Schweitzer Fachinformationen
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Als Radolf und Otfried herankamen, winkte Gunther ihnen fröhlich zu. »Das war ein schöner Ritt!«
»Für dich vielleicht! Mein Gaul hat sich die Fessel vertreten und humpelt. Ich kann ihn nur noch im Schritt reiten, und das bedeutet, ich werde nicht vor der Nacht nach Hause kommen«, antwortete Radolf unwirsch.
»Der Weg zu unserer Burg ist näher. Komm doch mit mir! Gunther kann es eurem Vater mitteilen«, schlug Otfried vor.
»Das wird wohl das Beste sein.« Radolf stieg ab, hob den rechten Vorderfuß seines Pferdes auf und betastete das Gelenk. »So schlimm sieht es Gott sei Dank nicht aus. Ich werde wohl morgen nach Hause reiten können.«
»Jetzt sollten wir erst einmal Rast machen. Ich habe eine Lederflasche mit Wein bei mir, den wir uns teilen können. Als Sieger unseres Wettreitens gebührt Gunther der erste Schluck!« Bei diesen Worten nestelte Otfried die Flasche vom Sattel und warf sie Gunther zu.
Dieser fing sie auf, löste die Schnur, mit der sie verschlossen war, und trank durstig von dem überraschend süßen Wein.
»Der schmeckt ausgezeichnet!«, sagte er, als er die Flasche an Otfried zurückreichte.
»Er ist aus dem Fass, in dem mein Vater seinen besten Tropfen aufbewahrt«, meinte dieser grinsend und trank nun selbst.
Nachdem auch Radolf die Lederflasche erhalten hatte, war sie leer. Otfried befestigte sie wieder am Sattel und setzte sich neben die Kapelle ins Gras.
»Eigentlich müsse dieser Ort belebter sein«, meinte er.
»Weshalb?«, fragte Gunther verwundert.
»Das hier ist die Stelle, an der alle vier Herrschaften des Kleeblattbunds aneinanderstoßen würden, wenn das Ödland aufgeteilt worden wäre. Es müsste hier ein Dorf geben oder zumindest eine Schenke mit gutem Wein und einer hübschen Wirtstochter, mit der man gewisse Dinge tun kann.«
Radolf lachte. »Wein darf mein Bruder bereits trinken, doch mit einer hübschen Wirtstochter weiß er noch nichts anzufangen.«
»Die würde es ihm schon beibringen«, rief Otfried und zwinkerte Gunther zu. »Es würde dir gewiss Freude machen. Du bist ja kein Knabe mehr.«
Gunther grinste verlegen. Natürlich wusste er, was man mit Wirts- und anderen Töchtern anfangen konnte, auch wenn er es bislang noch nicht getan hatte. Bei den vielen Leuten beiderlei Geschlechts, die auf der Burg zusammenlebten, blieb so etwas kein Geheimnis. Schon bald würde auch er versuchen, mit einer der jungen Mägde in einem versteckten Winkel zu verschwinden. Die eine oder andere wäre gewiss gerne dazu bereit. Hatte ihn Bruni nicht letztens mit ein paar verheißungsvollen Blicken bedacht? Er wusste allerdings, dass diese öfter in der Kammer seines Bruders zu tun hatte und dort länger blieb. Da er Radolf nicht in die Quere kommen wollte, überlegte er, eine der anderen Mägde zu fragen, ob sie mit ihm eine gewisse Zeit verbringen mochte.
In Gedanken verstrickt, achtete Gunther nicht auf die leise geführte Unterhaltung von Radolf und Otfried, bis sein Bruder neben ihn trat und ihm die Hand auf die Schulter legte. »Unser Vetter hat recht! Du bist kein Knabe mehr.«
»Es wird Zeit für dich, den Sprung über die Schlucht zu wagen. Nachdem dein Hengst heute so gut gelaufen ist, wird er auch das noch schaffen«, rief Otfried.
»Ich weiß nicht . Hektor hat bei diesem Ritt doch einiges an Kraft aufwenden müssen«, wandte Gunther ein.
»So erschöpft, wie du glaubst, ist er nicht«, erklärte sein Bruder und legte den Arm um ihn. »Komm mit! Wir sehen uns die Schlucht an, und dann wirst du feststellen, dass sie ganz leicht zu überwinden ist. Es heißt, dass nicht nur Pferde darüberspringen können. Man erzählt sich, dass es auch ein junger Bauer getan hat, nachdem dessen Angebetete ihn damit verspottet hatte, er besitze ja nicht einmal ein Pferd, um über die Schlucht zu springen.«
Mit einem leisen Stöhnen ließ Gunther zu, dass sein Bruder ihn zur Schlucht führte, und starrte mit einem mulmigen Gefühl hinab. An den Seiten wuchsen ein paar Büsche, unten am Grund konnte er den Bach erkennen.
»Wer hier hineinfällt, steht nicht mehr auf«, sagte er abwehrend.
»Wer will denn hineinfallen?«, antwortete sein Bruder. »Du stellst dich mit deinem Pferd dort vorne hin, nimmst Anlauf und bist im nächsten Augenblick drüben. Zurück geht es noch leichter, da die Kante auf dieser Seite eine gute Elle tiefer liegt. Worauf wartest du noch? Nach diesem Sprung bist du hier als wackerer Bursche bekannt und kannst bei Bruni lernen, wie es ist, einen weichen Frauenleib unter dir zu spüren!«
»Du bietest mir Bruni an? Aber ich dachte .«
Gunther brach ab, als sein Bruder schallend zu lachen begann. »Wäre Bruni mein angetrautes Weib, würde ich es dir sehr verargen, wolltest du ihr die Röcke heben. Sie aber ist eine Magd, die jeder haben kann. Auch Vater hat sie bereits gestoßen. Jetzt bist eben du an der Reihe.«
Radolfs Worte klangen für Gunthers Ohren ein wenig derb. Knechte sprachen so, aber doch kein Edelmann! Er begriff allerdings, dass er sich nicht länger widersetzen konnte. So breit, dachte er für sich, war die Schlucht wirklich nicht, als dass sein Hengst sie nicht überspringen konnte.
»Also gut, ich tue es!«
»Ich wusste doch, dass du Mumm in den Knochen hast. Immerhin bist du mein Bruder, und Brüder müssen zusammenhalten, jetzt wie auch später, wenn du Guntramsweil als Erbe deiner Mutter übernommen hast und wir uns Bogenberg nach dem Tod unseres Vaters geteilt haben.«
In Radolfs Stimme schwang ein neidischer Unterton mit, der Gunther jedoch entging.
»Wir sollten zur Kapelle zurückgehen, damit ich springen kann«, antwortete der Jüngere und wurde von seinem Bruder mit einem Schulterklopfen belohnt.
Als sie die Kapelle wieder erreichten, lag Otfried im Gras und schlief, schreckte aber hoch, da Radolf ihn mit der Fußspitze berührte. »Irgendwie hat der Wein mich müde gemacht«, sagte er mit einem verzerrten Grinsen.
»Du hast ja auch am meisten getrunken. Für mich ist kaum etwas geblieben«, antwortete Radolf und wies auf Gunther. »Unser Kleiner will springen!«
»Ich dachte mir schon, dass er sich diese Gelegenheit nicht entgehen lässt, denn jetzt können wir beide bezeugen, dass er es getan hat«, antwortete Otfried und stand auf.
»Nachdem er gesprungen ist!«, schränkte Radolf ein. Er reichte seinem Bruder die Zügel und wies auf die Schlucht. »Nun zeig, was du kannst!«
Gunther hatte das Gefühl, als trauten die beiden es ihm nicht zu, den Sprung zu wagen, und nahm sich vor, ihnen das Gegenteil zu beweisen. Mit einem Satz saß er im Sattel, steckte die Füße in die Steigbügel und lenkte den Hengst zu der Stelle, von der aus er Anlauf nehmen wollte. Sein Bruder und dessen Vetter kamen langsam hinter ihm her.
»Gib Hektor die Sporen, damit er schnell genug für den Sprung wird«, riet Radolf ihm.
»Das werde ich!« Gunther zügelte kurz das Pferd, richtete es so aus, dass es in gerader Linie auf die Schlucht zugaloppieren konnte, und trieb es an.
Der Hengst hatte bereits einen harten Ritt hinter sich. Aber es war, als begreife er, dass es galt, noch einmal alle Kraft einzusetzen. Er ging fast aus dem Stand in den Galopp und jagte auf die Schlucht zu.
Als Gunther diese auf sich zukommen sah, kribbelte alles in ihm vor Anspannung. Im nächsten Moment hob sein Hengst kraftvoll ab. Es war wie ein Flug, dachte Gunther noch. Dann aber, genau über der Schlucht, rutschte der Sattel unter ihm weg. Er versuchte noch, sich auf dem Rücken des Pferdes zu halten, kippte jedoch zur Seite und stürzte. Der Schwung trieb ihn bis an die gegenüberliegende Wand der Schlucht, und er fühlte einen Aufschlag, der ihm den Atem raubte. Instinktiv krallten seine Hände sich in einen dort wachsenden Busch. Fast gleichzeitig schlug der Sattel gegen seinen Rücken, und er verlor den Halt.
Verzweifelt versuchte er, sich an dem Grasbüschel, über das seine Hände glitten, festzuhalten, aber er riss es mit sich. Ein magerer Zweig gab ebenfalls sofort nach, und er schrammte die Hände an Buschwerk und rauen Felsen auf. Immer schneller glitt er in die Tiefe. Als er in das Wasser des Baches klatschte, verlor er das Bewusstsein. Er bekam nicht mehr mit, wie viel Glück er im Unglück hatte, denn er landete mit dem Kopf auf seinem Sattel und geriet dadurch nicht in Gefahr, zu ertrinken. Als er wieder zu sich kam, fühlte er zunächst kaum Schmerz, sondern war nur froh, am Leben zu sein. Vorsichtig begann er, Arme und Beine zu bewegen, und nun spürte er die Folgen seines Sturzes. »Mein Gott, hoffentlich habe ich mir nichts gebrochen«, stöhnte er.
Doch seine Gliedmaßen schienen in Ordnung zu sein. Vor Erleichterung atmete er tief durch, und sofort spürte er seine Rippen. Es tat fürchterlich weh, und er begriff, dass er die eine oder andere angebrochen oder zumindest schwer geprellt haben musste.
Langsam kam die Erinnerung zurück, dass er den Sprung über die Schlucht hatte wagen wollen. Anscheinend war dabei sein Sattelgurt gerissen. Wenn er und Radolf wieder nach Hause kamen, dachte er, würde er dem Stallmeister einige deutliche Worte sagen.
Erst aber musste er hier herauskommen, und dafür benötigte er die Hilfe seines Bruders und die von Otfried. Die beiden hatten seinen Sturz miterlebt und würden gewiss schon überlegen, wie sie ihm helfen konnten. Ihren Spott über seinen missglückten Versuch würde er wohl noch lange ertragen müssen.
Gunther drehte...
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