Schweitzer Fachinformationen
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Wisting überließ Mortensen den Tatort und ging hinaus auf den Platz vor der Hütte. Es hatte wieder angefangen zu regnen. Das Wasser tropfte vom Mützenschirm des uniformierten Einsatzleiters.
»In welche Hütten wurde sonst noch eingebrochen?«, erkundigte Wisting sich.
Der Kollege in Uniform wandte sich Richtung Norden und zeigte auf eine Hütte, die ein Stück entfernt stand. Ihre Umrisse zeichneten sich vor dem Nachthimmel ab und Wisting konnte sehen, dass die Fenster erleuchtet waren. Auf einer kleinen Bodenerhebung stand ein Fahnenmast mit einer Flagge, die im Wind schlug.
»Der Besitzer heißt Ove Bakkerud. Der Anruf kam von ihm. Er ist vor einer Stunde aus Oslo gekommen und entdeckte, dass bei ihm eingebrochen worden war. Anschließend ging er hierher, um nach dem Rechten zu sehen, und fand die Leiche.«
Wisting fuhr sich mit der Hand über das regennasse Gesicht. »Bei wem noch?«
Der Polizist zog einen Notizblock aus der Tasche und drehte den Rücken schützend in den Wind.
»Jostein Hammersnes.« Er zeigte über Wistings rechte Schulter. »Ihm gehört die Hütte drüben auf der Landzunge. Er hat den Einbruch ungefähr zur selben Zeit an die Zentrale gemeldet, als wir die Nachricht über den Leichenfund bekamen. Es können durchaus noch mehr sein, aber von den beiden wissen wir es mit Sicherheit. Wir gehen jetzt von Hütte zu Hütte.«
»Was habt ihr mit den beiden Hütten gemacht?«
»Wir haben sie abgesperrt.«
Wisting nickte. Sie hatten wenigstens drei Tatorte, die in Zusammenhang standen, was die Chance, Spuren des Täters zu finden, mindestens verdreifachte. Keine schlechte Ausgangslage.
»Wir haben Kriminaltechniker aus dem gesamten Regierungsbezirk angefordert«, sagte der Einsatzleiter, als wüsste er, was Wisting durch den Kopf ging.
»Was ist mit den Besitzern?«
»Wir sind gerade dabei, sie in einem Hotel in Stavern unterzubringen. Ihr könnt sie morgen früh vernehmen.«
»Habt ihr irgendwas gesehen?«
Der andere schüttelte den Kopf und wollte gerade etwas sagen, als er von Hundegebell ganz in der Nähe unterbrochen wurde. Gleichzeitig knisterte es in seinem Ohrstöpsel. Er hob die Hand und drückte ihn fester in den Gehörgang.
»Die Hundestreife hat das Gelände in östlicher Richtung abgesucht. Sie haben ein Mobiltelefon gefunden«, übermittelte er. »Sie fragen, was sie damit machen sollen.«
»Den Fundort markieren und das Ding herbringen«, sagte Wisting.
Der Einsatzleiter gab es weiter. Kurz darauf kam ein junger Polizist mit dem Mobiltelefon angelaufen, versiegelt in einem Asservatenbeutel aus durchsichtigem Plastik.
»Der Akku ist noch nicht ganz leer«, erklärte er und gab Wisting den Beutel. »Wir sollten besser gleich nachsehen, bevor es ausgeht. Sonst brauchen wir den PIN-Code, um es wieder anzuschalten.«
Wisting nahm den Beutel entgegen. Durch das Plastik hindurch drückte er eine Taste, um das Display zu beleuchten. Es war ein Mobiltelefon von Sony Ericsson und er kannte sich mit der Menüführung aus. Er überprüfte die Gesprächsliste. Nichts. Keine empfangenen oder gesendeten Telefonate. Er fand zurück zum Hauptmenü und rief die SMS-Liste auf. In der Eingangsbox lag nur eine Nachricht, empfangen um 16.53 Uhr. Sie bestand aus nichts als einer Zahl: 2030. Der Absender war eine neunziffrige ausländische Nummer.
Im Ordner der gesendeten SMS lagen zwei Nachrichten an dieselbe Nummer. Die erste war um 16.54 Uhr abgeschickt worden. OK. Die andere um 20.43 Uhr: I am here.
Wisting durchsuchte noch andere Ordner, doch außer den drei SMS waren keine weiteren Informationen gespeichert. Er nahm an, dass es sich bei der Zahl 2030 um eine Uhrzeit handelte. Die Nachricht war mit OK beantwortet worden. Danach hatte der Besitzer des Handys eine SMS geschickt, dass er am verabredeten Ort war. I am here.
»Ich nehme es mit und lade es auf«, sagte Wisting und steckte das Handy in die Jackentasche. »Vielleicht kommen im Lauf der Nacht noch mehr Nachrichten.«
Ein Windstoß ließ Wisting frösteln. Er starrte suchend in die Dunkelheit. Schwarze Dünen und kleine Gruppen von wettergebeugten Kiefern und Wacholderbüschen, an denen der Wind zerrte. Es war erst knappe drei Stunden her seit der schicksalhaften Begegnung, die dazu geführt hatte, dass einer der Männer tot zurückblieb. Der andere konnte immer noch irgendwo hier draußen sein.
»Wir bekommen Hubschrauberunterstützung«, erklärte der Einsatzleiter, der offenbar das Gleiche gedacht hatte.
»Gut«, nickte Wisting. Er hatte nicht vor, so lange zu warten. Er wollte nach Hause und sich trockene Sachen anziehen, und danach musste er ins Büro und die Maschinerie anwerfen.
Er ging denselben Weg zurück, den er gekommen war. Eine Gruppe Journalisten hatte sich oben am Parkplatz versammelt. Einer der Fotografen richtete die Kamera auf Wisting und ergatterte einen Schnappschuss von einem zerfurchten, entschlossenen Gesicht. Als Wisting die Autotür öffnete, hörte er den Hubschrauber kommen. Er flog in niedriger Höhe von Osten heran. Der Scheinwerfer wischte über die Landschaft und fing die Aufmerksamkeit der Reporter ein.
Er zog sich die nasse Jacke aus und warf sie auf den Rücksitz, dann setzte er sich ans Steuer und ließ den Motor an. Die Scheinwerfer schnitten durch die Nacht und erhellten den dichten Laubwald zu beiden Seiten des schmalen Sandwegs.
Plötzlich knallte irgendetwas gegen die Frontscheibe. Wisting stieg auf die Bremse und der Wagen rutschte mit blockierten Rädern über den Sand. Blutspuren und ein paar schwarze Federn klebten an der Windschutzscheibe. Wahrscheinlich hatte er einen Vogel erwischt. Er betätigte die Scheibenwaschanlage, um die Überreste zu entfernen.
Er fuhr weiter, aber schon nach wenigen Metern wurde das Auto wieder von einem Vogel getroffen. Wisting sah ihn wie einen Ball durch die Luft angeflogen kommen, ehe er den Wagen traf und an der Frontscheibe herabrutschte.
Er fuhr den Feldweg weiter, der nach einigen Hundert Metern an der Landstraße zwischen Helgeroa und Stavern endete. Wisting bog nach rechts ab.
Ein dünner Nebelschleier hing über dem dunklen Asphalt. Regennasses Herbstlaub trieb im Wind, wirbelte gegen das Auto und sammelte sich in dem Spalt hinter den Scheibenwischern.
Sein Blick fing im Abstand von ungefähr hundert Metern eine Bewegung am Straßenrand ein. Er ging vom Gas.
Es war ein Mann. Er kam ihm entgegen, auf der anderen Straßenseite. Seine Schritte waren unsicher. Er hob die Hand vors Gesicht, um sich vor dem grellen Fernlicht zu schützen.
Wisting blendete automatisch ab. Im selben Moment griff der Mann sich mit der anderen Hand an die Brust und fiel um.
Wisting warf einen Blick in den Rückspiegel, ehe er anhielt und ausstieg. Die Straße war leer, zu beiden Seiten lagen frisch gepflügte Äcker.
Der Mann bewegte sich nicht.
Wisting ging neben ihm in die Hocke und berührte ihn an der Schulter. »Alles in Ordnung?«, fragte er.
Da er keine Antwort bekam, packte er den Mann und wollte ihn umdrehen.
Urplötzlich wandte der Mann ihm das Gesicht zu. Es war, als läge in seinem Blick eine dünne Schicht Trotz, unter der sich Angst und Furcht verbargen. Eine geballte Faust schoss hervor und traf Wisting mitten ins Gesicht.
Wisting schwankte. Es folgten noch ein paar schnelle Schläge, dann war der Mann wieder auf den Beinen. Wisting streckte die Hand aus und hielt ihn fest. Der Mann riss sich los und schlug wieder nach ihm, ohne jedoch zu treffen. Wisting erhob sich, wich einem weiteren Schlag aus und konterte. Seine Faust traf den Mann in der Magengegend, der andere krümmte sich und schnappte nach Luft. Wisting warf sich auf ihn, um ihn zu Fall zu bringen, wurde aber von einer Reihe Boxhiebe getroffen. Einer davon traf sein Kinn. Seine Zähne gruben sich in die Unterlippe, der Mund füllte sich mit Blut und er ging in die Knie.
Der Mann rannte auf das Auto zu, sprang hinters Steuer, trat das Gaspedal durch und raste mit Vollgas direkt auf Wisting zu. Die Scheinwerfer blendeten ihn. Er sprang zur Seite, rollte sich von der Fahrbahn und blieb liegen. Nach einem kurzen Moment hatten seine Augen sich an die Dunkelheit gewöhnt. Die Umgebung zeichnete sich in verschiedenen Grautönen ab und er konnte gerade noch sehen, wie die roten Rücklichter seines eigenen Autos um die nächste Kurve verschwanden.
Wisting rappelte sich auf, spuckte Blut und fluchte. Sein Mobiltelefon lag im Auto.
Von Weitem konnte er das Geknatter des Hubschraubers hören, der im Niedrigflug die Küste absuchte. Wisting spuckte erneut aus, blickte zurück und versuchte sich zu erinnern, wo das nächste Haus lag. Dann beschloss er, in die dieselbe Richtung zu gehen, in der das Auto verschwunden war.
Nach zehn Minuten tauchten die Lichter eines Bauernhofs auf. Er ging schneller, legte das letzte Stück im Laufschritt zurück.
Es war ein weißes Bauernhaus, zweistöckig mit einer breiten Treppe, flankiert von einer roten Scheune und zwei Stallgebäuden. Mitten auf dem Hofplatz stand eine alte Eiche mit ausladender Blätterkrone.
Ein paar Pferde in der Scheune wieherten und bewegten sich unruhig, als sie ihn witterten.
Oben auf der Treppe saß eine grau-weiße Katze. Sie starrte ihn aus gelben Augen an und machte einen Buckel, ehe sie einen schwarzen Vogel mit spitzem Schnabel, der vor ihr auf der Fußmatte lag, packte und mit ihm im Maul davonlief.
Die Tür war blau gestrichen. Ein großes Keramikschild am Rahmen...
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