Schweitzer Fachinformationen
Wenn es um professionelles Wissen geht, ist Schweitzer Fachinformationen wegweisend. Kunden aus Recht und Beratung sowie Unternehmen, öffentliche Verwaltungen und Bibliotheken erhalten komplette Lösungen zum Beschaffen, Verwalten und Nutzen von digitalen und gedruckten Medien.
Eigentlich liebe ich shoppen.
Am meisten Spaß macht es natürlich, wenn ich mit einer guten Freundin unterwegs bin, erstens, weil wir dann quatschen können, und zweitens, weil ich mich manchmal nicht entscheiden kann und eine zweite Meinung brauche.
So wie jetzt.
Die rot gemusterte Stoffhose? Oder doch lieber die grüne?
Umständlich krabbele ich von der Ladefläche des Kleinlasters, der als provisorische Umkleidekabine für besonders unentschlossene Kunden dient. Viele Leute nehmen die auf dem Markt in Avignon angebotene sommerliche Bekleidung einfach mit, ohne sie auszuprobieren, aber ich bin gerade total hin- und hergerissen, denn ich finde beide Hosen toll, habe aber nur Geld für eine.
Auf der Suche nach meiner Mitbewohnerin Sophia recke ich den Hals. Eben war sie doch noch da. Ich kenne sie erst seit gestern Abend und weiß noch nichts über sie, außer dass sie Psychologie studiert, wie ich aus Deutschland kommt und einen Ferienjob im selben Hotel angenommen hat. Ihr Modegeschmack? Keine Ahnung.
Verflixt. Zwischen all den bunten Ständen mit Gemüse, Geschirrtüchern, Töpfen und Lavendelprodukten habe ich sie aus den Augen verloren.
»Die rote Hose ist besser«, höre ich eine angenehm raue Stimme auf Französisch sagen und drehe mich um. Unter dem Rand seines Strohhutes hinweg sieht mich ein junger Mann mit einem amüsierten Lächeln an. Er sitzt auf einem Klappstuhl hinter seinem Verkaufsstand, der so klein ist, dass er zwischen dem ausufernden Klamottenstand und dem Olivenhändler auf der anderen Seite verloren wirkt. Der Typ trägt abgeschnittene, ausgefranste Jeans und ein verwaschenes T-Shirt und hat die Hände lässig hinterm Kopf verschränkt. Seine Augen sind hinter einer kultigen Sonnenbrille mit runden Gläsern versteckt.
Ich sehe an mir herunter, um mir in Erinnerung zu rufen, welche der beiden bunt gemusterten Hosen ich gerade trage.
»Wirklich?«, frage ich in der Landessprache. »Sie ist aber sehr rot.« Wobei die bunten Kreise und farbenfroh gestalteten Mandalas die Grundfarbe in den Hintergrund drängen.
Er lacht. »Das haben rote Hosen so an sich. Sie ist aber nicht unangenehm rot, falls du davor Angst hast. Außerdem hast du schon das passende Top dazu.« Er spricht mit dem typischen Akzent der Südfranzosen, was ihn mir sofort sympathisch macht.
Prüfend zupfe ich an meinem Spaghetti-Top. Er hat recht, die Kombi rotes Top - rot-gemusterte Hose sieht perfekt abgestimmt aus.
»Das passende Top ist ein sehr gutes Argument«, erwidere ich und lächele ihn dankbar an, weil er mir die Entscheidung abgenommen hat. Dabei werfe ich einen flüchtigen Blick auf seinen Verkaufsstand. Er handelt mit Silberschmuck, aber nicht mit den typisch provenzalischen Kettchen und Armbändern, die hier an so vielen Ständen en masse angeboten werden, was wohl auch erklärt, warum sein Stand so winzig ist.
Mit einem freundlichen »Danke« drehe ich mich um und krabbele zurück in den Laster, um mich umzuziehen.
Gestern Abend bin ich in Avignon angekommen, wo es mindestens fünfzehn Grad wärmer ist als zuhause in Deutschland, weshalb ich sogar meine leichte Sommerkleidung als zu warm empfinde. Natürlich ist das nur ein Vorwand, um meine Garderobe anzupassen und ein bisschen shoppen zu gehen.
Sobald ich den Laster verlassen habe, bezahle ich, stecke den neu erworbenen Schatz in meine Umhängetasche und mache mich auf den Weg zu Sophia, die ich mittlerweile zwei Stände weiter bei den Tischdecken entdeckt habe. Als ich an dem winzigen Schmuckstand des Franzosen vorbeikomme, der mir zu der roten Hose geraten hat, werfe ich einen kurzen Blick auf die ausgestellten Stücke. Die Ohrringe, Ketten und Armbänder sind wirklich originell. Ich werde langsamer und trete dichter heran, um den Schmuck genauer zu betrachten. Natürlich bin ich mir bewusst, dass der Kerl hinter dem Stand mich mustert, er hat ja sonst nichts zu tun.
»Vielen Dank noch mal für die Entscheidungshilfe«, murmele ich, während ich eine Kette umdrehe, die ein bisschen schief hängt.
»Gern geschehen.«
Eigentlich rechne ich damit, dass er mir jeden Moment etwas aufschwatzen wird, doch er regt sich nicht, sondern lässt mich in aller Ruhe den Schmuck begutachten, so als wüsste er ganz genau, dass er keine Werbung nötig hat.
»Ist das echtes Silber?«, frage ich, weil mir das Schweigen unangenehm ist.
»Jep.«
Die Preise sind unterschiedlich. Es gibt einfache Schmuckstücke zu humanen Preisen, aber das Paar Ohrringe, das mir gut gefällt, ist recht teuer. Sehnsüchtig gleite ich mit den Fingern darüber. Vielleicht lässt er mit sich handeln? Dann müsste ich aber einen deutlichen Rabatt erzielen und das ist mir zu peinlich. Also richte ich mich wieder auf. Hinter den dunklen Gläsern seiner Sonnenbrille kann ich die Augen des Verkäufers nicht erkennen. Zu gerne wüsste ich, was ihm durch den Kopf geht.
»Hast du vielleicht einen Schmucktipp für mich?«, frage ich - eigentlich nur, um ihn in ein Gespräch zu verwickeln.
Nun kommt Leben in ihn. Er beugt sich vor und nimmt seine Sonnenbrille ab. Sein Blick ist gesenkt und auf meinen Körper ausgerichtet. Was wird das? Checkt er mich ab? Sind meine Shorts lang genug?
»Ein Fußkettchen«, sagt er schließlich und sieht zu mir auf.
Seine Augen sind von einem Blau, wie ich es nie zuvor gesehen habe und das im Kontrast zu seinen dunklen Wimpern und der sonnengebräunten Haut fast unwirklich erscheint.
»Was hältst du davon?«, hakt er nach, weil ich eine ganze Weile nichts erwidere, zu sehr bin ich von diesem Himmelblau, nein Eisblau . überhaupt nicht . Meeresblau . auch nicht . egal, auf alle Fälle bin ich abgelenkt.
»Ähm«, räuspere ich mich, »ein Fußkettchen? Wieso nicht .«
Ich fürchte, er hat mich nicht abgecheckt, sondern meine Hände und Knöchel fachmännisch auf ihre Schmückbarkeit überprüft.
Sein linker Mundwinkel wandert nach oben. »Okay, dann zeige ich dir mal was. Hast du ein bestimmtes Budget?«
Wieder räuspere ich mich. »Na ja, vielleicht so ein Drittel von dem Preis dieser Ohrringe?«
»Alles klar.« Es scheint ihn weder zu verwundern noch zu stören. Er steht auf und kniet sich auf den Boden, um in einem Rucksack unter der als Verkaufstisch dienenden, aufgebockten Platte zu kramen. Dabei stößt er mit dem Strohhut gegen die Tischkante, nimmt ihn ab und legt ihn achtlos auf seine Exponate. Dichtes, hellbraunes Haar fällt ihm in die Stirn und sieht unglaublich weich und glänzend aus. Wie es sich wohl anfühlt?
Der junge Mann steht auf und lässt ein zierliches Silberkettchen über seine Finger gleiten. Mir fällt auf, wie schlank, feingliedrig und braungebrannt seine Hände sind. Ich atme tief ein und gebe mir Mühe, mich auf den Schmuck zu konzentrieren. Das Kettchen ist wunderschön. Zwei parallel geführte Ketten werden in regelmäßigen Abständen von filigran gearbeiteten Spiralen zusammengehalten. Ohne nachzudenken strecke ich die Hand aus und gleite mit den Fingerspitzen über die kleinen Spiralen, um sie gerade auszurichten.
»Das ist sehr schön«, flüstere ich ehrfürchtig, denn ich mag diesen Stil.
»Möchtest du es anprobieren?«
Ich beiße mir auf die Lippe und grinse ihn an. Er grinst zurück, wobei seine weißen Zähne aufblitzen. Ohne eine Antwort abzuwarten, kniet er sich wieder hin und klopft mit der flachen Hand auf eine Kiste neben dem Verkaufstisch. Ich werte das mal als Aufforderung, meinen Fuß darauf abzustellen. Behutsam legt er mir das Kettchen an, wobei seine Finger angenehm warm über meine Haut streifen. Mein Blick fällt auf seinen Fuß und die Flipflops, die er trägt. Zwischen seinen Zehen, dort wo die Sonne nicht so gut hinkommt, ist die Haut deutlich heller.
Er steht auf, beäugt sein Werk und legt zufrieden den Kopf schief. Dabei fährt er sich mit der Hand durch das dichte Haar, weil es ihm sonst bis in die Augen fällt.
Ich habe nicht sehr oft . eigentlich noch nie Fußkettchen getragen. Warum nicht, das verstehe ich im Augenblick selbst nicht mehr, denn das Kettchen sieht zauberhaft an meinem Knöchel aus.
»Gefällt es dir?«, fragt er mich, beugt sich dann noch einmal vor, weil sich das Kettchen verdreht hat, und rückt es zurecht. Da ihm das Haar schon wieder in die Stirn fällt, greift er nach seinem Hut, streicht das Haar zurück und setzt den Hut so auf, dass nur noch ein paar Strähnen zu sehen sind.
»Sehr sogar«, gebe ich zu und drehe verzückt mein Bein, um das Kettchen von allen Seiten betrachten zu können. »Was kostet es denn?«
»Ach hier steckst du?«
Die Stimme meiner Mitbewohnerin trifft mich überraschend. Ich hatte sie völlig vergessen.
»Schau mal, wie findest du das Kettchen?«, frage ich sie, doch sie zieht die Stirn kraus.
»Echt jetzt?«, fragt sie auf Deutsch, sodass der Verkäufer uns nicht verstehen kann, was ich ein bisschen unhöflich finde. »Ausgerechnet ein Fußkettchen? Von so...
Dateiformat: ePUBKopierschutz: Wasserzeichen-DRM (Digital Rights Management)
Systemvoraussetzungen:
Das Dateiformat ePUB ist sehr gut für Romane und Sachbücher geeignet - also für „fließenden” Text ohne komplexes Layout. Bei E-Readern oder Smartphones passt sich der Zeilen- und Seitenumbruch automatisch den kleinen Displays an. Mit Wasserzeichen-DRM wird hier ein „weicher” Kopierschutz verwendet. Daher ist technisch zwar alles möglich – sogar eine unzulässige Weitergabe. Aber an sichtbaren und unsichtbaren Stellen wird der Käufer des E-Books als Wasserzeichen hinterlegt, sodass im Falle eines Missbrauchs die Spur zurückverfolgt werden kann.
Weitere Informationen finden Sie in unserer E-Book Hilfe.