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Thomas Schüller
Der Beitrag von Thomas Schüller, Professor für Kirchenrecht in Münster (Westf.), weist gleich zu Beginn darauf hin, dass weder klar ist, was eine synodale Kirche genau ist, noch auch, in welcher Weise synodale Prozesse auf die konkrete Lehre der Kirche Einfluss nehmen können. Zur Klärung der Lage kann wohl beitragen, dass man zwischen Synoden im engeren Sinne, das sind Versammlungen von Bischöfen, und synodalen Organen im weiteren Sinn unterscheidet, welche zur Beratung der Bischöfe dienen. Nur bei Letzteren sind auch Laien wesentlich beteiligt, aber ob ihre Stimmen einen Einfluss haben, hängt von den Bischöfen ab. Ähnliches gilt für den "Synodalen Weg", der gerade in Deutschland läuft und dessen Beratungsergebnisse - wie der Autor befürchtet - keine Verbindlichkeit haben und daher am Ende nur der Beruhigung des Kirchenvolkes dienen könnten. (Redaktion)
Synodalität ist in aller Munde und das programmatische Schlüsselwort des laufenden Pontifikates. Franziskus wird nicht müde, die Synodalität als Weg der Kirche in das dritte Jahrtausend zu bezeichnen. Anlässlich des fünfzigjährigen Bestehens der Bischofssynode ist sie für ihn eine "konstitutive Dimension der Kirche selbst", da sie "eine synodale Kirche" befördert, die "eine Kirche des Zuhörens" ist. Damit ist nicht das bloße akustische Hören gemeint, sondern "ein wechselseitiges Anhören, bei dem jeder etwas zu lernen hat: das gläubige Volk, das Bischofskollegium, der Bischof von Rom - jeder im Hinhören auf den Heiligen Geist, den 'Geist der Wahrheit' (Joh 14,17), um zu erkennen, was er den Kirchen sagt"1. Damit unterläuft Franziskus die gängige und für lange Zeit katholisch postulierte Lehrmeinung, es gebe auf der einen Seite die Bischöfe, die autoritativ lehren, und auf der anderen Seite die einfachen Gläubigen, die im Zuhören nur lernen können, also die ecclesia docens und die ecclesia discens. Franziskus stellt dazu in der Ansprache aus dem Jahr 2015 fest: "Der sensus fidei [der Glaubenssinn] verbietet, starr zwischen Ecclesia docens [der lehrenden Kirche] und Ecclesia discens [der lernenden Kirche] zu unterscheiden, weil auch die Herde einen eigenen 'Spürsinn' besitzt, um neue Wege zu erkennen, die der Herr für die Kirche erschließt."2 Wenn man so will, rehabilitiert Franziskus den sensus fidei, den er besonders in der gelebten Frömmigkeit der Gläubigen entdeckt und wertschätzt, um ihn im synodalen Miteinander von bischöflichen Amtsträgern und Gläubigen zu einer wesentlichen Konstante im gemeinsamen Ringen um Lösungen aus dem Glauben zu markieren. Denn bekanntlich hat auch das II. Vatikanum in LG 12 die beständige Lehre der Kirche bestätigt, dass das ganze Volk Gottes durch den übernatürlichen Glaubenssinn nicht irren kann. Leider ist davon im aktuellen Codex nicht viel übriggeblieben, wenn in c. 750 CIC nur noch beiläufig davon die Rede ist, dass das depositum fidei "auch durch das gemeinsame Festhalten der Gläubigen unter Führung des heiligen Lehramtes offenkundig gemacht" werde. In diese Richtung scheint zu passen, dass das Papier der Internationalen Theologenkommission zur Synodalität die Marginalisierung des sensus fidei und dessen Subordination unter das Lehramt mit seiner inzwischen häufig rezipierten Unterscheidung von decision making und taking3 bei synodalen Beratungsprozessen zementieren möchte, gleich so, als wäre der Rat der Gläubigen zu vernachlässigendes Beiwerk, während das bischöfliche Lehramt unberührt von diesen Stimmen alleine entscheidet.4 Nicht selten wird für diese Spielart einer hierarchisch-katholisch enggeführten Synodalität Bischof Cyprian von Karthago als früher Zeuge in Anschlag gebracht.5 Cyprian ermahnt die Gläubigen, "nihil sine episcopo"6 zu handeln. Gerne wird auch bei der Einführung von neuen Diözesanbischöfen - so beispielsweise durch Kardinal Joachim Meisner bei der Einführung des Limburger Bischofs Tebartz-van Elst - ein ebenfalls Cyprian zugeschriebenes Dictum erwähnt, nachdem "ubi episcopus, ibi ecclesia" sein solle. Diese Zitate erwecken den Eindruck, als reiche es aus, einen Diözesanbischof zu haben und schon sei Kirche im Vollsinn des Wortes existent und lebendig. In dieser verkürzenden Weise zitiert auch die Internationale Theologenkommission in ihrem Synodenpapier Cyprian, ohne aber zu erwähnen, dass Cyprian mit den Hinweisen fortsetzt: "nihil consilio vestro" und "nihil consensu plebis", also nichts ohne euren Ratschlag und nichts ohne die Zustimmung des Volkes. Dietmar Winkler weist darauf hin, "dass zu seiner Zeit eine Synode sowohl Klerus als auch Laien umfasste und keineswegs nur beratenden Charakter hatte"7.
Diese Vorüberlegungen sind hilfreich, um einige verzerrte Wahrnehmungen von Synodalität in der katholischen Kirche zu korrigieren. Diese oszillieren zwischen der Annahme, dass gemeinsame Beratung von Bischöfen und Gläubigen in einem kirchenrechtlichen Format - wie zum Beispiel einer Diözesansynode - bedeute, dass es sich um einen demokratischen Entscheidungsprozess handle, an dessen Ende alle mitentscheiden können, und auf der anderen Seite in der These, synodale Beratungsprozesse änderten nichts an der alleinigen Entscheidungskompetenz der Bischöfe, die auf solchen Rat weder notwendig angewiesen noch an ihn gebunden wären. Schon der frühere Tübinger Kanonist Johannes Neumann, der nach dem II. Vatikanum dessen Reformimpulse nachhaltig unterstützt hat, warnt vor einer legalistischpragmatischen Reduktion der Syndodalität nach demokratischem Vorbild und betont unter Hinweis auf das vom Geist Gottes bestimmte Beraten in synodalen Prozessen den Aspekt der Einmütigkeit (unanimitas) im Glauben.8 Dies schließt keine demokratischen Verfahren im Abstimmungsprocedere aus, lässt aber das Proprium des synodalen Beratens als geistlichen Prozess deutlich werden. Schon in der Regula Benedicti lässt sich diese Art des Beratens gut ablesen. Dort wird der Abt verpflichtet, den Rat der Brüder bei wichtigen Angelegenheiten zu hören, vor allem den Rat der Jüngsten einzuholen. Zu ihnen heißt es: "Dass aber alle zur Beratung zu rufen seien, haben wir deshalb gesagt, weil der Herr oft einem Jüngeren offenbart, was das Bessere ist."9 Am Ende entscheidet der Abt, der aber bedenken soll, dass sein Hinhören auf den Rat der Brüder ihn davor bewahrt, seinen eigenen Willen als den Willen Gottes auszugeben. Darin liegt der tiefere Sinn dieser Regel, der das katholische synodale Proprium unterstreicht.
Natürlich kann man diese katholische Sicht auf Synodalität wie Julia Knop10 kritisch betrachten. Ihr fehlt es an strukturellen Konsequenzen aus der synodalen Beteiligung von Laien, da es bei der Letztentscheidung durch Papst, Bischofskollegium und einzelne Bischöfe bleibe. Mit Johannes und Thomas Neumann11 kann darauf geantwortet werden, dass keine synodale Beratung dem zuständigen Bischof oder Kollegium von Bischöfen die Verantwortung für seine Entscheidung abnehmen kann, wohl aber essenziell theologisch das monarchische Leitungsmodell der katholischen Kirche durch synodale Beratung in der Sache qualitativ stärkt und zu guten Ergebnissen führt, da allen Ratgebenden im votum consultivum der Geistbeistand und damit die Erkenntnis der Wahrheit geschenkt ist. Hinzu kommt auch noch der Gedanke der Rezeption:12 Leitungsentscheidungen der Kirche leben nicht allein von der formalen Autorität der bischöflichen Entscheidungsträger, sondern auch von der Akzeptanz und Annahme der von diesen Entscheidungen betroffenen Gläubigen. Diese erhöht sich, wenn möglichst partizipativ viele Gläubige in rechtlich verbindlicher Form im Vorfeld anstehender Entscheidungen in die Beratungsprozesse eingebunden und ihre Sicht der Dinge einbringen können.
Dies leitet über zur Frage, was Synodalität kirchenrechtlich überhaupt meint und was synodale Gremien kirchenrechtlich sind (2.) und wie sich hierzu der deutsche Sonderweg13 mit dem Synodalen Weg verhält (3).
Wie auch in anderen Kontexten verzichtet der kirchliche Gesetzgeber auf eine Legaldefinition von Synodalität in den kirchlichen Gesetzbüchern. Von daher kommt es in theologischen wie kanonistischen Beiträgen gelegentlich zu Unschärfen, was dieser Begriff wirklich rechtlich bedeutet und wie er vor allem vom zweitvatikanisch wiederbelebten Terminus der (bischöflichen) Kollegialität15, die ja in synodalen Organen und Prozessen wirksam werden kann, zu unterscheiden ist. Von daher kann nur durch eine Analyse der Organe, die mit dem synodalen...
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