ZUTATEN FÜR EINE GRUPPE
Meine Hunde, auch unsere Hundegäste, leben mit uns im Haus und nehmen am Familienalltag teil. Wir leben in einer Gemeinschaft und fühlen uns wohl im Miteinander.
»Wo keine Gemeinschaft ist, da kann auch keine Freundschaft sein.«
Platon
Die Hunde sind die Gruppenmitglieder, wobei das DogTeam nicht zu groß sein sollte, nur so können sich alle Hunde miteinander austauschen und untereinander soziale Beziehungen knüpfen. Der Mensch übernimmt die Aufgabe, die Gruppe zu leiten, denn auch eine Hundegruppe braucht einen Gruppenleiter - ich möchte es "Leitmensch" nennen. Er definiert Normen, Werte und Tagesabläufe und etabliert ein Regelwerk, bei dem sich die Hunde in einem gesunden Maß einbringen können. Darüber hinaus wird eine eigene Gruppenkultur geschaffen, die den Alltag für alle "Angehörigen" passend strukturiert. Jeder kennt jeden und ist sich des anderen bewusst. Über den sozialen Austausch werden unterschiedliche oder auch gleiche Interessen sowie individuelle Aufgaben gefunden.
In meiner Gruppe kann ich Whippet Elsa dabei beobachten, wie sie rasend schnell große Bögen rennt, während Schäferhund Wolfi, typisch Hütehund, sie am liebsten auf der Stelle halten würde. Er setzt ihr also nach, um sie zu begrenzen. Während des "Fangspiels" gehen beide ihren rassetypischen Interessen nach. Dabei erfüllen beide eine Aufgabe, die sie jeweils zufriedenstellt.
Die innerhalb der Gruppe ablaufenden sozialen Interaktionen sind für mich immer wieder aufs Neue spannend zu beobachten. Die Gruppe schafft Vertrautheit, es werden Freundschaften aber auch Konflikte ausgetauscht.
Der Mensch leitet seine Hunde im Miteinander an.
Ein weiteres Beispiel: Wolfi weiß, dass Elsa mitten im "Fangspiel" umdreht, sich ihm entgegenstellt, um ihn fest in die Lefze zu beißen. So kann sie sich gegen den größeren Rüden positionieren. Schon während sie wendet, weicht Wolfi aus, natürlich nicht, ohne sich gleichzeitig lautstark zu beschweren. Elsa weiß, dass ich aufgrund Wolfis nicht zu überhörender Beschwerde eingreife und die Situation in ihrem Sinne löse. Wolfi ist das auch recht, denn wer hat schon gern einen Whippet in der Lefze hängen? Beide Hunde interagieren unter meiner Aufsicht. Sie wissen, dass ich sie jeweils schütze und was sie vom anderen in bestimmten Situationen zu erwarten haben.
Dieses Wissen ist nichts anderes als eine Erwartungssicherheit, die für die Hunde, genauso wie für ihren Leitmenschen, auf den in und mit der Gruppe gemachten Erfahrungen basiert.
MENSCH + HUNDE = HUNDEGRUPPE
Der Hundehalter und seine Hunde bilden eine Gruppe. Sie setzt sich folgendermaßen zusammen:
1. Gruppenleiter = Leitmensch (der Hundehalter)
- Er ist Orientierungspunkt (Vertrauensperson),
- steuert Kommunikation, verwaltet die Ressourcen und etabliert die GRUPPENREGELN.
2. Gruppenmitglieder = Hundegruppe (die Hunde)
- Die Mitgliederanzahl ist begrenzt, so ist ein sozialer Austausch zwischen allen möglich.
- Eine Gruppe schafft Vertrautheit und Zugehörigkeit ("Wir-Gefühl").
3. Regelwerk = Strukturen für den Alltag
- Es wird über eine verständliche Kommunikation etabliert.
4. Gruppenziel = Sicherung der Gruppenexistenz
- Nach innen harmonisch zusammenleben.
- Nach außen eine Gemeinschaft beziehungsweise eine geordnete Einheit abbilden.
Alle verbindet das Bedürfnis nach Zugehörigkeit.
RUDEL ODER GRUPPE
Bleiben wir zunächst bei der Definition des Begriffes "Gruppe". Müssten wir nicht von einem Rudel sprechen, wenn wir an mehr als einen Hund denken? Nein, nicht wirklich, denn ein Rudel ist ein Familienverbund, sprich Eltern- und Jungtiere. Halten wir mehr als einen Hund, sind diese jedoch meist zusammengewürfelt: unterschiedliche Elterntiere einer oder verschiedener Rassen. Wölfe beispielsweise leben im Rudel und bilden eine Familiengruppe. Ein Teil der Nachkommen verbleibt bei den Elterntieren.
Die anderen wandern ab, um Partner zu suchen und eigene Familien beziehungsweise Rudel zu gründen. Bei wild lebenden Haushunden konnte in Studien beobachtet werden, dass nicht der Familienverbund, sondern der Standort - das Territorium - für Nahrung, Fortpflanzungspartner und Sozialpartner beim Zusammenhalt solcher Gruppen die tragende Rolle spielt. Kommen Hunde in Großgruppen zusammen, bilden sich Untergruppen mit regelmäßigen Sozialkontakten und rudelähnlichen Strukturen, aber ohne die familiären Bindungen eines Wolfsrudels.
© Katharina Will
Hunde vergessen nicht: Meine Hundegäste erinnern sich bei jedem erneuten Urlaubsantritt an ihr Zugehörigkeitsgefühl.
IN GUTER GESELLSCHAFT
Im Duden findet sich folgende Definition zum Begriff Gruppenbildung: "Bildung, Entstehung einzelner Gruppen innerhalb einer größeren Gemeinschaft von Menschen oder Tieren."
Egal ob es sich nun um regelmäßige Hundetreffen, Spaziergänge in Hundebegleitung, Besuch in der Hundeschule oder andere ähnliche Zusammenkünfte handelt: In guter Gesellschaft gruppiert man sich gern! Innerhalb von Großgruppen bilden sich wiederum Gemeinschaften mit gemeinsamen Interessen, die als kleinere Einheiten entsprechend rege Sozialkontakte pflegen. Die mitgeführten Hunde eingeschlossen, denn auch sie bilden bei solchen Treffen situative Gemeinschaften mit den Hunden, deren Gesellschaft ihnen angenehm ist.
Wichtig: Dass der Hund außerhalb des Hauses gern Kontakte knüpft, impliziert noch lange nicht, dass er mit einem neuen Kumpel vergesellschaftet werden möchte.
»Bei der Wahl eines weiteren Hundes sollten Herz und Verstand zusammenkommen.«
Ursula Löckenhoff
In der Mehrhundehaltung trifft der Hundehalter die Entscheidung, welcher neue Vierbeiner die Gemeinschaft bereichern soll. Bevor wir nun - aus rationalen oder emotionalen Gründen - einen weiteren Hund aufnehmen, lohnt sich also die Überlegung: Wer harmoniert denn überhaupt mit unserem treuen Gefährten und tut man ihm einen Gefallen mit einem weiteren Hund?
© Ursula Löckenhoff
Windhunde brauchen Gesellschaft von Gleichgesinnten.
DAS KONSTRUKT DOGTEAM
Wie immer im Leben, ist nichts so einfach, wie es scheint. Wachsen Ihnen bei einem Hund schon graue Haare, sollten Sie sich gut überlegen, ob wirklich ein zweiter aufgenommen werden soll. Ein Hund, der die Probleme des ersten lösen muss, das kann kaum gehen. Und gleich zwei Hunde aufzunehmen, weil sie angeblich unzertrennlich sind, davon rate ich ebenfalls ab. In der Ruhe liegt die Kraft, und so sollte auch ein DogTeam langsam wachsen. Auf diese Weise lassen sich ausreichend Erfahrungen sammeln, und Sie können sich mit Ihrem Team weiterentwickeln. Und das sollte man wissen: Ausruhen ist fehl am Platz! Auch nicht, wenn man ein wunderbares Team aufgebaut hat, denn die Konstellationen innerhalb einer Hundegruppe sind nie starr - das Konstrukt DogTeam ist nie fertig. Gleichbleibende Mitglieder bieten eine gewisse Stabilität, aber auch hier bleibt es dynamisch. Allein die Alterungsprozesse bringen Umstrukturierungen mit sich. So werden in der Entwicklung einer Gruppe manchmal Phasen ausgelassen oder übersprungen oder die Gruppe fällt zurück und man fängt wieder von vorn an - egal wie, in jedem Fall ist der Einsatz des Leitmenschen gefordert. Regeln müssen aufgefrischt, Abläufe klarer eingehalten und der Einzelne eventuell in seiner Position gestärkt oder aber auch gemäßigt werden.
Deutlicher wird dies natürlich, wenn die Mitglieder häufig wechseln, beispielsweise bei der Aufnahme von Pflege- oder Gasthunden. Der Mensch trägt als Gruppenleiter die Verantwortung für die Hunde, die er sich vertraut gemacht hat. Bei weiteren Hunden werden bereits vorhandene Probleme nicht kleiner, das Gegenteil ist eher der Fall. Ein Zusammenleben mit mehreren Hunden sollte man sich also nicht verklärt romantisch vorstellen: Es ist anstrengend, erfordert Einsatz, ist abwechslungsreich und nie langweilig - man muss es leben wollen. Die Liebe zu jedem einzelnen der Hunde, kombiniert mit Führung und Struktur, lässt Vertrautheit und Gemeinschaftsgefühl in der Gruppe wachsen. Wenn der Einzelne zur Gemeinschaft gehören möchte, wenn er innerhalb der Gruppe ein harmonisches Miteinander und im Außenauftritt eine geordnete Einheit anstrebt, dann sichert er als Unterstützer des Leitmenschen das Fortbestehen der Gruppe. Hunde vergessen übrigens nicht. Habe ich mit meinen Gästen einmal dieses innige Band geknüpft, kann ich bei erneutem Gruppeneintritt genau an dieses Zugehörigkeitsgefühl wieder anknüpfen. Das ist jedes Mal aufs Neue berührend.
© Ursula Löckenhoff
Der Hundehalter ist verantwortlich für die Aufstellung seines DogTeams.
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