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Alba im Piemont, 1971. Längst hat Francesca Milani das Café Alba mit ihren Haselnuss-Schokoladen-Kreationen zu einem überregional erfolgreichen Unternehmen gemacht. Nun steht ihre Tochter Isabella mit einem Diplom in den Startlöchern und will die süßen Köstlichkeiten des Cafés international anbieten - schneller als Francesca lieb ist. Während in der wohlduftenden Backstube Pralinen nach einer verheißungsvollen neuen Rezeptur entstehen, taucht plötzlich ein mysteriöses Dokument auf, dessen Veröffentlichung den Ruin des Cafés bedeuten würde. Als überdies ein guter Freund zum Verräter wird, bleibt den beiden Frauen nur eines: mit einem sorgfältig ausgetüftelten Plan gemeinsam über sich hinauszuwachsen ...
Alba, September 1971
Das große Haus in der Via Rattazzi, in dessen Erdgeschoss sich das berühmte Café Alba befand, war erfüllt von aufgeregten Stimmen. Francesca Milani trat auf die Terrasse, auf der heute ausnahmsweise keine Gäste saßen. Sie betrachtete das altehrwürdige Gebäude mit der hellgrünen und beigen Fassade, das inzwischen seit über fünfundzwanzig Jahren ihr Zuhause war. Die grün-weiß gestreiften Markisen wehten im sanften Spätsommerwind, und in den großen Schaufenstern, die über Eck lagen, waren Liköre, Pralinen, Kuchen und Kekse ausgestellt.
Die Pasticceria hatte zwei Eingänge, der eine führte in das Café, der andere in den Verkaufsraum. Francesca war stolz darauf, dass die Konditorei auch heute noch das erste Haus am Platz war. Die traditionellen Kuchen, liebevoll gestalteten Torten und das köstliche Kleingebäck waren im ganzen Piemont bekannt. Nicht zuletzt die Atmosphäre des Cafés lockte Touristen ebenso an wie Einheimische aus Alba und den umliegenden Dörfern, und vor allem in den Sommermonaten waren immer sämtliche Tische draußen besetzt.
Nur heute nicht, denn heute wurde gefeiert! Francescas Tochter Isabella hatte ihr Studium der Betriebswirtschaft in Pisa als Beste ihres Jahrgangs abgeschlossen und kehrte nun nach Alba zurück, wo sie fortan im Familienbetrieb, der Azienda Milani, mitarbeiten würde. Nachdem gestern in der Universität die offiziellen Feierlichkeiten stattgefunden hatten, veranstaltete Francesca heute eine Überraschungsparty für sie. Zudem war Isabella vor einer Woche, am vierten September, dreiundzwanzig geworden - ein weiterer Grund, um zu feiern.
Francesca überlegte, ob sie Luftballons am Eingang aufhängen sollte. Allerdings würde Isabella dann bei ihrer Ankunft wohl etwas ahnen, und sie sollte schließlich überrascht werden. Also entschied sie sich dagegen und ging wieder hinein ins Café, in dem es nach Kaffee, Schokolade und gerösteten Haselnüssen duftete. Sie strich sich eine Haarsträhne zurück. Seit einigen Jahren trug Francesca eine moderne Pagenkopffrisur, die sie immer wieder vor Herausforderungen stellte. Ihre Locken waren schwer zu bändigen, und es kostete sie jeden Morgen einiges an Zeit, sie glatt zu föhnen. Aber das war es wert, denn der Haarschnitt ließ ihre hohen Wangenknochen und den langen, schlanken Hals gut zur Geltung kommen.
Francesca sah auf ihre Armbanduhr. Es war fast zwei Uhr - noch fünf Stunden, bis die Gäste eintreffen würden. Isabella sollte etwas später wieder in Alba sein. Damit sie von den Festvorbereitungen nichts mitbekam, hatte am Morgen ihr Onkel Roberto, Francescas ältester Bruder, sie abgeholt und nach Monchiero gebracht.
In dem kleinen piemontesischen Dorf, das etwa 25 Kilometer entfernt lag, lebten ihre Eltern auf einem Weingut. Dort war Francesca aufgewachsen, bis sie 1946 mit sechzehn Jahren nach Alba gekommen war, um dort eine Stelle als Hausmädchen bei den Milanis anzutreten. Das blieb sie jedoch nicht lange, denn deren Sohn Matteo und sie verliebten sich ineinander. Und mit der Heirat wurde sie zu einem Mitglied der Familie.
Francescas Wangen glühten vor Aufregung, als sie den Flur hinter dem Café betrat und die Treppe hinauf in die Wohnung der Milanis stieg. Ihre Schwiegermutter Carla und Ida, die Haushaltshilfe, waren schon seit Stunden in der Küche beschäftigt. Der Duft von Knoblauch, Zwiebeln, Petersilie und Tomaten empfing sie, als sie die Tür öffnete. Ihre Schwiegermutter nahm gerade ein Blech mit gebackenen Paprikahälften aus dem Ofen, aus denen sie die Antipasti zubereiten würde. Sie stellte es neben dem Herd ab und begann damit, Knoblauchzehen zu schälen. Seit ihre Köchin Antonella vor einem halben Jahr im Alter von fast neunzig Jahren gestorben war - ein schwerer Schlag für die Familie -, hatte Carla das Kochen übernommen. Es schien, als würde es sie über den Tod ihrer mütterlichen Freundin hinwegtrösten, wenn sie Antonellas Gerichte nun selbst zubereitete.
»Ich würde gerne mal auf den Mond fliegen«, sagte Carla gerade zu Ida. »Und jetzt haben sie ja auch noch Autos da oben. Ich sage dir, in ein paar Jahren gibt es bestimmt richtige Städte da.«
»Meinen Sie, Signora?« Ida schüttelte heftig den Kopf, während sie ein Weißbrot in Scheiben schnitt. »Die Luft müssen die Astronauten ja jedes Mal mitbringen. Das Problem mit dem Sauerstoff müsste erst gelöst werden, bevor sich da Menschen ansiedeln. Vielleicht finden die eine Möglichkeit, Atemluft herzustellen, oder so.«
»Ja, du hast recht«, Carla begann den Knoblauch zu hacken. »Vor zehn Jahren hat niemand geglaubt, dass überhaupt mal jemand auf dem Mond spazieren gehen würde, und inzwischen fliegen sie andauernd hoch.«
»Ich finde es beeindruckend, was die Wissenschaft alles fertigbringt«, mischte sich Francesca in die Diskussion ein. »Und wir haben unsere eigene Wissenschaftlerin in der Familie.«
Sofort legte sich ein zärtlicher Zug auf Carla Milanis Gesicht, wie immer, wenn es um ihre Enkelin ging. »Oh ja! Wir haben vielleicht keine Astronautin, aber ich traue Isabella durchaus zu, dass sie eines Tages auf die Idee kommen könnte, zum Mond zu fliegen.«
»Definitiv«, lachte Francesca.
»Wir haben die erfolgreichste Betriebswirtschaftsabsolventin der Uni Pisa des Jahres 1971!«, rief Carla und strich sich über die orange-blau gemusterte Kittelschürze, die sie über dem langen schwarzen Rock und einer grauen Spitzenbluse trug. Die einst dunklen Haare, die sie wie immer hochgesteckt hatte, waren inzwischen weiß geworden, was jedoch ihre nach wie vor vornehme Erscheinung nur noch mehr betonte. Sie war ein wenig fülliger geworden in den letzten Jahren, aber es stand ihr gut, wie Francesca fand.
»Wo ist Isabella eigentlich?« Carla rieb sich mit dem Handrücken über die Stirn, holte das Blech mit dem Gemüse und stellte es auf den Küchentisch.
»Roberto hat sie heute Morgen abgeholt, sie verbringt den Tag in Monchiero bei meiner Familie.« Francesca zwinkerte Ida zu, die inzwischen dabei war, die Barchette con crema al salmone zuzubereiten, mit Lachscreme bestrichene kleine Brotscheiben. »Wir haben ihr gesagt, dass meine Eltern sie schrecklich vermissen und unbedingt wiedersehen möchten. Und nachher bringt Roberto auch meine Eltern mit. Wir wollen sie alle zum Essen einladen.«
Ida kicherte. »Sehr geschickt.«
»Das heißt, Isabella weiß nicht, dass es eine Feier geben wird«, murmelte Carla und schüttelte den Kopf. Sie war von Anfang an skeptisch gewesen, als Francesca ihr davon erzählt hatte, Isabella mit einem großen Fest zu überraschen. »So hat sie nicht einmal die Möglichkeit, sich umzuziehen«, sagte sie. »Also, ich würde unbedingt vorher wissen wollen, wenn Gäste kommen. Man muss sich doch zurechtmachen können. Daran hast du wohl gar nicht gedacht, oder?«
Francesca unterdrückte ein Seufzen und wunderte sich, dass es sie immer noch traf, wenn Carla sie kritisierte. Ihre Schwiegermutter war selten einer Meinung mit ihr und hielt mit ihrer auch nicht hinter dem Berg.
Schnell verdrängte sie die unliebsamen Gedanken, schließlich war sie in die Küche gekommen, um den beiden zur Hand zu gehen. Also wandte sie sich ab und nahm die große Schüssel mit dem inzwischen abgekühlten Reis, aus dem sie Arancini zubereiten wollte, kleine Reisbällchen, die mit unterschiedlichen Füllungen wie gehacktem Fleisch, Gemüse oder Käse versehen wurden.
»Wir wollen, dass Isabella die Feier genießen kann. Hätten wir ihr vorher davon erzählt, hätte sie darauf bestanden, uns bei den Vorbereitungen zu helfen«, verteidigte sich Francesca trotzdem und ärgerte sich zugleich darüber. Warum ließ sie ihre Schwiegermutter nicht einfach reden? »Ich bin so stolz auf meine Tochter«, wechselte sie rasch das Thema. »Sie hat tatsächlich als Beste des Jahrgangs ihr Studium abgeschlossen!« Francesca musste an die Übergabe der Zeugnisse in der Universität denken. Am Vortag war sie gemeinsam mit Carla und Aurelio, ihrem langjährigen Lebensgefährten, nach Pisa gefahren, wo sie im großen Hörsaal gesessen und erlebt hatte, wie ihre Tochter vorne auf der Bühne ans Pult getreten war. Als Jahrgangsbeste hatte Isabella eine Rede gehalten, und Francesca konnte sich nicht vorstellen, dass jemals eine Mutter beeindruckter von ihrer Tochter gewesen wäre als sie in diesem Moment. Vollkommen selbstsicher hatte Isabella dort oben gestanden und geredet.
»Und dann noch in so einem schwierigen Fach.« Ida machte eine Pause und sah auf. »Betriebswirtschaftslehre.« Sie nickte anerkennend und widmete sich dann wieder ihrer Lachscreme. »Ich sage euch, wenn jemals ein Mensch aus Alba auf den Mond fliegt, dann Isabella.«
»Oh, das würde ich aber dann doch nicht wollen«, rief Carla erschrocken. »Ich würde sterben vor Angst. Obwohl Isabella es bestimmt schaffen würde. Sie ist das mutigste und klügste Mädchen, das ich kenne.«
Francesca musste lächeln. Isabella war schon längst kein Mädchen mehr, doch für ihre Nonna würde sie es wohl immer bleiben.
Sie sah zu Ida hinüber. Ida und sie waren ähnlich alt, Francesca war einundvierzig, Ida wurde bald neununddreißig. Damals, als Francesca mehr und mehr in der Backstube mitgeholfen und nicht mehr ihrer Tätigkeit als Hausmädchen hatte nachgehen können, war Ida ins Haus gekommen. Später war sie acht Jahre nicht bei den Milanis gewesen, weil sie geheiratet und kurz hintereinander zwei Kinder geboren hatte. Doch vor drei Jahren war ihre jüngere Tochter eingeschult worden, und Ida hatte sich bei Francesca erkundigt, ob sie...
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