Schweitzer Fachinformationen
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Sonntag, 14.00 Uhr
»Dimpfelmoser, das ist immer dasselbe mit dir«, schimpft gleich der Kreithmeier, seines Zeichens Pathologe und Leichenfledderer. »Immer wenn du Bereitschaftsdienst am Sonntag hast, gibt es eine Häufung von Toten in deinem Revier. Da solltest dir einmal Gedanken machen, warum du die Leichen so anziehst wie die Motten das Licht.«
»Ja, ich bring sie ja nicht selber um, und dass sich die immer die Sonntage aussuchen, dafür kann ich nix. Warum bist du überhaupt schon da, ich hab die Meldung grad erst bekommen?«
»Ich war nur ein paar Hundert Meter weiter spazieren, aber mir ist anscheinend überhaupt kein Privatleben vergönnt.«
Ich folge seinem verklärten Blick und sehe am Rand der Absperrung, die der Reindl schon eingerichtet hat, eine Frau stehen. Da bleibt dir gleich die Luft weg, so rattenscharf ist die, dass mir fast die Augen aus dem Kopf fallen.
»Seit wann hast du ein Privatleben, des ist ja ganz was Neues. Ich hab immer gedacht, dass die Frauen nix für dich sind, bisher hast jedenfalls noch keine dabeigehabt.«
»Der Reindl war so nett und hat mir ein paar Tipps gegeben. Der kennt sich ja so gut aus mit den Online-Partnervermittlungsportalen, und da hab ich doch gleich die Gerlinde kennengelernt.«
»Zefix, stehts ihr schon wieder alle in meinem Tatort rum«, schreit mich da von hinten einer an.
Natürlich ist es der Mühlbauer, unser Spurensicherer. Ich werfe noch schnell einen Blick auf den Toten, bevor ich mich zurückziehe. Mit dem Mühlbauer ist nicht zu spaßen, wenn es um seine Tatorte geht. Der ist da richtig fanatisch und wird schon mal handgreiflich, wenn nicht alle nach seiner Pfeife tanzen. Nur den Kreithmeier lässt er seine Arbeit machen, ohne dass er gleich einen cholerischen Tobsuchtsanfall bekommt. Beim Blick auf die Leiche reißt es mich dann doch etwas. Es handelt sich um einen alten Mann, der dürfte in etwa so alt gewesen sein wie mein Opa. Da muss ich mich richtig zusammenreißen, damit sich nicht wieder das leidige Gespräch von vorhin in meine Hirnwindungen schiebt.
»Und?«, frage ich vorsichtig.
»Auf den ersten Blick scheint er ertrunken zu sein, aber du weißt ja, Genaueres kann ich dir erst nach der Obduktion sagen«, leiert der Kreithmeier seinen Standardsatz herunter. »Papiere oder andere persönliche Gegenstände hat er nicht dabei.«
»Meldest dich halt einfach bei mir, wennst was weißt, gell, aber dass du nicht wieder so lange trödelst«, kann ich mir dann doch nicht verkneifen, weil ich weiß, dass er da ganz narrisch wird.
Wie zu erwarten, bekommt er gleich einen Tobsuchtsanfall, und weil der Mühlbauer auch schon wieder rumbrüllt wegen seines Tatortes, wäre es jetzt doch noch ganz zünftig, wenn da nicht mitten zwischen uns die Leiche des alten Mannes liegen würde.
»Reindl, lass uns fahren«, kommandiere ich, und dann machen wir uns auf den Weg in die Dienststelle, weil es hier vorerst nichts mehr für uns zu tun gibt.
»Ich schaue gleich in der Vermisstendatei nach, vielleicht haben wir Glück«, sagt der Reindl und verschwindet hinter seinem überdimensionalen Bildschirm, den er sich von seinem Privatgeld gekauft hat. Da kann er einfach besser arbeiten als mit dem Schrott, den uns der Staat zur Verfügung stellt, hat er gesagt. Mir soll es recht sein, Hauptsache, er nutzt den Computer nicht mehr für seine Privatangelegenheiten, so wie er es ewig gemacht hat, als er noch auf Frauensuche war. Aber das hat sich zum Glück erledigt, seit er während unseres letzten großen Falles endlich mit meiner Hilfe die Richtige gefunden hat. Ich verziehe mich in mein Zimmer und lege mich auf das Sofa, um in Ruhe über das unerfreuliche Gespräch mit der Oma und dem Opa nachzudenken. Bei dem Gedanken an Heirat und Kinder schüttelt es mich richtig. Irgendwann schlafe ich dann wohl ein. In meinen Träumen zerquetscht mich gerade die Eva, die einen riesigen Ehering am Finger trägt, der so schwer ist, dass sie das Gewicht nicht mehr halten kann. Sie kippt einfach um und begräbt mich unter dem unsäglichen Ring. Ich bekomme keine Luft mehr, und kurz bevor es aus ist mit mir, rüttelt und schüttelt uns jemand, und ich kann mich gerade noch rechtzeitig von der Last des Ringes befreien.
»Dimpfelmoser, das kann doch nicht wahr sein! Während ich arbeite, machst du hier ein kleines Schläfchen.«
Die vorwurfsvolle Stimme vom Reindl reißt mich aus meinem Albtraum.
»Nix schlafen, Reindl, ich habe ein Riesenproblem am Arsch, ich soll die Eva heiraten«, platzt es unvermittelt aus mir heraus.
»Das wäre für uns alle sicherlich eine sehr gute Lösung«, doziert der Reindl in seinem überheblichen Ton, den er zum Glück nur noch selten an den Tag legt.
Ich überlege, ob ich ihm eine reinhauen soll, lasse es dann aber doch lieber.
»Wie meinst des jetzt?«
»Vielleicht würde das dein cholerisches, unausgeglichenes Temperament etwas zügeln, wenn du endlich in festen Händen wärst, mein Lieber. In letzter Zeit kann man ja keinen vernünftigen Satz mehr mit dir reden, weil du immer gleich wie eine Rakete hochgehst.«
Oha, der Reindl, das alte Weichei, der Preiß, ist anscheinend mal wieder etwas übersensibel.
»Da brauchst du mir gar nicht mit deinen blöden Sprüchen kommen, Dimpfelmoser, von wegen meiner Befindlichkeit. Nicht nur ich leide unter deiner Unbeherrschtheit und deinen Launen. Auch die Kollegen haben sich schon über dich beschwert.«
»Ja Zefix, seids alle deppert, oder was«, brülle ich dann doch noch los. »In Bayern gehts halt etwas derber zu.«
»Frag den Oberberger und den Viereck, die werden dir bestätigen, dass es immer schlimmer mit dir wird.«
Irgendwie geht mir plötzlich die Luft aus. Vielleicht hat der Reindl wirklich recht, und ich merke gar nicht mehr, dass ich alle nerve. Ich nehme mir vor, heute Abend die Eva zu fragen, ob da was dran ist. Die Kollegen frage ich lieber nicht, die sind doch selber so launisch und cholerisch, von denen kriege ich sicherlich keine objektive Meinung.
»Hast was rausgefunden über unsere Wasserleiche?«, lenke ich das Gespräch wieder in professionelle Bahnen.
»Wir haben Glück, Dimpfelmoser. Der Mann ist seit gestern vermisst gemeldet. Es handelt sich um einen Herrn Antonicek, derzeitige Meldeadresse im Wörther Seniorenheim.«
Ja da legst dich nieder. Schon wieder das blöde Seniorenheim. Das scheint mich heute zu verfolgen. Aber dann packe ich die Gelegenheit eben gleich beim Schopf. Das ist die Chance, um mich vor Ort umzuschauen, was das überhaupt für ein Laden ist, in den die Oma und der Opa da gehen wollen.
»Reindl, auf geht's. Dann lass uns die im Heim einmal aufmischen.«
Der Reindl schaut mich an, als wäre ich vom Mars oder so.
»Dimpfelmoser, ich habe jetzt Dienstschluss, und überhaupt bin ich gleich mit der Rosalie verabredet.«
»Da muss dein Dienstschluss und deine Rosalie halt noch eine Stunde warten, Zefix«, brülle ich schon wieder unvermittelt los. »Wir ham eine Leiche, und des klären mia jetzt noch. Seit wann machen mia hier Feierabend, wenn es einen Toten gibt?«
Der Reindl schaut mich nur mitleidig an und geht dann nach draußen zum Dienstwagen. Ich fühle mich für einen kleinen Moment ganz schlecht, weil der Reindl kann ja nichts dafür, dass ich so blöde Probleme am Hals habe, aber es hilft ja nichts. Er wird es schon aushalten, schließlich arbeiten wir inzwischen lange genug zusammen, und er kennt mich gut genug, dass er weiß, dass ich das nicht persönlich meine. Ich gehe also auch zum Wagen und steige ein. Zum Seniorenheim sind es nur zwei Minuten. Der Reindl schmollt und spricht kein Wort mit mir. Ich schalte das Blaulicht und das Martinshorn ein, damit auch jeder gleich weiß, dass hier die Polizei kommt und es ernst ist. Der Reindl schüttelt nur den Kopf. Wie erwartet erregen wir mit unserem pfundigen Auftritt sofort Aufmerksamkeit, allerdings nicht ganz so, wie ich es mir erhofft habe. Neben ein paar neugierigen älteren Herrschaften rast eine keifende männliche Furie auf uns zu und trommelt auf den Dienstwagen. Ich verstehe überhaupt kein Wort, also mache ich zunächst die Sirene aus, springe aus dem Wagen und packe den Randalierer, der immer noch wie besessen auf die Motorhaube eindrischt.
»So, Bürscherl, des ist eine Sachbeschädigung von Staatseigentum, was du da gerade machst, da versteh ich ja überhaupt keinen Spaß.«
Anstatt sich zu beruhigen, schlägt der Berserker jetzt auf mich ein. Ich habe richtig Mühe, den Irren zu bändigen, so wie der sich aufführt. Inzwischen hat sich eine beachtliche Menge Schaulustiger eingefunden, und auch der Reindl schaut feixend zu, anstatt mir zu helfen. Endlich erwische ich den Arm des Wüterichs und drehe ihn nach hinten, sodass er kurz von mir ablässt. Ich nutze den Augenblick gekonnt aus und lege ihm die Handschellen an. Aber anstatt endlich Ruhe zu geben, tritt er jetzt weiter nach mir, und zu allem Überfluss beißt er mich auch noch in die Hand.
»Reindl, hilf mir halt auch mal!«, rufe ich den Kollegen, der sich so wie die anderen Zuschauer auch auf meine Kosten...
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