Schweitzer Fachinformationen
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Penny Lanz hörte das nervtötende Piepsen des Weckers und stöhnte. Ihre Hand suchte den Störenfried, fand ihn und schaltete ihn aus. Dann versank sie wieder in Tiefschlaf.
Eineinhalb Stunden später kitzelten Sonnenstrahlen ihr Gesicht. Langsam wachte sie auf. O Gott! Ihr Schädel dröhnte. Nicht schon wieder Föhn! Mühsam richtete sie sich auf, ihre Füße schlüpften in die Hauspantoffeln. Sie stolperte ins Badezimmer. Das aufflackernde Neonlicht schmerzte in den Augen. Im Spiegelschrank suchte sie die Tabletten. Eine Tube und eine Medikamentenschachtel fielen zu Boden, bevor sie endlich die Glasverpackung mit den Kopfschmerztabletten fand. Unfokussiert wie sie war, schüttete sie viel zu viele Pillen auf ihre Handfläche. Egal! Die rechte Hand tastete nach dem Zahnputzbecher. Zum Glück war noch etwas Wasser von gestern Abend drinnen. Damit spülte sie drei Tabletten runter. Die restlichen deponierte sie am Waschbeckenrand, bevor sie zurück ins Schlafzimmer taumelte und sich ins Bett fallen ließ. Ich muss in der Dienststelle anrufen . ich muss in der Dienststelle anrufen . hämmerte es in ihrem Kopf. Eine Viertelstunde döste sie vor sich hin, dann begannen die Tabletten zu wirken. Wankend stand Penelope Lanz auf, tapste ins Vorzimmer zur ihrer Handtasche, kramte, fand endlich das Handy und wählte die Dienststelle.
"Dirnberger."
"Chef, ich bin's. Penny. Mir geht's net gut."
"Um Gottes willen, was is denn?"
"Föhn ."
"Ah ja! Ich versteh ."
"Ich hab Tabletten eing'worfen und komm jetzt dann. Tut mir leid ."
"Passen S' aber beim Autofahren auf. Ich möchte nicht, dass Ihnen was g'schieht."
"Ich pass schon auf. Danke ."
Eineinhalb Stunden später parkte Penny Lanz ihren Mini vor der Dienststelle der Sonderkommission am Wiener Donaukanal. Die Kopfschmerzen hatten sich zurückgezogen, sie drückten jetzt nur noch ein bisschen im Hinterkopf. Als sie ausstieg, fegte eine so heftige Böe des Föhnsturms über den Donaukanal, dass sie fast umgerissen worden wäre. Mit wehender blonder Mähne und flatternder Lederjacke flüchtete sie sich in die Wache.
"Morgen ."
Keine Menschenseele antwortete. Sie stellte ihre Handtasche auf den Schreibtisch und begab sich in Dirnbergers Büro. Als der Oberst sie sah, fragte er besorgt: "Sie sind schon da? Ich hab erst zu Mittag mit Ihnen gerechnet."
"Es geht schon ."
"Sind Sie wirklich okay?"
"Ja ."
"Gut. Dann schau'n Sie bitte in die Engerthstraße 99?-?109. Das ist ein riesiger Gemeindebau. Dort hat man auf der Dreier Stiege a weibliche Leiche gefunden. Noch is unklar, ob's a natürliche Todesursache gibt oder net. Ich hab den Wohlfahrt und die Frau Dr. Beck hingeschickt. Es wär mir sehr recht, wenn S' die beiden Kollegen vor Ort unterstützen könnten."
"Wo sind der Helmuth und der Carl?"
"Unten im Prater beim Wiener Hafen. Da is eine verstümmelte Leich g'funden worden. Wahrscheinlich a Chinese. Ich hab die beiden plus Wohlfahrt und Beck in der Früh dort owe7 g'schickt. Jetzt müssten aber Wohlfahrt und Beck schon in der Engerthstraße sein ."
"Ist gut! Bin schon unterwegs ."
*
"Des war a Kettenraucher ."
"Der Chinese?"
"Nein. Der, der ihn hamdraht hat."
"Hamdraht?"
"Gekillt hat. Hearst, Carl! Das hast doch schon hundert Mal g'hört!"
"Daheim ist für mich kuschelig, angenehm, friedlich. Sich heimdrehen und dann tot sein - nee. Da sperrt sich mein Unterbewusstsein."
"Wir Wiener sind halt dem Himmel sehr nah ."
Die Gerichtsmedizinerin Dr. Beck warf trocken ein: "Am Oberkörper von dem Asiaten sind etliche Zigaretten ausgedämpft worden."
"Sag ich ja! Der, der das g'macht hat, war a Kettenraucher .", insistierte Helmuth Nowak.
"Gefoltert. Armes Schwein. Hab so was zuletzt am Balkan gesehen."
"Der Balkan beginnt am Rennweg. Das hat schon der Metternich8 g'sagt", brummte Nowak. Carl Ribarski stand auf, schüttelte unwillig den Kopf und versuchte, die unangenehmen Erinnerungen an seinen Balkaneinsatz zu verjagen. Dr. Beck, die Gerichtsmedizinerin, stand ebenfalls auf und schnaufte: "Wahrscheinlich hat er noch andere Folterspuren . Ich schau mir das heute am Nachmittag genau an. Aber jetzt muss ich gehen. Der Oberst hat mich angerufen. Es gibt noch eine Leiche. In der Engerthstraße."
"Franziska, du kannst mit mir mitfahren! Ich muss ja auch in die Engerthstraße." Franz Wohlfahrt, der Kriminaltechniker, packte hektisch seine Sachen zusammen. "Hier hab i eh alles erledigt. Die Reifenspuren vorne am Zufahrtsweg und dann die Schleifspuren der Leiche hierher. Sonst hab i nix g'funden. Leider hat der Täter kein Taschentüchl und auch keinen Ausweis verloren."
Damit eilte er zu seinem Wagen, einem alten Volvo Kombi. Nowak starrte die Leiche an und brummte: "Wenn net zufällig ein Jogger hier Pipi g'macht hätte, wär die Leich in dem Buschwerk da vielleicht erst in ein paar Wochen entdeckt worden ."
"Und dann hätten wir auch keine Reifenspuren oder sonst etwas gehabt. Ich liebe Jogger. Was täten wir ohne sie?"
"Das kann ich dir schon sagen: Wir würden in der Dienststelle sitzen und gemütlich Kaffee trinken."
"Glaub ich nicht. Da wären wir jetzt schon bei der anderen Leiche in der Engerlingstraße."
"Engerthstraße, Carl. Engerthstraße!"
"Das ist doch dasselbe, Mensch. Komm, lass uns nachsehen, ob der China Boy im benachbarten Hafen jemandem abgeht."
Es stank. In der Stiege 3, des Janecek Hofs, in der Engerthstraße 99-109, stank es. In jedem Stockwerk anders. Im Erdgeschoss nach Lammeintopf und mächtig viel Kreuzkümmel, im ersten Stock nach Kohl und im zweiten dann nach Verwesung. Augenblicklich begannen sich Pennys Kopfschmerzen mit eindrücklichem Hämmern zurückzumelden. Die Gruppeninspektorin musste kurz innehalten, sie schloss die Augen, strauchelte und wurde von kräftigen Armen aufgefangen.
"Hoppala! Aufpassen, gnä' Frau!" Und nach einer kurzen Pause: "Sie sollten da net weitergehen. Da fäult's9 fürchterlich. Da liegt a verweste Leich drinnen. Kommen S' in zwei Stunden wieder, dann is das alles weggeräumt."
Penny schlug die Augen auf und schaute in das breite Gesicht einer Polizistin, deren weißblond gefärbtes Haar kurz geschnitten war und keck unter der Uniformmütze hervorblitzte. Penny bemühte sich, alleine auf ihren wackligen Beinen zu stehen und registrierte, dass die kräftigen Arme der Weißblonden gehörten.
"Geht's wieder?"
Penny nickte, kramte ihren Dienstausweis aus der Lederjacke und stammelte: "Gruppeninspektorin Lanz, Sonderkommission. Mein Chef hat g'meint, ich soll mir das da anschauen."
Die weißblonde Polizistin ließ Penny vorsichtig los und reichte ihr ein frisches Stofftaschentuch.
"Da! Nehmen S' das. Die Alte da drinnen fäult, das is ka Bemmerl10."
Dankbar nahm Penny das Taschentuch der Kollegin, presste es vor Nase und Mund und betrat die Wohnung. Ihre erste Erkenntnis: Die Bewohnerin war ein Messi. Mannshohe Stapel Zeitungen sowie Unmengen von leeren Zigarettenpackungen ließen keinen anderen Schluss zu. Letztere befanden sich in unzähligen Plastiksackerln11, Obst- und Gemüsekartons. Penny kämpfte sich durch die vollkommen zugemüllte Küche in das einzige Zimmer vor und erschrak. Auf dem Boden lagen zusammengekrümmt die Reste einer alten Frau. Das Gesicht ziemlich verwest, der Bauch aufgebläht von Fäulnisgasen, daher der Gestank. Penny hörte Schritte hinter sich, Franz Wohlfahrts Stimme erklang.
"Ja, was hamma denn da Schönes?"
Penny zuckte zusammen. Der Kriminaltechniker legte ihr beruhigend die Hand auf die Schulter und fuhr fort: "Hast du's g'sehn? Ja? Na, dann kannst ja gehen. Das hier ist mein Job. Du kriegst die Fotos und alles, was wir am Tatort finden, sauber zusammengestellt und aufgelistet."
"Hallo Penny! Franz hat Recht. Quäl dich nicht. Das hier ist unser Job."
Lanz drehte sich um und grinste die Gerichtsmedizinerin gequält an: "Danke, Franziska. Das ist lieb. Von euch beiden . Danke Franz."
"Is schon gut! Und jetzt geh bitte. Draußen is heute ein wirklich schöner Tag!"
"Ein schöner Tag .", Penny schüttelte den brummenden Kopf. Nein, ein schöner Tag war, wenn man keine Leiche aus Gammelfleisch zu inspizieren hatte. Penny blieb vor dem riesigen Gemeindebau stehen und sah unschlüssig die Engerthstraße hinauf und hinunter. Die Vögel zwitscherten, die Alleebäume zeigten die ersten Knospen, und Penny Lanz spürte plötzlich ein nagendes Hungergefühl. Normalerweise wurde so ein Hungeranfall während der Dienstzeit mit einer Leberkäs-Semmel12 ruhiggestellt. Doch heute grauste ihr davor. Alleine, sich den Geruch von Leberkäse vorstellen zu müssen, verursachte ihr schon Gänsehaut. An diesen Föhntagen war eben nichts wie sonst. Und weil nichts wie sonst war, beschloss Penny die Engerthstraße zu überqueren und in das Beisl vis-à-vis zu gehen. Jetzt ein herzhaftes Gulasch und ein kleines Bier! Das würde helfen. Da es zwanzig Minuten vor zwölf war, bekam sie in der kleinen Gaststube gerade noch einen Sitzplatz an einem Tisch, an dem bereits ein bulliger Kerl hockte. Die resolute Kellnerin setzte die...
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