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Joseph würde ihr verzeihen, dass sie es sich anders überlegt hatte; er musste einfach. Sie waren doch jetzt eine Familie. Zwar waren sie noch nicht verheiratet, aber sie hatte schon den Ring gesehen. Den kunstvoll verarbeiteten, riesigen Diamanten, ein echtes kissengeschliffenes Meisterstück, umkränzt von zahllosen kleineren Brillanten. Der Ring befand sich, hübsch verpackt, in einer dunkelblauen Samtschatulle, ganz hinten in Josephs Sockenschublade. Der Stein bedeutete etwas. Ihre gemeinsame Zukunft. Er war ein Symbol ihrer Verbindung.
War nicht die Bereitschaft zu verzeihen das, was eine Familie ausmachte?
Oder Kompromissbereitschaft?
Aufgewühlt lehnte sich Annie Maxwell an die Schlafzimmerwand und blickte auf die Kartons, die sich überall in der Wohnung stapelten. Alle waren in Annies ordentlicher Handschrift mit schwarzem Marker für den Umzug beschriftet: Küche, Badezimmer, Schlafzimmer. Sie hatte ein sehr ungutes Gefühl nach diesem Telefonat.
Vielleicht machst du dir unnötig Sorgen.
Joseph liebte sie, und sie liebte ihn. Nur darauf kam es an . oder?
Annies Hand zitterte, als sie sie auf den teuren Türknauf aus Messing legte. Den hatten sie zusammen in einem Antiquitätenladen ausgesucht, denn ihr Apartment sollte eine individuelle Note bekommen. Nachdem sie sich eine halbe Stunde nicht auf Messing oder Gusseisen hatten einigen können, hatte Joseph nachgegeben und die Entscheidung Annie überlassen, solange er die Vorhänge wählen durfte.
Stichwort Kompromiss.
Aber das hier war anders. Jetzt ging es nicht um Ästhetik oder Design. Es ging um Karriere oder Familie. Ihre Familie, seine Karriere. Das eine zu unterstützen, bedeutete, das andere aufzugeben. Wie sollten sie da zu einem Kompromiss kommen?
Annie musste einfach ihrer Mutter Vorrang einräumen, denn sie konnte unmöglich wegen Josephs neuem Job auf die andere Seite des Planeten ziehen, während ihre Mutter mit einer Krebsdiagnose konfrontiert war. Und schon gar nicht, nachdem Connie, ihre Mutter, sie unter Tränen angerufen und gebeten hatte, zu bleiben.
Merkwürdig, was für ein Chaos so ein kleiner Haufen Zellen anrichten konnte.
Letzte Woche, als ihre Eltern Connies Diagnose verkündet hatten, hatte ihr Mutter noch ganz ruhig gewirkt. Sie hatten schon eine ganze Weile über den Krebs Bescheid gewusst und nur den richtigen Moment abgewartet, um ihre Kinder zu informieren. Sie hatten abgewartet, bis es einen Therapieplan gab und sie allen versichern konnten, dass im Grunde alles in Ordnung war. Der Arzt hatte gesagt, die Chancen, den Tumor in der rechten Brust ihrer Mutter entfernen zu können, stünden gut. Er hatte eine vollständige Heilung vorausgesagt. Dreiundneunzig Prozent Überlebensrate. Das hörte sich doch gut an . oder nicht?
Aber später hatte er mit Begriffen wie Mastektomie und Chemo- und Hormontherapie um sich geworfen.
Und als vor einer halben Stunde das Telefon geklingelt hatte, war Annies Mutter völlig aufgelöst gewesen. Annie hatte sie sehr lange nicht mehr so weinen hören.
Bitte geh nicht fort, Annie. Ich brauche dich hier. Ich schaffe das nicht ohne dich.
Wie konnte sie die Frau, die sie großgezogen hatte - die sich für sie aufgeopfert hatte - im Stich lassen, wenn sie sie wirklich brauchte?
Wenn sie so weit entfernt lebte, würde das bedeuten, dass sie viel zu weit weg wäre, um ihre Mutter zu Arztterminen zu begleiten oder im Haushalt zu unterstützen oder sie einfach nur in die Arme zu nehmen. Joseph hatte versprochen, sie könnte jeden Monat hierherfliegen, wenn sie wollte. Aber ihre Mutter brauchte sie hier. Jetzt.
Singapur musste warten.
Auch wenn sie diesen Umzug seit Monaten geplant hatten. Auch wenn Joseph dieser Job auf dem Silbertablett angeboten worden war. Auch wenn ihr gesamtes Hab und Gut in Kartons verpackt war und morgen die Umzugsfirma käme. Weil sie und Joseph eigentlich morgen umziehen würden.
Die Bank hatte Joseph ein einmaliges Angebot gemacht - einen Antrittsbonus, die Finanzierung des Umzugs, ein Gehalt mit mehr Nullen, als Annie fassen konnte. Sie hatten ihm die Leitung einer kompletten Abteilung im IT-Bereich übertragen, er würde dem Chief Information Officer direkt unterstehen. In seinem Alter war das einfach unglaublich. Annie hatte Joseph noch nie so glücklich erlebt.
Wenn nur ihre Mutter nicht diesen Knoten hätte.
Annie lockerte Arme und Hände und atmete langsam aus. Vielleicht machte sie sich ganz unnötig Sorgen. Joseph würde ihre Entscheidung verstehen . oder?
»Joe?« Annie zwang sich, ganz ruhig zu bleiben und betrat das Schlafzimmer. »Können wir reden?«
Er blickte auf. Das Blau seiner Augen wirkte so kalt wie ein zugefrorener See. Unergründlich. Ein Koffer lag mitten auf dem Bett, darin ein Stapel sorgfältig zusammengefalteter Hemden. Josephs Krawatten steckten zusammengerollt in den Ecken des Koffers - silberne, graue und dunkelblaue, dazwischen ein paar rote Farbtupfer. Und dann war da noch die leuchtend blaue, die Annie ihm gekauft hatte, weil sie so gut zu seiner Augenfarbe passte. Es war seine Lieblingskrawatte.
Ihre auch. Joseph sah einfach zum Anbeißen aus, wenn er sie trug.
Sie wartete auf ein Lächeln, eine Reaktion . irgendetwas. Doch Josephs Gesicht blieb unbewegt, seine Lippen bildeten eine schmale Linie. Angst stieg in ihr auf. Er hatte vor fast einem Monat gekündigt. So wie sie selbst. Die letzte Woche hatten sie damit verbracht, alles, was sie besaßen, sorgfältig einzupacken und ihre gemeinsame Zukunft zu besprechen. Das Leben zu planen, das sie sich erträumten.
Und sie würde das alles jetzt zunichtemachen.
»Wir müssen reden«, sagte sie, diesmal mit festerer Stimme. Ihre Finger krümmten sich Halt suchend um den hölzernen Bettrahmen. »Über Singapur.«
»Da gibt es nichts zu reden.« Joseph drehte sich von ihr weg und richtete seine Aufmerksamkeit auf seinen Kleiderschrank. Die metallenen Kleiderbügel stießen klirrend aneinander, als er ein kurzes, schwarzes Jackett herauszog. »Du hast dich also entschieden?«
Annies Herz pochte schnell und unregelmäßig. Wie die Hufe eines Pferdes, das über einen schlammigen Untergrund zu galoppieren versuchte. »Was meinst du damit?«
Joseph legte das Jackett aufs Bett und faltete es in seiner typischen peniblen Art zusammen, bis es ein quadratisches Format aufwies. »Ich habe das Gespräch mit deiner Mutter mitgehört. Du hast ihr gesagt, dass du nicht die Absicht hast, nach Singapur zu ziehen.«
»Du sagst das so, als hätte ich das die ganze Zeit so geplant.«
»Es läuft auf das Gleiche hinaus, oder etwa nicht?«
Annies Magen fühlte sich plötzlich an wie mit Blei ausgegossen. Ihre Mutter wusste, dass sie im Begriff waren, umzuziehen. Wusste, was das für ihre Lebensträume bedeutete - sie wollten beide Karriere machen und die Welt erkunden. Es war das Ziel, auf das sie hinarbeiteten, seitdem in jener sternenreichen Nacht in Annies erstem Collegejahr aus ihrer Freundschaft mehr geworden war.
»Sie hat geweint, Joseph. Ich wusste nicht, was ich tun sollte.« Annie verschränkte die Finger ineinander und drückte sie zusammen, bis die Gelenke schmerzten.
»Dann stimmt es also nicht? Wir treffen Entscheidungen immer noch gemeinsam?«
Sie hörte eine winzige Andeutung von Hoffnung in seiner Stimme mitschwingen, obwohl sein Gesichtsausdruck nichts preisgab. Wie immer. Sie hatte sich schon am Anfang ihrer Beziehung geschworen, nie wieder mit Joseph Poker zu spielen, nachdem er einmal sämtliche Einsätze eingestrichen hatte, nur um ihr dann das Geld unters Kopfkissen zu legen. Ihm ging es nicht ums Geld. Gewinnen, das war seine Droge.
»Es ist nicht so, dass ich nicht vorhabe umzuziehen, aber jetzt . ich kann einfach nicht. Ich kann sie nicht im Stich lassen.« Annies Lippen zitterten. Sie holte tief Luft. »Aber das ist trotzdem immer noch unsere Entscheidung.«
»Das ist eine Lüge, denn du hast sie ja schon getroffen und jetzt bist du hier, um mir zu sagen, was wir tun werden, anstatt erst mit mir darüber zu sprechen.« Er klappte den Kofferdeckel zu. »Es war von vornherein klar, dass ich nicht in die Entscheidung miteinbezogen werde, nicht wahr?«
»Du wirst sehr wohl miteinbezogen.« Annie wand sich innerlich. Joseph hatte nämlich recht - sie hatte die Entscheidung ohne ihn getroffen. Eine Entscheidung, die sie beide betraf. Die von beiden einen Verzicht forderte.
»Und ich habe mir eingebildet, es gäbe nur uns beide. Dabei bin ich hier anscheinend nur das fünfte Rad am Wagen.«
»Nein, bist du nicht.« Sie drückte die Finger an die Schläfen und massierte sie kreisförmig, denn der Schmerz hatte sich von einem dumpfen Pulsieren in ein unerträgliches Pochen verwandelt. »Ich liebe dich.«
»Warum hast du dann nicht mit mir geredet?« Sein verletzter Gesichtsausdruck schnitt ihr ins Herz. »Wir wollen morgen abreisen. Ich habe meinen Job aufgegeben. Was erwartest du? Dass ich wieder zurückgehe und sage >Äh, sorry, tut mir...
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