwohl schwer krank, hat seinen Genesungsurlaub in Bath unterbrochen, sich in Spithead von Schiff zu Schiff rudern lassen und den Männern versprochen, sich ihrer Forderungen persönlich anzunehmen, worauf sie ihren Dienst wieder aufgenommen haben. Ähnlich ist es wohl auch an der Nore geschehen. Man hat Verpflegungskähne zu den ankernden Schiffen hinausgeschickt, den Sold größtenteils nachgezahlt und ein paar besonders grausame Kapitäne von ihren Posten entbunden. Übrigens, auf Blighs neuem Schiff, das zur Kanalflotte gehört - man hat ihn ja nach der Meuterei auf der HMS Bounty sogar befördert, was mir völlig unverständlich ist -, wurde auch gemeutert. Der Kerl lernt es wohl nie, wie man sich eine Mannschaft gewogen macht. Allerdings wurden auch ein paar Rädelsführer des Aufstandes gehenkt und andere durch die Flotte gepeitscht.
Nach der Niederschlagung der Meuterei mussten die widerborstigsten Mannschaften samt ihren Schiffen aus ihren Geschwadern entfernt und zuverlässigen Flotten zugeteilt werden. Wir haben auch ein paar davon abbekommen, und ich musste zu meinem Leidwesen selbst mehrere Todesurteile aussprechen und vollstrecken lassen. Sagt jetzt nichts«, Jervis hob abwehrend die Hand, weil er sah, wie Nelson tief Luft holte, »ich habe es wahrlich nicht gern getan. Aber es ging nicht anders, denn die Männer haben versucht, andere aufzustacheln und die Fackel der Meuterei auch in unser Geschwader zu tragen.«
Nelson, der wusste, wie hoch angesehen Jervis bei allen Seeleuten seiner Flotte vom Offizier über die Deckhands bis runter zu den Schiffsjungen war und wie sehr er sich um jeden einzelnen seiner Untergebenen bemühte, konnte sich vorstellen, wie sehr die Hinrichtungen seinen Vorgesetzten schmerzen mussten, weshalb er sich auch jeden Kommentars enthielt. Dennoch drängte sich ihm sofort eine Frage auf.
»Und inwieweit betrifft das mich, Sir? Auf der HMS Captain und auch den anderen mir unterstellten Schiffen gab es nicht den leisesten Ansatz einer Meuterei. Dafür verbürge ich mich mit meiner Ehre.«
»Das braucht Ihr nicht zu betonen, Nelson«, knurrte der Admiral. »Ich weiß, dass das Strafbuch Eures Schiffes so unbefleckt ist wie ein Brautkleid, Ihr Eure Männer gut versorgt, ihnen stets mit gutem Vorbild vorangeht und sie deshalb für Euch durchs Feuer gehen, wenn es darauf ankommt. Allein hättet Ihr schließlich die beiden spanischen Linienschiffe vor Kap St. Vincent nicht erobern können. Und dieses Unternehmen war für alle, die daran beteiligt waren, wahrlich ein Himmelfahrtskommando. Genau deshalb brauche ich Euch jetzt aber an anderer Stelle. Ihr holt Eure Flagge auf der HMS Captain ein. Sie geht in die Werft nach Lissabon, wo sie grundüberholt wird. Dafür bekommt Ihr als neues Flaggschiff die HMS Theseus.«
»Sir?« Nelson verstand nicht ganz, was Jervis damit sagen wollte. Gut, sein Schiff hatte die Werft so nötig wie er nach mehr als vier Jahren auf See Heimaturlaub, aber was hatte das mit der HMS Theseus zu tun, und seit wann gehörte diese zum Geschwader? Vor seiner Abreise nach Elba war das jedenfalls nicht der Fall gewesen.
»Jetzt setzt Euch erst einmal hin und trinkt mit mir ein Glas Portwein, Ihr werdet ihn brauchen«, erhöhte der Admiral die Spannung und geleitete seinen Gast zu zwei bequemen Sesseln an einem kleinen Tisch, auf dem eine gut gefüllte Karaffe stand. Jervis schenkte ihnen selbst ein, woraus Nelson schloss, dass es bei einem Vieraugengespräch bleiben würde. Wobei, wenn man es genau nahm, sogar nur bei einem Dreiaugengespräch, denn er sah ja seit Calvi auf dem rechten Auge so gut wie nichts mehr, fiel ihm ein. Allerdings schmerzte ihn dieser Verlust mittlerweile nicht mehr übermäßig, stattdessen sagte er sich oft, dass es durchaus auch schlimmer hätte kommen können.
»Auf den König!« Der Admiral hob sein Glas, nippte daran und stellte es danach gleich wieder ab. Nelson tat es ihm gleich und war gespannt auf das, was nun kommen würde.
»Die HMS Theseus ist ein Vierundsiebziger wie Eure HMS Captain«, begann Jervis. »Ihr verschlechtert Euch also nicht in Bezug auf das Schiff. Wohl aber, und das will ich Euch gar nicht verschweigen, bezüglich der Mannschaft. Die HMS Theseus gehörte zur Flotte in Spithead und war dort ein Hort der Verschwörung und Rebellion. Deshalb wurde sie uns zugeteilt, aber auch hier setzte sich die Meuterei fort. Captain Aylmer wagte sich nur noch im Schutze eines Trupps Marineinfanteristen an Deck und kam zu mir, weil er befürchtete, die Mannschaft könnte das Schiff übernehmen und nach Cádiz steuern. Ich habe ihn daraufhin abgesetzt, degradiert und nach England zurückgeschickt. Der Mann ist menschlich eine Katastrophe, hochgradig inkompetent und für eine Schiffsführung völlig ungeeignet. Ihr werdet statt seiner das Kommando auf dem Schiff übernehmen und Eure Admiralsflagge setzen. Vielleicht beeindruckt das die Bande. Aber allein werdet nicht einmal Ihr es schaffen, aus dem Kahn wieder ein ordentliches, zuverlässiges Kriegsschiff zu machen. Deshalb nehmt Euren Flaggkapitän Miller und alle Männer mit, die Ihr glaubt, brauchen zu können. Schickt im Gegenzug dafür die größten Aufrührer auf die HMS Captain. Bis Lissabon wird es schon gut gehen, und dort sollen sie sich zum Teufel scheren. Ich kann sie ja nicht alle aufhängen. Euch hingegen...
Dateiformat: ePUBKopierschutz: Wasserzeichen-DRM (Digital Rights Management)
Systemvoraussetzungen:
Das Dateiformat ePUB ist sehr gut für Romane und Sachbücher geeignet - also für „fließenden” Text ohne komplexes Layout. Bei E-Readern oder Smartphones passt sich der Zeilen- und Seitenumbruch automatisch den kleinen Displays an. Mit Wasserzeichen-DRM wird hier ein „weicher” Kopierschutz verwendet. Daher ist technisch zwar alles möglich – sogar eine unzulässige Weitergabe. Aber an sichtbaren und unsichtbaren Stellen wird der Käufer des E-Books als Wasserzeichen hinterlegt, sodass im Falle eines Missbrauchs die Spur zurückverfolgt werden kann.
Weitere Informationen finden Sie in unserer E-Book Hilfe.