Schweitzer Fachinformationen
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Während viele über die Familie jagdlich geprägt werden und sich deshalb zum Jagdkurs anmelden, läuft es bei mir völlig anders. Meine ersten Kontakte zur Jagd knüpfe ich während eines unserer Skiurlaube. Wir sind eine Gruppe von etwa fünfzig Stuttgartern, die sich jährlich im österreichischen Skigebiet Hochfügen zum Skifahren trifft. Ich bin in diesem Jahr dreizehn geworden. Verträumt stehe ich im Flur unserer Pension und starre die Trophäen an der Wand an. Plötzlich tritt einer aus unserer Gruppe neben mich. »Na, weißt du, was das ist?« Jäger Simi, siebenunddreißig Lenze jung, erzählt mir von Rehen, Hasen und Füchsen und natürlich auch von den Gämsen, die in den österreichischen Bergen nicht zu knapp vorkommen. Er erzählt mir viel über unser heimisches Wild und ich könnte stundenlang seinen Worten lauschen.
Die meisten der Trophäen stammen von Gämsen. Es sind schwarze, am Ende nach hinten gebogene stangenförmige Hörner, die die Jäger Krickel oder auch Krucken nennen. Simi erklärt mir, dass sich an den Hörnern der Gämsen, ähnlich wie bei einem Baum, jedes Jahr ein Ring mehr bildet. Bei einer zähle ich acht Ringe, bei einer anderen sechzehn. »Wieso wurde die Gams hier schon mit vier Jahren geschossen?«, frage ich Simi. »Vielleicht, weil sie krank war und den Winter nicht überlebt hätte. Die genaue Antwort kann dir nur der Jäger geben, der sie erlegt hat«, sagt er. »Aber wenn du gerne mehr über die Jagd erfahren möchtest, dann komm doch einfach einmal mit mir auf den Hochsitz.« Ohne zu überlegen, nehme ich das Angebot an. Da wir in der Regel während der jagdfreien Zeit - zwischen Februar und April - im Skiurlaub sind, muss ich mich jedoch noch etwas gedulden, bis ich das erste Mal mit auf die Jagd gehen kann. Trotzdem erzähle ich meinen Eltern von meinem Vorhaben.
Was meine Mutter, von Beruf Waldorf-Pädagogin und der Natur und den Tieren gegenüber sehr sanft und liebevoll eingestellt, darüber denkt, weiß ich nicht. Ich vermute, dass sie mich den Jäger nur deshalb auf die Jagd begleiten lässt, weil sie weiß, dass ich mit meinem Dickschädel sowieso nicht zu bremsen wäre. Insgeheim hofft sie vielleicht sogar, dass ich weinend heimkomme und nie wieder etwas von der Jagd wissen möchte. Aber dieser Wunsch wird ihr nicht erfüllt. Als die Jagdzeit wieder beginnt, ziehe ich mit Simi los ins Revier.
Der Besuch eines Flintenparcours macht nicht nur sehr viel Spaß, sondern hilft auch, die Schießtechnik und Treffsicherheit zu verbessern.
Es ist ein kalter Morgen im Mai. Warm eingepackt, machen wir es uns noch in der Dunkelheit auf einem Hochsitz am Waldrand bequem. Langsam geht die Sonne auf und taucht die Natur in immer heller werdendes Licht. Der Morgengesang der Vögel setzt ein und nach und nach verzieht sich auch der letzte Fetzen Morgennebel. Ein Häschen hoppelt über die Wiese und beginnt fünf Meter vor unserem Sitz einen Löwenzahn zu mümmeln. Fasziniert beobachte ich den Hasen. »Den dürfen wir nicht erlegen, er hat Schonzeit«, flüstert Simi neben mir. Ich erschrecke, habe ganz vergessen, dass wir eigentlich hier sitzen, um Beute zu machen. Irgendwie bin ich beruhigt, dass das Häschen weiterleben darf.
»Was bedeutet eigentlich Schonzeit?«, frage ich Simi. »Es gibt für jede Wildart gesetzliche Vorgaben, wann der Jäger ein Tier schießen darf. Diese hängen unter anderem mit dem biologischen Rhythmus der Tiere zusammen. Vor allem im Frühjahr, wenn viele Wildtierarten ihren Nachwuchs bekommen, brauchen sie viel Ruhe. Deshalb dürfen sie in dieser Zeit auch nicht bejagt werden.« Da der Hase im Mai noch nicht bejagt wird, hat er wohl Glück gehabt.
Mehr sehen wir an diesem Morgen leider nicht. Trotzdem sitze ich auf der Heimfahrt zufrieden im Auto und weiß, dass dies nicht mein letzter Ansitz gewesen sein wird. Zwei oder drei weitere Male begleite ich Simi auf die Schwäbische Alb, immer wieder sind es sehr schöne Ansitze, doch obwohl wir einiges an Wild sehen, kehren wir jedes Mal ohne Beute heim. Entweder weil das Tier keine Jagdzeit hat oder weil es Simi nicht möglich ist, einen sicheren Schuss anzutragen. Meine Mutter scheint ganz froh über die Tatsache, dass ihre Tochter nicht miterlebt, wie ein Tier erlegt wird. Was sie zu diesem Zeitpunkt noch nicht wusste, war, dass es nicht auf ewig so bleiben sollte.
Nach meiner bestandenen Abiturprüfung sitze ich in einer Bar in Reutlingen und unterhalte mich mit zwei Männern. Ich kann mich nicht mehr erinnern, wie es sich ergab, aber plötzlich kommen wir auf das Thema Jagd zu sprechen. Der eine wird schlagartig ziemlich aufgeregt. Ich merke, dass er ziemlich begeistert davon ist, dass ich den Jagdschein machen möchte. Interessiert fragt er mich aus, ob meine Eltern auch Jäger seien und wie ich zur Jagd gekommen sei. Ich erzähle die Geschichte aus dem Skiurlaub und dass ich sehr gerne Fleisch esse.
Kurz darauf begleite ich ihn auf den Ansitz. Vor uns tritt ein Reh auf die Wiese, wir beobachten es beim Äsen und keiner von uns beiden denkt in diesem Moment an Jagd. In unserem Rücken befindet sich Wald, vor uns die Wiese mit dem Reh, und die Sonne beginnt langsam unterzugehen, während sich der Himmel rot färbt. Keiner von uns spricht ein Wort, es ist auch gar nicht nötig. Wir genießen den Anblick und die Waffe bleibt auch an diesem Abend unberührt.
Zwei Jahre ist das nun her. Mehrfach war ich mit auf der Ansitzjagd, habe an Drückjagden teilgenommen und dabei auch erste Erfahrungen im Zusammenhang mit erlegtem Wild gemacht. Für mich steht fest: Ich möchte jetzt endlich den Jagdschein machen! Doch die Ausbildung zum Jäger beziehungsweise zur Jägerin kostet viel Zeit und Geld. Es heißt nicht umsonst, dass der Jäger ein grünes Abitur ablegen muss. Irgendetwas fehlt mir aber leider immer: entweder das Geld oder die Zeit oder beides. Doch dann, mit zweiundzwanzig Jahren, am Ende meines Studiums, nachdem ich alle Semesterferien durchgeackert habe, passt irgendwann alles zusammen und ich beginne meine Jagdausbildung.
Ein individuell angepasster Flintenschaft führt zu einem besseren Schieß-ergebnis!
Mit einem dicken Ordner unter dem Arm kehre ich im November 2014 von der Jagdschule zurück, bei der ich mich zum Kurs angemeldet habe. »Es schadet nicht, wenn du dir vor dem Kurs schon mal einen Überblick verschaffst und das Skript durchblätterst.« Das waren die Worte, die mir auf den Weg mitgegeben wurden. In dem mehrere Hundert Seiten umfassenden Skript werden alle fünf Prüfungsfächer von Haar- und Federwild, Waffentechnik und -recht über Jagd, Jagdhunde bis hin zu Wildkrankheiten und Behandlung von erlegtem Wild genauestens erläutert. Im ersten Moment klingt das alles recht übersichtlich, doch als ich die Seiten so durchblättere und dabei die Details in Augenschein nehme, wird mir doch etwas mulmig.
Hoch motiviert setze ich mich zu Hause auf Sofa. Den Teil rund um das Waffen- und Jagdrecht muss ich wohl auswendig lernen. Beim Thema Jagdhunde muss ich nicht nur die einzelnen Rassen genau kennen, sondern auch alles über deren Haltung und Pflege wissen, wie zum Beispiel die gesetzliche Mindestgröße eines Zwingers. Meinen Hund würde ich zwar in keinen Zwinger sperren, aber das wird den Prüfern als Antwort wohl nicht genügen. Ich beginne mich zu fragen, wie ich das alles neben dem Studium schaffen soll.
Da ich aus keinem Jägerhaushalt stamme, muss ich komplett bei null beginnen. Wie eine Waffe durch den Wald getragen wird und wie das erlegte Wild später versorgt werden muss, davon hat keiner in meiner Familie auch nur die leiseste Ahnung. Als Erste, die das wissen möchte, muss ich nun also wohl oder übel bei Adam und Eva beginnen.
Als ich den Ordner weiter durchsehe, stoße ich auf ein Thema, an das ich mich noch aus meiner Schulzeit erinnern kann. Es sind die vier Mägen der Wiederkäuer. Auch Hirsch und Reh haben Pansen, Netz-, Blätter- und Labmagen. Doch auch alle anderen Organe sind im Skript genau beschrieben. Also gehe ich davon aus, dass ich sie auch lernen muss. »Eigentlich könnte ich auch gleich Tiermedizin studieren«, denke ich mir.
Und es wird nicht besser: Bei den Wildkrankheiten kenne ich gerade noch den Fuchsbandwurm, viel mehr kommt mir aber nicht bekannt vor. Rachendasseln etwa, das sind kleine Fliegen, die ihre Larven in die Nasen von Huftieren spritzen. Dort wandern die Larven in die Nasenhöhlen und in den Rachenraum, um sich dort zu entwickeln. Vor allem junge Rehe sind davon befallen. Die etwa zwei bis zu vier Zentimeter langen, knapp einen Zentimeter Durchmesser fassenden fertig entwickelten Larven werden ausgeniest oder ausgehustet. Beim Blick auf das Foto, das im Skript mit abgebildet ist, bekomme ich eine Gänsehaut. Noch ahne ich nicht, dass ich diese ekelerregenden Tiere in nur weniger als einem Jahr hautnah selbst erleben werde.
Im März 2015 geht es dann endlich los. An einem Samstagvormittag treffen sich alle dreizehn Jagdscheinanwärter in der Jagdschule zum sich über sechs Wochen erstreckenden Wochenend-Blockkurs. Ich bin wie immer das Nesthäkchen. Zehn Männer im Alter von fünfundzwanzig bis fünfzig sitzen an einem langen Tisch. An den Wänden hängen präparierte Tiere und Plakate mit Jagdhunden. Da ist ein hagerer Mittvierziger mit Glatze, ein kleiner Braunhaariger mit Piepsstimmchen und einer mit Bierbauch ist auch dabei. Neben mir sitzen noch zwei weitere Frauen im Kurs. Eine, Ende vierzig, ebenfalls rotes Haar wie ich, allerdings nicht gefärbt. Die andere ist etwa eineinhalb Meter groß und hat einen braunen Labrador dabei. Ich mustere jeden Einzelnen und mache mir ein erstes Bild.
Der...
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