Schweitzer Fachinformationen
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Torsten Liem
„Denn unser Leben ist auf das Unendliche hin gerichtet, und es ist in Bewegung…. Das Übel kann den Lauf des Lebens nicht wie ein Straßenräuber anhalten und es seiner Habe berauben. Denn das Übel muss weiter, es muss zum Guten werden; es kann nicht stillstehen und den Kampf mit dem All aufnehmen. Wenn das geringste Übel irgendwo stehen bleiben und zeitlos verharren könnte, würde es tief hinabsinken und die Wurzeln des Seins selbst zerschneiden. (…) …und Wissen ist nichts anderes als ein ständiger Verbrennungsvorgang des Irrtums, um das Licht der Wahrheit frei zu machen.“
Rabindranath Tagore1
Heilkundliche Verfahren existieren bzw. entwickeln sich nicht im luftleeren Raum. Sie entstehen in einem bestimmten historischem Rahmen eines kulturellen und gesellschaftlichen Umfeldes. Dieses prägende Umfeld wird jedoch meist für so selbstverständlich gehalten, dass die zu Grunde liegenden Glaubensmodelle in der Regel unbewusst bleiben.
Wer die Osteopathie ausschließlich als eine Art Offenbarungslehre versteht, läuft Gefahr kultur-, sozial- und wissenschaftshistorische Bedingtheiten im Entstehungsprozess der Osteopathie zu negieren und sich dadurch evolutionären Potenzialen zu verschließen.
Für ein mündiges Verständnis osteopathischer Diagnostik- und Behandlungsverfahren sind deshalb – unter anderem – Einsichten in die sich historisch wandelnden Paradigmen der Heilkunde und des Körpers unbedingt nötig. Diese Kenntnisse ermöglichen Dynamiken und Glaubensmodelle innerhalb der Osteopathie adäquater zu beurteilen und das Heilungspotenzial mindernde reduktionistische Elemente innerhalb der Osteopathie besser differenzieren zu können. Außerdem versetzt es den Osteopathen in die Lage, bewusst und aktiv an der Weiterentwicklung der Osteopathie mitzuwirken, z. B. durch die Identifizierung postmoderner Elemente in der Behandlung, wie auch durch Differenzierung und Umsetzung integraler Vorgehensweisen in der therapeutischen Interaktion. Hier geht es keineswegs darum Altes zu verwerfen, sondern nur darum, den Absolutheitsanspruch beschränkter Sichtweisen zu negieren und ihre Wahrheiten in ggf. ganzheitlichere Modelle, Sicht- und Vorgehensweisen zu integrieren. Ziel ist es, durch die Verwirklichung osteopathischer Diagnose- und Behandlungsprinzipien das bestmögliche Potenzial im Heilungsprozess des Patienten zu entfalten.
Anhand der Untersuchung der Geschichte in der Wissenschaft konnte Kuhn gewisse wiederkehrende Prozesse feststellen.2 Bestehende Paradigmen in der Wissenschaft haben eine gewisse Selbsterhaltungstendenz. Diese führt dazu, dass die akzeptierten Ideen bedingen, welche Hauptrichtung in der Forschung eingeschlagen wird, mit dem hauptsächlichen Ziel das gegenwärtige Paradigma zu legitimieren und zu stützen. Abweichungen, Anomalien bzw. Studien und Hypothesen, die nicht in das gängige Paradigma passen, werden zunächst weit gehend behindert, dann ignoriert sowie im Weiteren zu beheben und zu entkräften versucht. Schließlich mit zunehmender Häufung von Anomalien, erfährt das Paradigma gewisse Anpassungen/translative Veränderungen, um die Erkenntnisse der Anomalien zu integrieren. Ab einem gewissen Punkt jedoch ist das bestehende Paradigma nicht mehr in der Lage, alle diese Anomalien zu integrieren, die inneren Widersprüche und Erklärungsdefizite des Paradigmas werden unüberbrückbar. In diesem Stadium der Krise, des Chaos und der Instabilität entwickelt sich schließlich eine Revolution bzw. Transformation, die mit einer fundamentalen Änderung in der Sichtweise der Dinge einhergehen wird. Ein neues Paradigma ist entstanden. Dieses existiert wiederum solange, bis zunehmende Anomalien schließlich zu einer erneuten revolutionären Veränderung führen. Diese Art der dialektischen Entwicklung kennzeichnet nicht nur die Evolution der Paradigmen der Heilkunde, sondern ist auch ein Merkmal für alle Arten von Holons (s. u.).
Geist und Natur werden als getrennt und ontologisch verschieden erfahren; jenseitsorientiert. Die mythisch-rationale Übergangsphase ist gekennzeichnet durch Rationalisierung von traditionell mythologischen Inhalten und stellt den Übergang zu rationalen Sichtweisen dar, die fähig sind, mythologische Inhalte zu hinterfragen.
Hoffmanns (1660–1742) iatromechanische Sichtweise – in Kontinuität zu Descartes Ideen – versteht Lebensvorgänge als Erscheinungen eines von Gott geschaffenen und vom kosmischen Äther als bewegender Ursache abhängigen Mechanismus. Gestalt und Größe, Bewegung und Zusammenspiel der Bestandteile des Organismus sind bestimmende Faktoren für Gleichlauf oder Defekt, Funktion oder Dysfunktion des Mechanismus.
Stahls (1659–1734) animistischer bzw. psychodynamischer Ansatz sieht – im Gegensatz zur mechanischen Lebensdeutung – den menschlichen Körper nicht als kartesianische Maschine, sondern als einen vitalen beseelten Organismus an, dessen Teile durch die empfindende, erkennende, wollende und steuernde Seele vitalisiert und regiert werden. Essenziell ist hier die Wirkung der Affekte (Freude, Trauer, Zorn, Hoffnung, Liebe) auf die Funktionsfähigkeit der Organe und Gewebe. Krankheiten und Dysfunktionen werden hier vor allem als psychogen angesehen. Die Seele erkennt und heilt diese selbst.
Deutlich erkennbar sind die Kennzeichen osteopathischer Prinzipien in den iatromechanischen Sichtweisen Hoffmanns (Modell der somatischen Dysfunktion) ebenso wie in den vitalen animistischen Sichtweisen Stahls (z. B. Selbstheilungstendenz des Organismus), wiewohl die psychogene Ätiologie deutlich weniger Berücksichtigung im diagnostischen und therapeutischen osteopathischen Vorgehen erlangte. Obwohl Still die mentalen Aspekte nicht hinreichend integrierte, sah er dennoch die Notwendigkeit, in der osteopathischen Behandlung ein Verständnis für diese Aspekte zu erlangen.5
Die Medizin der Aufklärung entwickelt sich – beeinflusst durch die Veränderungen im Rahmen der...
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