Schweitzer Fachinformationen
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Blauschwarze Schatten umfingen Hopeland, aus den umliegenden Weinbergen drangen die ersten Rufe der nachtaktiven Tiere zu der einsamen Frau, die langsamen Schrittes vom weiß umzäunten Friedhof hinüber zu der kleinen Rosenlaube ging. Der wohlvertraute, betörende Duft der kleinen gelben und roséfarbenen Rosen, die sich an den alten Holzgittern emporrankten, beruhigte Karoline ein wenig. In den zarten Rosenduft mischte sich der intensivere Geruch des Jasmins, der in großen Büschen seine verschwenderische Blütenfülle bis fast zur Erde ergoss.
»Es ist spät, Missis Karoline, wollt Ihr nicht lieber ins Haus gehen? Es ist gefährlich in der Dunkelheit.« Kimani, der alte Schwarze, der seit Jahrzehnten auf dem Gut lebte, hinkte auf dem breiten Gehweg vorüber. Er hatte drunten im alten Kral nach den Tieren gesehen, die über Nacht dort zusammengetrieben wurden. Kimani trug über der Leinenhose nur einen blauen weiten Kittel, den er um den Bauch mit einem Lederriemen zusammengebunden hatte. Das weiße krause Haar schimmerte im fahlen Licht, die hellen Augäpfel waren deutlich zu sehen, als er zu Karoline blickte.
»Mach dir keine Sorgen, ich bleibe nur noch ein paar Minuten. Gute Nacht, Kimani.«
»Gute Nacht, Missis Karoline.«
Der Abendstern leuchtete am Himmel auf, ein paar Kapsperlinge zankten sich in den nahen Beerensträuchern um die besten Ruheplätze. Aus der Ferne drangen die Rufe von zwei Waldkäuzen zu ihr herüber. Karoline zuckte zusammen. Erst seit einigen Wochen hatte sich das Vogelpaar im nahen Eichenwald niedergelassen und dort eine Nisthöhle gebaut. Die alte Josy und ihre schwarzen Freundinnen erzählten sich hinter vorgehaltener Hand, dass der laute Ruf eines Käuzchens den nahen Tod eines Menschen ankündige.
»Unsinn ist das. Ich werde mich doch nicht von diesem Aberglauben irritieren lassen!« Karoline lehnte den Kopf an die Holzstreben und schloss die Augen. Neben ihr lag ein Gedichtband von Heinrich Heine. Vor Jahren hatte sie das kleine Buch in einem Geschäft in Hermanus erstanden. Der alte Besitzer, einst aus Hamburg in die Kapregion ausgewandert, konnte erzählen, dass er den Dichter sogar persönlich gekannt habe. Eins der Rosengedichte aus dem Buch liebte Karoline besonders. Seit Christophers Tod lag die Seite aufgeschlagen in der Laube. Karoline musste nicht auf das Gedruckte sehen, sie konnte die Zeilen auswendig:
»Mit Rosen, Zypressen und Flittergold
möchte ich zieren, lieblich und hold,
dieses Buch wie einen Totenschrein,
Und sargen meine Lieder hinein.
O könnt ich die Liebe sargen hinzu!
Auf dem Grabe der Liebe wächst Blümlein der Ruh!«
Tränen verschleierten Karolines Blick, und wieder einmal dachte sie an ihren Mann. Sie hatte Christopher sehr geliebt, war mit ihm lange Zeit glücklich gewesen. Die letzten Monate, in denen er ihr so fremd geworden war in seiner Trauer und Wut über Klein Emilys Tod, waren fast vergessen. So, wie sie auch versuchte, die brutale Vergewaltigung durch den Summerset-Verwalter aus ihrer Erinnerung zu löschen. Jan de Fronteyn war angeklagt und zu einer längeren Freiheitsstrafe verurteilt worden.
Summerset wurde seit fast einem Jahr bereits gemeinsam mit Hopeland bewirtschaftet. Es war viel Arbeit, die auf Karoline lastete, und oft hatte sie das Gefühl, alldem nicht gewachsen zu sein. Doch wie hätte sie Hannah und Frederic die Bitte, sich um Summerset zu kümmern, abschlagen können? Die beiden waren seit dem Winter letzten Jahres verheiratet. Es war nur eine kleine, intime Hochzeitsfeier gewesen, die man im Stadthaus in Kapstadt abgehalten hatte. Etwa fünfzig Verwandte und Freunde waren geladen worden und hatten dem Paar Glück für die gemeinsame Zukunft gewünscht. Hannah hatte auf ein weißes Kleid verzichtet, sie trug stattdessen ein elegantes Complet aus hellblauem Tuch. Am Kragen, an den gebauschten Ärmeln und auch am Saum waren die Kanten mit silbergrauem Wieselfell gesäumt. Feinste weiße Perlmuttknöpfe waren in doppelter Reihe an der enganliegenden Jacke angebracht, die schlanke Taille wurde durch ein feines Schößchen am Rücken betont. In vielen feinen Falten war der Rock gelegt, bekam so modische Weite. Ein kleiner Kranz von Marabufedern, in die ein paar Myrtenzweige eingearbeitet waren, komplettierte das exquisite Ensemble.
Hannah, eine bezaubernde, strahlende Braut, hatte Karoline am Abend dieses Tages umarmt und ihr zugeflüstert: »Ich bin so glücklich, dass es beschämend ist. Ach, Liebes, ich hoffe so sehr, dass auch du noch einmal einen Menschen findest, der dir alles sein kann.«
»Das wird so rasch nicht geschehen«, war Karolines betont leicht dahingesagte Antwort gewesen. »Wie soll ich auf Hopeland einen passenden Partner finden? In der Einsamkeit da draußen wird das schwierig werden, meinst du nicht auch?« Sie hatte gelächelt bei diesen Worten, doch im tiefsten Herzen hatte sich Wehmut ausgebreitet, denn sie sehnte sich schon nach Liebe und Zärtlichkeit. Fünfunddreißig Jahre war sie alt, viel zu jung noch, um allein zu leben und nur für die Kinder und den großen Besitz da zu sein.
Irgendwann dann, einige Wochen nach der Hochzeit, hatte Frederic sie um eine Unterredung gebeten. Nach dem Abendessen, Hannah brachte die Kinder zu Bett, was alle drei sehr genossen, denn Hannah verstand es exzellent, spannende Gutenachtgeschichten zu erzählen, gingen Karoline und Frederic ins Arbeitszimmer. Es war ein etwas düsterer Raum mit seinen schweren Mahagonimöbeln und den zwei dicken dunkelroten Perserteppichen. Allein die hellen Vorhänge, ein paar verspielte bunte Leuchter aus Muranoglas und zwei Blumenstöcke verliehen dem Raum eine weibliche Note. Zudem standen, in kleinen Silberrahmen, die Bilder von Christopher und den Kindern auf Karolines Schreibtisch.
»Bitte nimm Platz. Was kann ich für dich tun?« Mit leichter Hand wies sie auf den Sessel, der dem Schreibtisch gegenüberstand. Karoline, in einem grün-grau karierten Hauskleid, zu dem sie außer zwei großen Perlohrringen keinen Schmuck trug, setzte sich auf den alten braunen Lederstuhl, auf dem schon ihr Schwiegervater und ihr Mann gesessen hatten, wenn sie ihre Verwaltungsarbeit machten.
Frederic ließ sich auf dem mit dunkelblauem Seidensamt bezogenen Sessel vor dem Schreibtisch nieder und schlug die Beine übereinander. »Du weißt, dass ich vom Weinanbau kaum etwas verstehe«, kam er gleich zum Thema. »Und ehrlich gesagt habe ich auch nur wenig Zeit, mich um die Verwaltung von Summerset zu kümmern. Meine geschäftlichen Aktivitäten führen mich häufiger nach England und Italien, und sie nehmen mich voll und ganz in Anspruch.« Er lächelte. »Ein klein wenig Zeit möchte ich ja auch noch für meine Hannah erübrigen können.«
»Natürlich, mir ist bewusst, dass deine Geschäfte weit verzweigt sind.«
»Nun also .« Er räusperte sich. »Du bist eine hervorragende Winzerin, Karoline. Hopeland steht besser da als jemals zuvor. Und so dachte ich .« Bittend sah er sie an. »Ihr könnt das Land brauchen, das weiß ich. Und ich wäre einer Sorge enthoben, wüsste ich, dass der Besitz und die Menschen, die dort leben, gut versorgt werden. Deshalb: Möchtest du Summerset mitbewirtschaften? Ich bin mir sicher, dass niemand anderer als du das Gut zu neuer Blüte führen kann.«
Karoline schluckte. Sie hatte, als er das Thema begann, bereits geahnt, was er von ihr wünschte. »Ich muss darüber nachdenken«, erwiderte sie zögernd. »Es kommt, da bin ich ehrlich, auf den Preis an. Wir haben einiges investiert in den letzten Monaten. Es gab doch so vieles, das erneuert werden musste. Da gilt es, ein wenig zu sparen.«
Frederic schüttelte den Kopf. »Ich möchte nicht verkaufen«, erklärte er. »Du sollst Summerset so führen, als sei es dein Land. Der Ertrag des Gutes gehört dir. Nur ein kleiner Anteil sei für Hannah abgezweigt, das ist alles, was ich erbitte.«
»Aber . das kann ich nicht annehmen. Zudem weiß ich nicht, ob ich dieser Aufgabe gewachsen sein werde. Es ist schon jetzt viel zu viel Arbeit.«
Er nickte. »Das stimmt. Und darum solltest du dich unbedingt um einen guten Verwalter bemühen. Gib eine Anzeige in den Zeitungen Kapstadts auf. Oder erkundige dich bei den übrigen Weingütern, ob es nicht einen jungen, aufstrebenden Menschen gibt, der sich unter deiner Leitung bewähren möchte.«
Karoline seufzte. Die Erfahrungen, die sie bisher gemacht hatte, ließen jede Skepsis zu. Männer ordneten sich keiner Frau unter. Sie aber war nicht gewillt, die Leitung des Weingutes in andere Hände zu geben. Auf der anderen Seite waren gerade auf Summerset die Böden ideal dazu, Pinot-Noir-Reben anzubauen. Der östliche und südliche Bereich könnte höchste und beste Erträge bringen - und sie würde auf diese Weise den letzten Traum ihres Mannes verwirklichen können!
»Du setzt unendlich viel Vertrauen in mich«, sagte sie leise.
Frederic stand auf, ging um den Schreibtisch herum und nahm ihre beiden Hände in seine. »Ich bin mir sicher, dass ich das Richtige tue.« Er küsste zart ihre Hände, die von harter Arbeit zeugten und nicht so gepflegt waren wie die weichen Hände seiner Frau. »Danke, Karoline. Du nimmst mir eine Last von der Seele. Und ich bin sicher, dass du zu unser aller Segen agieren wirst.«
Lautes Rufen riss die junge Winzerin aus ihren Gedanken. Ein junges Hausmädchen rannte, die Röcke gerafft,...
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