"Tminus 10, 9, 8, 7, 6, 5, 4, 3, 2, 1, Zero. We have lift-off of the Falcon 9. The Falcon 9 has cleared the tower ." Montag, 21. Dezember 2015, 20:29 Uhr Ortszeit am Cape Canaveral in den USA: Eine Falcon-9-Rakete der Firma SpaceX steigt von der Startrampe auf und stemmt sich in den Nachthimmel über Florida. Allmählich verblasst der grelle Schein der Triebwerke in der Dunkelheit. Doch wenige Minuten später scheint das Geschehen rückwärts abzulaufen - am Himmel taucht ein Lichtschein auf, der schnell immer heller wird. Auf einem Feuerstrahl reitend, kehrt die Unterstufe der Rakete zum Startplatz zurück. Schließlich setzt die Raketenstufe auf dem Boden auf. "The Falcon has landed.", "Der Falke ist gelandet", vermeldet der Startkommentator - und spielt auf das legendäre "The Eagle has landed" der Mondlandung von Apollo 11 an.
- Der Falke landet!
Bei fast allen Starts kehren die Unterstufen der Falcon-Raketen zurück zur Erde. Nach dem Abtrennen vom Rest der Rakete in rund 80 Kilometern Höhe drehen sie das Triebwerk in Flugrichtung, um damit zu bremsen. Sie steuern dann vollautomatisch den Landeplatz an.
© SpaceX
In der Tat ist auch dieser Abend kurz vor Weihnachten 2015 einer für die Raumfahrtgeschichtsbücher: Zum ersten Mal ist mit der Falcon 9 die Stufe einer Weltraumrakete heil zur Erde zurückgekehrt. 60 Jahre lang waren Raketen Wegwerfartikel - nun sollen zumindest Teile mehrfach zum Einsatz kommen. An jenem Abend wurde eine Vision von Elon Musk Wirklichkeit: Sein Unternehmen schaffte in gut zehn Jahren etwas, was etablierte US-Raketenbauer wie Boeing oder Lockheed nicht hinbekommen hatten (oder nicht hinbekommen wollten, weil es für sie nicht notwendig erschien). Inzwischen kehrt bei den meisten Starts der Falcon-9-Raketen die Unterstufe (der untere Teil der Rakete, der als erstes ausbrennt) zurück zur Erde. Sie wird überholt und kommt wieder zum Einsatz. Meist landen die Raketenstufen knapp 15 Kilometer von der Startrampe in Cape Canaveral entfernt. Besonders spektakulär ist dies bei Starts der Falcon Heavy, weil dann gleich zwei Unterstufen synchron zur Landung ansetzen - Raumfahrtballett!
- Mission erledigt, zurück auf Los
Beim Start einer Falcon Heavy kehren die beiden seitlichen Booster-Raketen zurück - der simultane Anflug ist eine atemberaubende Raumfahrt-Show. Wenn aufgrund von Treibstoffmangel eine Landung am Startplatz nicht möglich ist, setzen die Raketen auf einer Plattform im Meer auf.
© SpaceX
Doch manchmal sind die Raketen auf einem Kurs, bei dem ein Rückflug zum Cape Canaveral nicht möglich ist. Dann ist die Landung auf einer unbemannten Plattform im Meer die Alternative. Das Unternehmen nutzt drei solcher "Drohnen"-Schiffe. Eine staatliche Behörde hätte sie vermutlich Drohne 1-A oder Landeschiff 14/3 genannt. Doch SpaceX weiß um die Kraft der Bilder und des Wortes - und so stehen bemerkenswerte Namen jeweils am äußeren Rand des auf dem Deck aufgemalten Zielkreises. Ein Schiff heißt: "Of course, I still love you" - "Natürlich liebe ich Dich noch". Das zweite trägt den Namen "Just read the instructions" - "Folge einfach den Anweisungen" und das dritte "A Shortfall of Gravitas", "Ein Mangel an Schwerkraft". Dies sind Raumschiffnamen aus dem Kultur-Zyklus des schottischen Science-Fiction-Autors Iain Banks (1954-2013), den das Unternehmen kurz nach seinem Tod so wunderbar geehrt hat. Die Landeschiffe einige hundert Kilometer vor der Küste geben SpaceX die Flexibilität, bei bestimmten Missionen den Raketenstufen entgegenzukommen. Denn wenn der gestartete Satellit fast die maximal mögliche Masse hat oder eine besondere Bahn ansteuert, bleibt nicht genügend Treibstoff in den Raketenteilen, um weit zurückzufliegen. Dann lesen die automatisch fliegenden Stufen, die zunächst für einen Mangel an Schwerkraft gesorgt haben, die Anweisungen, stürzen zurück zur Erde, zünden die Triebwerke zur Bremsung, klappen die Beine aus - und freuen sich, dass sie noch geliebt werden.
Es war ein Geniestreich von Elon Musk, auf die Wiederverwendung der Raketenstufen zu setzen.
Es war ein Geniestreich von Elon Musk, auf die Wiederverwendung der Raketenstufen zu setzen. Allein die Bilder der landenden Raketen sind für die PR unbezahlbar. Zugleich muss aber Wiederverwendbarkeit nicht automatisch die Kosten senken. Der Space Shuttle war auch größtenteils wiederverwendbar - allerdings war die Überholung nach einem Flug so aufwendig, dass die Raumfähren trotzdem extrem teuer waren. Das Wiederverwenden ist nur wirtschaftlich, wenn eine Rakete mindestens 20-30 Mal im Jahr startet - genau das ist bei der Falcon 9 von Elon Musk der Fall. Für den Pionier des New Space ist der Himmel schon lange keine Grenze mehr: "Wir können noch zu unseren Lebzeiten zum Mars fliegen", beschwört er bei öffentlichen Auftritten immer wieder sein Publikum. Um die Jahrtausendwende ist Elon Musk durch die Entwicklung eines Online-Bezahlsystems reich geworden. Mit diesem Geld hat er SpaceX gegründet. Nach anfänglichen Misserfolgen geht es mit seinen Weltraumgeschäften inzwischen steil nach oben. Allerdings gibt es Grenzen in der Raketentechnik, die sich mit keiner Euphorie der Welt oder schnoddrigen Twitter-Nachrichten sprengen lassen - und so musste er zum Beispiel den Plan aufgeben, auch die zweite Stufe der Falcon-Raketen zurückkehren zu lassen. Sie bleiben in der Umlaufbahn und verglühen ganz klassisch in der Atmosphäre.
RAKETEN: SCHNELL ODER ABSTURZ!
"Per aspera ad astra" lautet eine alte lateinische Weisheit - wörtlich übersetzt heißt das "durch das Raue zu den Sternen", womit gemeint ist, dass erst viele Mühen zum Erfolg führen. Der Weg in den Weltraum ist in der Tat ebenso rau wie mühevoll, denn dem harten Griff unseres Planeten lässt sich kaum entkommen. Die Gravitation ist unerbittlich - zum Glück: Ihr verdanken wir, dass die Erde eine Atmosphäre hat. Jene dünne Gashülle von nur einigen Dutzend Kilometern (deren geringe Ausdehnung den meisten Astronauten erst beim Blick aus der Umlaufbahn auf die Erde bewusst wird) macht die Erde zum Planet des Lebens. Bei geringerer Anziehungskraft wäre es zwar leichter, ins All zu entkommen, aber dann wäre auch die Atmosphäre dünner oder ganz verschwunden. Bei uns gäbe es weder Luft noch Wasser - es sähe aus wie auf dem Mond.
Raketen müssen in sehr kurzer Zeit extrem viel leisten. Sie verbrennen ihren Treibstoff binnen weniger Minuten, um die Nutzlast - also das, was die Rakete transportiert - auf etwa 28.000 Kilometer pro Stunde zu beschleunigen. Bei diesem Tempo bleibt ein Körper auf einer Umlaufbahn 200 Kilometer über der Erdoberfläche. Ist er langsamer, fällt er unweigerlich zurück. Das geben Masse und Größe der Erde vor. Raketen steigen am Himmel auf, weil sie Treibstoff verbrennen und die Abgase mit großer Kraft durch die Düsen ausstoßen. Es geht ihnen wie Menschen auf einem spiegelglatt zugefrorenen See: Werfen sie einen Ball in eine Richtung, bewegen sie sich durch den Rückstoß genau in die entgegengesetzte. Für die Bewegung in der Ebene sind keine großen Kräfte nötig, wohl aber, wenn es nach oben geht. Die Gase schießen aus den Düsen und die Rakete stößt sich geradezu an ihnen ab. Je schneller das Gas aus der Düse strömt und je mehr Düsen eine Rakete hat, desto mehr Schub bekommt die Rakete.
In den ersten ein bis zwei Minuten eines Starts kommt erschwerend der Luftwiderstand hinzu. Selbst in mehr als zehn Kilometern Höhe stört die dünne Atmosphäre erheblich, wenn man schon mit Überschallgeschwindigkeit unterwegs ist. Die Phase des maximalen Drucks durch die Luftteilchen ist bei den Fachleuten gefürchtet. Eine Rakete muss so gebaut sein, dass alle Elemente diese enorme Belastung durch den "Fahrtwind" kurz nach dem Start aushalten und nicht auseinanderbrechen. Deswegen ist die Nutzlast am Anfang unter einer stromlinienförmigen Abdeckung geschützt. Nach etwa drei Minuten werden die beiden Hälften der "Fairing" in rund 100 Kilometern Höhe abgesprengt - sie stürzen zurück zur Erde (SpaceX holt sie oft aus dem Wasser und verwendet sie erneut). Der Satellit ist dann ungeschützt dem Weltraum ausgesetzt, was aber kein Problem ist, da es außerhalb der Lufthülle keinen Fahrtwind mehr gibt. Nach acht bis neun Minuten ist alles vorbei. Die Triebwerke sind abgeschaltet und die Rakete ist im All, typischerweise mindestens 250 Kilometer hoch und mit rund 28.000 Kilometern pro Stunde Geschwindigkeit. Für die Besatzung einer Raumkapsel ist das so, als wenn man im Auto über eine kräftige Bodenwelle fährt, die einen etwas aus dem Sitz drückt - in der Umlaufbahn sinkt man aber nicht mehr zurück in den Sitz, sondern ist schwerelos. In der russischen Soyuz-Kapsel hat die Besatzung stets ein Stofftier an den Armaturen hängen - wenn das nicht mehr hängt, sondern schwebt, ist die Kapsel in der Schwerelosigkeit. Bei Alexander Gerst war es 2018 eine Maus aus der "Sendung mit der Maus".
- Klassiker am magischen Ort
Zwei Tage vor dem Start wird eine Soyuz-Rakete per Eisenbahn von der Montagehalle zur Startrampe gebracht - immer um 7 Uhr, wie einst beim Flug von Juri Gagarin (mit dieser Rakete ist Alexander Gerst 2018 zur ISS geflogen). Die Besatzung ist beim Aufstellen der Rakete nie dabei, weil das Unglück brächte....