Schweitzer Fachinformationen
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Ein Schatten fiel über mich. Die Wärme der Morgensonne, die zuvor noch durch das Fenster auf mein Gesicht gefallen war, verschwand. Ich blinzelte. Im Halbschlaf erkannte ich zuerst nicht, was mir die Sonne genommen hatte. Doch dann sah ich das Gesicht vor mir. Es war hübsch und umgeben von langen Haaren, die einen sanften Duft verströmten.
»Wie wäre es, wenn du aufstehst?« Die Frage hallte unangenehm in meinem Kopf nach. Zu viel Wein. Viel zu viel Wein. Und Vanessa, natürlich. Die gemeinsame Nacht. Langsam erinnerte ich mich. Warum mussten Liebe und Wein nur so oft Hand in Hand gehen? Beides brachte nur Kopfschmerzen am Morgen.
»Hmmpf .«, grummelte ich.
Langsam kam ich zu mir. Ein Gefühl von Erleichterung und Freude, als ich sah, wer mich geweckt hatte. Es war Elena. Sie stand vor mir am Bett und schaute mich an.
Scham stieg in mir auf. Wo war Vanessa? Ich war nackt, wenn auch komplett in meine Bettdecke eingehüllt. Ich setzte mich auf. Vanessa war nicht da. Elena musterte mich mit einem Blick, von dem ich nicht wusste, ob aus ihm Belustigung oder Missfallen sprach.
Ich rieb mir müde über das Gesicht. »Was machst du hier?«
»Wir haben zu tun!«
»Du kannst nicht einfach so hier reinmarschieren!«
»Warum nicht?«
»Weil . weil . das geht nicht!«
»Ich mache das Frühstück. Ich warte auf der Terrasse.«
Und weg war sie.
Anscheinend konnte hier tatsächlich jeder neuerdings so rein- und rausspazieren, wie es ihm passte, egal, wie ich darüber dachte. Und jeder machte ganz offensichtlich ausgiebig Gebrauch davon. Ich seufzte. Was nützte es, wenn ich mich jetzt darüber aufregte? Ich erhob mich und schleppte mich unter die Dusche.
Auf meinem Handy war eine Nachricht von Vanessa. Sie war auf dem Weg nach Saragossa und kam in zwei Tagen zurück. Sie schrieb, dass sie mich jetzt schon vermisste. Und schickte mir dazu zwei Herzchen. Ich wusste nicht so recht, was ich antworten sollte.
Die Nacht war wundervoll gewesen. Aber das machte die Sache nicht besser. Ich liebte sie nicht. Wann würde ich das endlich zugeben können? Ich sendete ihr ein Herzchen und einen Kuss und hoffte, dass es reichen würde. Für den Moment.
Ich duschte ausgiebig und ging nach unten zu Elena. Das Frühstück stand auf der Terrasse. Tortilla. Diesmal ganz klassisch nur mit Zwiebeln. Dazu frisches Brot. Anchoas. Käse. Etwas Weißwein, einige Oliven und gesalzene Mandeln.
Wir aßen. Zuerst schweigend. Dann schaute sie mich an und fing an zu lachen. Einfach so. Ich stutzte zuerst und wunderte mich. Wusste sie irgendetwas, das ich nicht wusste? Aber dann wurde mir klar, dass sie einfach lachte, weil sie ein junges Mädchen war. Junge Mädchen lachten nun mal gerne. Wir alten Säcke vergaßen das irgendwann.
Sie lachte, weil sie hier bei mir war, zusammen mit einem guten Frühstück auf einer Terrasse am Meer. Das Mädchen hatte wahrscheinlich einige weitaus üblere Orte in den letzten Jahren gesehen. Also lachte sie. Und ich stimmte in ihr Lachen mit ein, schob ihr das Brot entgegen, das sie dick mit Tortilla belegte und dann mit viel Energie verspeiste.
Wir aßen, und es fühlte sich gut an. Das Meer schimmerte vor uns in einem sanften Blau, und die Palmen in meinem Garten wiegten sich leicht im Wind.
»Und?«, fragte Elena schließlich.
»Was >und<?«, antwortete ich, obwohl ich natürlich wusste, worauf sie hinauswollte.
»Na, die Polizei. Gestern.«
»Es sieht so aus, als hätten wir einen Fall!«, sagte ich, und sie lehnte sich zurück. Sie wirkte erleichtert. Verletzt von der Wahrheit, weil es bedeutete, dass sehr wahrscheinlich jemand ihre beste Freundin umgebracht hatte. Aber dennoch erleichtert, weil sie nun wusste, dass sie sich das alles nicht nur eingebildet hatte.
»Hilfst du mir?«, fragte sie.
Ich nickte. »Wir werden ihn finden. Wenn es einen Mörder gibt, wird er dafür bezahlen, was er Sofía angetan hat.«
Sie schaute zur Seite. Und weinte. Tränen aus Schmerz und Erleichterung. Ich ließ sie, schaute über das Meer hinaus.
Irgendjemand hatte ein junges Mädchen umgebracht und dem Mädchen, das nun hier vor mir saß und weinte, dadurch ebenfalls großes Leid zugefügt. Dafür würde er bezahlen.
Ich schob Elena eine Serviette und noch etwas Wein hin.
Sie nahm beides und schaute mich an. »Danke«, sagte sie, wischte sich die Tränen ab und nahm einen Schluck aus dem Glas.
Ich nickte. »Fangen wir an.«
Ich hatte eine alte Pinnwand im Abstellraum gefunden und im Wohnzimmer aufgebaut. Elena stöberte in ihrem Handy nach Fotos von Sofía. Sie hatte eines davon an meinen Computer geschickt und dort ausgedruckt. Nun hing das Bild von Sofía in der Mitte der Pinnwand, und wir standen davor.
»Das hier ist Arbeit, Elena. Das ist dir doch sicher klar, oder?«
Elena nickte. Sie wirkte ernst.
»Polizeiarbeit«, sagte ich, und wieder nickte Elena. »Also gut, fangen wir an. Das Erste, nach dem du suchen musst, wenn du ein Verbrechen aufklären willst, ist was?«
Elena hob die Schultern und sagte: »Fingerabdrücke?«
»Nein. Aber ein guter erster Versuch. Hast du einen zweiten?« Elena wirkte verlegen, und ich wollte es ihr nicht zu schwer machen. »Denk nach. Was machen wir hier?«
»Den Mord an Sofía aufklären.«
»Und was haben alle Morde gemeinsam?«
»Ein Motiv!«
»Richtig. Finde das Motiv, und du findest den Täter. Die erste und wichtigste Frage einer guten Ermittlung lautet daher immer: Was verbindet das Opfer und den Täter? Und diese Verbindung ist immer: das Motiv!«
Ich schrieb das Wort auf ein Blatt Papier, kreiste es ein und befestigte es unter dem Bild von Sofía auf der Pinnwand.
»Und jetzt bist du dran. Denn du kennst deine Freundin am besten. Wer könnte ein Motiv haben, Sofía umzubringen?«
»Ich weiß es nicht. Deswegen bin ich doch zu dir gekommen«, sagte sie.
»Was hast du gedacht? Dass ich den Mörder hier in einer Kiste unter einem Bett verstecke für den Fall, dass du bei mir vorbeikommst? Denk nach, Elena.«
»Mache ich doch .«
»Hat Sofía in den Tagen vor ihrem Tod mit dir gesprochen?«
»Natürlich. Wir haben jeden Tag gesprochen oder geschrieben.«
»Hatte sie in diesen Tagen, vor ihrem Tod, vor irgendjemandem oder irgendetwas Angst?«
»Ja. Vor ihrem Freund. Sie wollte Schluss machen. Er passte nicht mehr zu ihr. Und er ist, na ja . auch nicht ganz sauber, verstehst du?«
»Nein. Was heißt das?«
»Er dealt mit Drogen. Nicht im großen Stil oder so. Er vertickt halt. Mal hier, mal da.«
»Sag mal, habt ihr Mädchen auch vernünftigen Umgang?«
»Ich hab dir doch gesagt, dass wir früher etwas neben der Spur waren. Und die Jungs kennen wir noch von damals.«
»Es gibt auch vernünftige Jungs, weißt du das?«
»Ja, ja, ja . willst du mir jetzt eine Standpauke halten, oder finden wir den Mörder von Sofía, oder was?«
»Wie heißt ihr Freund?«
»Ricardo.«
»Okay, schreib ihn hier auf den Zettel.«
»Hast du ein Foto?«
Sie suchte in ihrem Handy. Ich sah, dass es ein ganz neues iPhone war. Das hatte sie gestern noch nicht. Zuerst wunderte es mich, doch dann erinnerte ich mich an das ganze Geld, das ihr Antonio gestern zugesteckt hatte. Anscheinend hatte Elena nicht lange gebraucht, um es auszugeben.
»Hier, das ist er«, sagte sie und hielt mir das Handydisplay hin.
»Ausdrucken!«, sagte ich.
Sie lief zum Computer und kam wenig später mit dem Bild wieder. Es zeigte einen typischen spanischen Straßenjungen: Anfang zwanzig, arrogant, durchaus attraktiv, aber verloren. Ich kannte diese Typen. Ich hoffte, dass Elena und ihre Freundinnen mir nicht noch mehr von dieser Sorte anschleppten. Das würde ich auf Dauer nicht ertragen.
Ich deutete auf die Pinnwand, und Elena heftete das Bild unter das Blatt, auf dem »Motiv« stand. Dann schrieb sie darunter: »Ex-Freund«.
Ich nickte ihr zu. »Sehr gut. Aus dir wird noch eine richtig gute Polizistin.«
Sie freute sich. »Meinst du?«, strahlte sie mich an. »Ich schaue das immer im Fernsehen. Versuche zu lernen.«
»Sehr gut. Überlegen wir mal: Welches Motiv könnte ihr Freund haben, sie umzubringen?«
»Eifersucht. Er hat sie immer genervt. Wegen anderen Typen und so.«
»Hat er sie geschlagen?«
»Nicht wirklich. Er hatte zu viel Angst vor ihren Brüdern. Von einer Ohrfeige weiß ich. Aber richtig verprügelt hat er sie nie. Das hätte er sich nicht getraut.«
»Auch nicht nach einem richtigen Streit? Oder wenn sie Schluss macht oder fremdgegangen wäre?«
»Hm. Dann vielleicht schon. Dem geht schon mal die Sicherung durch. Prügelt sich oft. Typischer Scheißkerl.«
»Traust du ihm zu, dass er sie umgebracht haben könnte?«
»Weiß nicht. Vielleicht, wenn er wirklich, wirklich wütend wird. Ja, dann schon.«
»Könnten seine Drogengeschäfte irgendetwas mit ihrem Tod zu tun haben?«
»Kann schon sein. Aber eigentlich dreht er kein großes Rad. Er ist eher so Gelegenheitsdealer. Macht ein bisschen Geld und gibt dann alles wieder aus. Ein totaler Versager.«
»Hatte sie einen anderen Jungen nebenbei? Einen Geliebten oder einen neuen Freund, für den sie ihn vielleicht verlassen wollte?«
»Nein. Sie wollte einfach ihre Ruhe haben. Sie hatte vor, sich auf ihr Praktikum und die Schule zu konzentrieren. Außerdem war sie ihn leid. Er war ständig eifersüchtig.«
»Auf wen war er eifersüchtig?«
»Auf alle. Ein Blick reichte, und der Streit ging los. Der tickt nicht ganz sauber....
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