Schweitzer Fachinformationen
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"Manchmal nervt es mich, wenn Oma fragt, ob ich sie besuche. Aber wenn wir dann zusammensitzen und uns über das Leben und ihre Kindheit unterhalten, fühle ich mich mit ihr verbunden."
- Eine Enkelin -
Liebe:r Leser:in, vielleicht kennen Sie das ja auch: Lange Zeit ist alles gut, Ihre betagten Eltern kommen alleine zurecht und brauchen nur von Zeit zu Zeit Unterstützung im eigenen Heim. Als liebendes Kind machen Sie sich anfangs vielleicht nur geringfügig Sorgen. Sie leben schließlich Ihr eigenes Leben, fahren öfters in den Urlaub, haben womöglich einen herausfordernden Job und Kinder bzw. Enkel, um die Sie sich ebenfalls kümmern. Doch irgendwann häufen sich die telefonischen Nachfragen der älteren Generation, die Probleme werden vielschichtiger und die geistige und/oder körperliche Leistungsfähigkeit der Senior:innen nimmt spürbar ab. Das alles kostet Sie Kraft, denn plötzlich wiederholen sich nicht enden wollende Gespräche, Diskussionen entflammen und manchmal ist schon eine ausgebrannte Glühbirne ein nicht zu überwindendes Hindernis, das keinen Aufschub mehr duldet. In solchen Momenten nehmen sich viele besorgte Kinder noch intensiver ihrer Eltern an und stellen irgendwann fest, dass der Aufwand mit den Jahren zunimmt. Genauso wie die psychische Belastung sowie der (oftmals unrealistisch vertretene) Anspruch, stets allem gerecht werden zu wollen. Das kann dazu führen, dass das eigene Leben komplett in den Hintergrund rückt und die Betroffenen vergessen, sich gut um ihre eigenen Bedürfnisse zu kümmern. Mögliche Folgen sind dabei so tragisch wie vielfältig: Krankheiten entstehen, Partnerschaften gehen in die Brüche, Freundschaften verlieren sich und Zeit für Hobbys ist nicht mehr vorhanden. Kurzum: Das eigene Leben leidet.
"Was ist da passiert?", fragen sich viele Angehörige, die vor den Trümmern ihrer vorher scheinbar so gefestigten Existenz stehen und feststellen, dass sie mit den Jahren aufopferungsvoller Pflege müde geworden sind. Eine Antwort auf diese Frage liegt nahe: Die ursprünglich so gut gemeinte Unterstützung ist schleichend einer Art Aufopferung gewichen, in der das eigene Leben nicht mehr viel Raum einnimmt. Stattdessen ist die zu betreuende Person der Mittelpunkt, wird geliebt und mit allen Kräften unterstützt. Ein regelmäßiges Abschalten oder das Nehmen einer Auszeit erscheint den pflegenden Angehörigen oftmals unmöglich. Viele plagt das schlechte Gewissen und der Gedanke: Aber wer soll es denn sonst machen, wenn nicht ich? Doch gerade diese Einstellung ist gefährlich, denn schädigt sie doch auf Dauer nur diejenige Person, die für Ihren hilfsbedürftigen Angehörigen am allerwichtigsten ist: Sie selbst. Daneben ist es kein Geheimnis, dass wir alle älter werden und der Anteil der versorgungsbedürftigen Älteren stetig wächst. Was Altern bedeutet, wird in einem Zitat aus Sandor Marais Roman "Die Glut" (Marai, 2001, zitiert nach Klingenberger, 2003) deutlich.
"Man altert langsam: Zuerst altert die Lust am Leben und an den Menschen, weißt du, allmählich wird alles so wirklich, du verstehst die Bedeutung von allem, alles wiederholt sich auf beängstigend langweilige Art. . Dann altert der Körper; nicht auf einmal, nein, zuerst altern die Augen oder die Beine oder das Herz. Man altert in Raten. Und mit einem Mal beginnt die Seele zu altern: denn der Körper mag alt geworden sein, die Seele aber hat noch ihre Sehnsüchte, ihre Erinnerungen, noch sucht sie, noch freut sie sich, noch sehnt sie sich nach Freude. Und wenn die Sehnsucht nach Freude vergeht, verbleiben nur noch die Erinnerungen oder die Eitelkeit; und dann ist man wirklich alt, endgültig."
Glaubt man aktuellen Zahlen des Statistischen Bundesamtes (2021), ist das gar nicht so weit hergeholt, denn die Anzahl deutscher Rentner:innen wird in Zukunft wachsen. Konkret steigt die Zahl der über 67-Jährigen bis 2035 um 3,6 Millionen an, genauso erhöht sich deren Anteil an der Gesamtbevölkerung von 20 % (im Jahr 2020) auf 24 % (im Jahr 2035). Das führt vor Augen, dass der sogenannte demografische Wandel längst auch unser Land erreicht hat, wohlgemerkt bei zeitgleich sinkender Geburtenrate und immer weniger Pflegepersonal. Wer nun eins und eins zusammenzählt, kann sich vorstellen, wie die Pflegesituation im Jahr 2035 aussehen wird: gelinde gesagt angespannt. Menschen, die in der Lage sind, ohne größere gesundheitliche Probleme altern zu können, dürfen sich glücklich schätzen. Alle anderen sind auf die Unterstützung von Familie, Staat oder diverser Pflegeorganisationen angewiesen. Doch wer denkt neben der versorgungsbedürftigen älteren Generation an diejenigen, welche diese pflegt? Schließlich sind unterstützungsleistende Angehörige ein wichtiger (und oftmals stark belasteter!) Pfeiler im deutschen Gesundheitswesen.
Im Dezember 2021 verzeichnete das Statistische Bundesamt (Statistisches Bundesamt, 2022) etwa fünf Millionen Pflegebedürftige, von denen die meisten zu Hause versorgt werden - Tendenz steigend, denn der Anteil der versorgungsbedürftigen Älteren wird immer größer. Genaue Zahlen der häuslich Pflegenden gibt es dabei nicht, denn noch immer ist nicht abschließend geklärt, wer als pflegende:r Angehörige:r gilt (Bohnet-Joschko & Bidenko, 2019). In vielen Fällen werden es aber Familienangehörige wie Sie und ich sein oder Freundinnen und Freunde bzw. Nachbar:innen, welche die Hilfe für Pflegebedürftige leisten. Uns alle vereint eines: Wir kümmern uns engagiert und aufopferungsvoll um eine gesundheitlich eingeschränkte Person, die Unterstützung braucht, weil sie sonst alleine nicht mehr zurechtkäme. Unbestritten ist das ein wertvoller Dienst und verdient Anerkennung, doch die Gefahr dabei ist immer die eigene Überforderung. Viele der informell, also nicht berufsmäßig Pflegenden haben mit gesundheitlichen und sozialen Belastungen zu kämpfen und wissen zugleich nur wenig über das in Deutschland existierende Informations-, Beratungs- und Entlastungsangebot. Dies fällt sogar Fachleuten wie Otto Beier auf - er ist selbst ehemaliger pflegender Angehöriger und betreibt seit einigen Jahren die Beratungsplattform "Pflege-durch-Angehoerige.de". Im nachfolgenden Interview schildert er die Situation von pflegenden Angehörigen.
Sehr geehrter Herr Beier, Sie führen sehr erfolgreich das Informationsportal "Pflege-durch-Angehörige.de". Möchten Sie sich und Ihr Portal kurz vorstellen?
Ja, sehr gerne. Wie die meisten pflegenden Angehörigen sind auch wir (meine Frau und ich) sukzessive immer mehr in die Pflege unserer Eltern involviert worden. Meist ist es ein schleichender Prozess. Hier und da mal brauchen die Eltern Hilfe, bis dann irgendwann sehr viel Unterstützung im täglichen Leben notwendig wird. So wie die meisten Pflegenden waren auch wir nicht auf diese Aufgabe vorbereitet und machten deshalb vieles falsch in Bezug auf Pflegegrade, Pflegeleistungen oder Hilfsmittel beantragen. Wir kannten uns einfach im Pflegegesetz nicht aus. Das war der Grund, warum wir viele Pflegeleistungen nicht kannten und beantragten. Das geht den meisten Pflegenden so und es geht viel Geld verloren. Letztendlich hatten wir vier Pflegefälle in zwei verschiedenen Bundesländern und wir bekamen Routine. Wir wollten nicht, dass es anderen Pflegenden genauso geht wie uns, und haben die Internetseite www.Pflege-durch-Angehoerige.de ins Netz gestellt, wo wir unsere Erfahrungen teilen, aber vor allem auch in gut verständlicher Sprache darüber informieren, auf welche Pflegeleistungen die pflegebedürftigen Personen, aber auch wir Pflegenden (!) Anrecht haben. Die Erfahrung und der Austausch mit anderen Pflegenden hat uns gezeigt, dass selbst alte "Pflegefüchse", die schon zehn Jahre und länger einen Angehörigen pflegen, noch immer nicht alle Leistungen in Anspruch genommen haben, die ihnen zustehen würden.
Sie waren selbst bis vor einigen Jahren pflegender Angehöriger. Welche Erfahrungen haben Sie während der Pflegezeit gemacht?
Wir Pflegenden sehen es als selbstverständlich an, sich um unsere Angehörigen zu kümmern. Das ist auch gut so. Allerdings ist nicht jeder Mensch aus zeitlichen, physischen oder psychischen Gründen in der Lage, die Pflege zu übernehmen. Dann sollte man sich das aber auch eingestehen und nach Alternativen suchen. Aber gerade die Pflege unserer Eltern hat noch einen Aspekt, den wir oft unterschätzen. Und zwar den Rollentausch. Wir sind nicht mehr das Kind unserer Eltern, sondern die Verantwortlichen für unsere Eltern. Wir müssen plötzlich für Menschen Entscheidungen treffen, von denen wir es gewohnt sind, dass sie ein Leben lang für sich selbst entschieden haben. Als pflegende:r Angehörige:r muss man lernen, die Hemmungen zu überwinden. Auch das ist...
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