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Eine wahre Liebesgeschichte aus der dunkelsten Zeit der DDR:
Bestseller-Autorin Hera Lind erzählt in ihrem Tatsachen-Roman „Zeit zu verzeihen“ von einem unvorstellbaren Verrat, einer qualvollen Zeit im DDR-Gefängnis und von der Kraft wahrer Liebe.
Als sich Clara und Viktor im Sommer 1965 begegnen, wissen sie nicht, dass sie sich schon einmal als Kleinkinder an einem tragischen Ort begegnet sind, und jeweils nur dank ihrer unfassbar mutigen Mütter überlebt haben. Die beiden jungen Menschen spüren, dass sie ineinander die wahre Liebe gefunden haben. Doch jetzt gibt es Ost und West. Sie riskieren alles und wagen die Flucht aus der DDR.
Sie mündet in einer unsagbaren Katastrophe: Claras wird denunziert und landet im berüchtigten Frauen-Gefängnis Hoheneck. Dort bringt sie ein paar Monate später unter fürchterlichen Umständen ihren Sohn zur Welt – und muss monatelang auf einem Lager aus Stroh auf dem nackten Betonboden um das Überleben ihres Babys kämpfen. Wortlos wird ihr das Kind schließlich weggenommen. Doch tief in Claras Herz ist die Kraft wahrer Liebe ungebrochen. Und Viktor hat sie all die Jahre nie aufgegeben.
Die wahre Geschichte von Clara und Viktor: Erschütternd und zu Herzen gehend lässt uns Bestseller-Autorin Hera Lind an einem Schicksal teilhaben, das in der Nachkriegszeit und später in der DDR Tausende getroffen hat.
25. Januar 1945. Wartenburg, unweit Allenstein, Ostpreußen
Nebenan warf die Nachbarin ihr Hab und Gut zum Fenster hinaus. Dicke Bündel in Kissenbezügen, Koffer und Kisten plumpsten auf den dick verschneiten Hof hinaus. Igor, der ihr zugeteilte ukrainische Kriegsgefangene, der längst unser gemeinsamer Freund und Helfer war, ließ die Tiere frei. Unwillig trotteten sie in der eisigen Kälte in der Dunkelheit des frühen Morgens herum und wussten nicht, wohin. Die Adern an seinem Hals traten hervor und sein Gesicht unter der Fellmütze war rot, als Igor das ganze Gepäck auf einen bereitstehenden Planwagen wuchtete und das letzte lahmende Pferd davorspannte. Das sah eindeutig nach Flucht aus, und Flucht war bei Todesstrafe verboten. Artilleriefeuer und Schüsse waren die ganze Nacht zu hören gewesen, und der Feuerschein züngelte am Himmel.
Ich setzte meinen kleinen Viktor neben seine Brüder auf den Fußboden und riss das Fenster auf. »Ida? Was soll das werden? Du haust doch nicht etwa ab?«
»Doch, Rosa, und das solltest du auch schleunigst tun! Hast du nicht gehört, dass die Russen bereits in Hirschberg sind? Heute Nacht war dort ein entsetzliches Massaker!«
Ida strich sich eine graue Haarsträhne aus dem Gesicht und stopfte sie unter ihr dickes wollenes Kopftuch. Die kompakte Frau war in mindestens drei Mäntel und Schals gehüllt. Der Atem stand in kleinen weißen Wölkchen vor ihrem Mund. Die Panik ließ ihren Blick hart werden. »Sie haben die jungen Frauen vergewaltigt und viele getötet, die Häuser angesteckt und das Vieh verbrannt. Spätestens morgen sind sie hier! Auch unser kleines Dorf wird nicht verschont werden, glaube mir!«
»Um Gottes willen, Ida!« Während ich durch den Fensterspalt spähte, klopfte mir das Herz bis zum Halse. Ich hatte die ganze Nacht nicht geschlafen und, dicht an meine drei Jungs gepresst, versucht, ihnen Halt und Geborgenheit zu geben. »Aber Flucht ist strengstens verboten, im Radio haben sie gesagt, dass jeder, der jetzt das Heimatland verlässt, ohne Vorwarnung erschossen wird.«
Mit einem besorgten Blick auf meine drei kleinen Söhne, die ahnungsvoll am Boden kauerten, versuchte ich, meine Stimme zu senken. »Entweder die Russen erledigen es oder die eigenen Landsleute. Da bleibe ich mit meinen Kindern lieber in meinen eigenen vier Wänden.«
Mit meinem Ehemann Paul hatte ich vor zehn Jahren dieses Haus gebaut, Stein für Stein, und mühsam unseren Garten bewirtschaftet. Wir besaßen zwei Kühe, zwei Kälber, Federvieh und Ziegen. Es ging uns gut, wir waren eine bescheidene, aber glückliche Familie, bevor Paul in den Krieg einberufen wurde. Seit fünf Jahren versorgte ich nun den Haushalt und die Kinder allein. Ich war stark und selbstständig geworden, es gab nur uns und dieses Haus, dieses Stück Heimat, und ich wollte mich nicht aus unseren vier Wänden vertreiben lassen. »Ida, ich schaffe das nicht mit den drei Kleinen! Wir kommen niemals die ganzen siebzehn Kilometer bis nach Allenstein, und dann . Wo sollen wir denn hin!«
»Rosa, du kannst hier unmöglich bleiben!« Ida schloss nun von außen ihre Haustür ab und stand direkt unter meinem Fenster. »Pack deine Jungs und komm mit! Igor hilft dir!«
Der gutmütige, treue Igor, der sich als unser gemeinsamer Hausmeister stets nützlich machte, schaute zu mir herauf. »Ja, Rosa, pack schnell zusammen, ich helfe dir!«
»Du fährst doch sicher mit Ida mit?« Wie die gesamte Dorfgemeinschaft wusste, war Igor inzwischen längst mehr als nur der Ida zugeteilte Kriegsgefangene. Die beiden waren ein Paar.
»Nein, ich bleibe hier. Als ukrainischer Zwangsarbeiter werde ich von den Russen so oder so erschossen.« Er schob sich die Mütze in den Nacken. »Der Jean, der ist Franzose, den werden sie befreien, aber ich habe keine Chance.«
Jean war der französische Zwangsarbeiter, der mir zugeteilt worden war, und wir wussten nie, ob wir dem jungen Mann trauen konnten. Er tat nur das Nötigste und saß meistens rauchend irgendwo in der Ecke. Nachdem ich mich geweigert hatte, mit ihm etwas anzufangen, ließ er sich schwerlich zur Arbeit überreden und ignorierte mich und die drei Jungen einfach. Der würde uns nicht helfen, so viel war sicher.
»Rosa, die Russen werden dich vor den Augen der Kinder . und sie sind nicht zimperlich! Was wird aus deinen drei Jungs, wenn sie dich . nun mach doch schon, reich die Kinder aus dem Fenster!«
»Aber sie sind noch nicht angezogen, ich muss erst packen .«
Von fern peitschten bereits Schüsse und Artilleriefeuer in den dunklen eiskalten Morgen. Der Feuerschein zuckte am Horizont und züngelte in die Schwärze des wolkenbedeckten Himmels hinein. Die Kinder schreckten auf und weinten. »Mama! Wir haben Angst!« Sie klammerten sich an meine Beine.
»Rosa! Es heißt, von Allenstein geht ein letzter Zug in den Westen! Schau doch nur, die Leute rennen alle in diese Richtung!« Ida kletterte auf ihren Planwagen und hüllte sich in Decken. »Ich will auf jeden Fall noch mit!«
Plötzlich gab sie ihrem Pferd die Peitsche, und der Wagen setzte sich ruckartig in Bewegung, ohne uns. Igor riss seine Mütze vom Kopf und starrte ihr fassungslos nach. Wollte sie uns doch nicht mitnehmen? Ida drosch in Panik auf den Gaul ein, und das Gefährt holperte und klapperte um die nächste Ecke.
Tatsächlich sah man nun aus den umliegenden Häusern ebenfalls dick vermummte Gestalten ihre Wagen und Schlitten beladen und verstohlen ihr Vieh freilassen. Zwischen das Artilleriefeuer, die Schüsse und die Explosionen aus der Ferne mischten sich jetzt unwilliges Muhen und Meckern der verängstigten und frierenden Tiere, die im tiefen Schnee versackten. Es war ein erbärmliches Bild, wie Kälbchen, Zicklein und Federvieh fassungslos über das dicke Eis rutschten und nicht wussten, wohin. Genau wie wir!
Wie sollte ich da mit meinen drei kleinen Kindern zu Fuß nach Allenstein kommen? Unser Pferdegespann war längst beschlagnahmt worden, Pauls Moped auch, und auf dem Schlitten konnte ich alle drei doch nicht ziehen, mitsamt dem Gepäck. Es war so bitterkalt, dass wir Bettdecken und Kissen brauchten, um nicht auf dem Schnee zu erfrieren!
Manisch begann ich, Eingemachtes in Gläsern aus dem Vorratsschrank in ein Betttuch zu wickeln, Brot und Wurst abzuschneiden und die Milchkanne mit Gummibändern zu umwickeln. Wie sollte ich das alles transportieren? Plötzlich war Igor auch nicht mehr zu sehen!
»Kinder, zieht euch an, wir müssen hier weg.«
»Aber wohin denn, Mami?«
»Bitte, tut, was ich euch sage. Ihr müsst jetzt ganz tapfer sein. Zieht euch alles an, was übereinanderpasst, so schnell ihr könnt.«
Mit zitternden Händen quetschte ich den armen Viktor, der keine drei Jahre alt war, in Hosen, Strümpfe, Hemd und Pullover, zwängte ihm noch einen zweiten und einen dritten über den Blondschopf und zerrte sein Mäntelchen darüber. »Halt still, die Mama muss dich zuknöpfen. Jetzt wird nicht mehr geweint, hört ihr!«
Draußen mischten sich immer mehr panische Rufe in das Pferdegeklapper, Tiergeschrei und die Geräusche von Flüchtenden. »Sie kommen, sie kommen!«
Mir gingen die Nerven durch. Wenn sich alle aus dem Dorf davonmachten, konnte ich wohl kaum alleine hierbleiben! Ich durfte die Kinder nicht im Stich lassen. Ich hatte es Paul versprochen.
So oder so war unsere Lage aussichtslos. Panisch drehte ich mich zu meinen Kindern um, die weinend und schockiert am Boden saßen und mit ihren Strümpfen und Hosenbeinen kämpften. Walter war sieben, Heinz war fünf und der kleine Viktor nicht ganz drei Jahre alt. »So macht ihr das gut, warte, ich helfe dir mit den Stiefeln und den Schuhbändern .« Meine Finger zitterten so sehr, dass ich kaum zurande kam, zumal sich die Kinder heftig wehrten. Es war noch nicht mal sechs Uhr früh und draußen unter minus zwanzig Grad.
»Aber wir haben nicht gefrühstückt!« Heinz heulte Rotz und Wasser. »Mir ist kalt, und ich will zurück ins Bett!« Der kleine Kerl hatte Schüttelfrost.
Ach, wenn doch nur mein geliebter Mann da wäre! Paul war im Sommer das letzte Mal auf Urlaub hier gewesen, in unserer dörflichen Idylle, wo wir mit den polnischen Nachbarn in schönster Eintracht nebeneinanderlebten, bevor meiner sich auf jugoslawischen Boden zurückbegeben hatte.
»Du weißt, dass ich es hasse, für die Nazis zu kämpfen, und dass ich niemals eine Waffe in die Hand nehmen wollte, aber auf Fahnenflucht steht die Todesstrafe, und die Familien von Deserteuren werden im Krieg nicht versorgt. Also tue ich es notgedrungen für euch.«
Wir hatten noch ein Abschiedsfest in unserem Garten gefeiert, mit selbst gepflanztem Gemüse, Apfelmost und meinem legendären Kartoffelsalat mit Frikadellen, alles aus Eigenanbau und Eigenzucht. Wir hatten noch gesungen und getanzt mit unseren freundlichen Nachbarn, mit Ida, Igor und all den anderen. Jean hatte sich abseits gehalten und nicht mitgefeiert, er hatte nur meinen Mann von der Seite angestarrt.
Paul hatte unseren kleinen Viktor auf dem Arm gehalten und genau gewusst, dass es...
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