Schweitzer Fachinformationen
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"Ich war bei der Geburt meiner Tochter nicht dabei."
Lange quält Frieda Lewin dieser Gedanke, denn die Geburt ihres Kindes endet mit einem Notkaiserschnitt, beide überleben nur knapp. Danach leidet Frieda unter dem traumatischen Erlebnis und dem Gefühl, als Mutter versagt zu haben. Erst eine Traumatherapie hilft ihr – und die Erkenntnis, nicht allein zu sein.
In ihrem Buch bricht sie darum mit dem Tabu um traumatische Geburten und ruft mit viel Humor zu mehr Milde mit sich selbst auf.
»Ne, Frieda - das stimmt gar nicht. Ich finde, du hast voll den Glow«, sagt meine Freundin Emily zu mir. Wir sitzen in einem Café in Wolfsburg, in dem vermutlich einzig hübschen Teil der Stadt. Der Altstadt. Lol. Viel von dieser Altstadt gibt's in Wolfsburg nicht. Wolfsburg. Wie random. Meine Freundin und ich haben an diesem Tag einen Trip in die Autostadt unternommen. Wir wurden eingeladen von der ortsansässigen Tourismusbehörde. Um Wolfsburg auf Instagram von seiner attraktiven Seite zu präsentieren, die Kultur, die Vielfalt, den Weihnachtsmarkt am Karstadt. Oder Galeria Kaufhof? Bei Tedi zumindest. Mit dem ICE sind wir frühmorgens losgefahren - eine Stunde von Berlin. Cappuccino vom Backwerk auf der Fahrt, das Frühstück in dem Café geht aufs Haus, danach gehen wir noch in die Kunstgalerie - by the way, die ist wirklich toll.*
Es ist November. Ich bin zu diesem Zeitpunkt ziemlich schwanger, Ende des 7. Monats. Erst im Februar soll meine Tochter kommen. Unter meinem Bauch habe ich einen Stützgürtel geschnallt. Er zwickt mich beim Frühstück. Ich schnalle ihn ab. Bin erleichtert, dass ich dieses vermeintlich unnütze Ding gerade abnehmen kann, trage den Gürtel ohnehin nicht mit absoluter Konsequenz. Wegen des Drucks auf meine Symphyse. Die schmerzt nämlich höllisch, seitdem ich einmal einen leichten Ausfallschritt beim Sport gemacht habe. Denn so eine Schwangere wollte ich sein: Sport machen mit Kugel. Kulturausflüge nach Wolfsburg, Fahrradfahren, hübsche, gemusterte Kleider tragen, meinen Bauch auf Fotos immer leicht halten, noch ab und an Schuhe mit kleinem Absatz tragen, eine »Working Mom to be« sein - und mit dem sagenumwobenen, von allen Lifestylemagazinen angepriesenen Schwangerschaftsglow gesegnet. Das waren meine Pläne gewesen. Aber na ja: Life is what happens to you while you're busy making plans. Und in meinem Fall: Während man versucht, den Glow zu finden.
Ich seufze in meinen koffeinfreien Cappuccino hinein, schaue dankbar, aber wissend zu meiner Freundin Emily hoch. Wir kennen uns schon ein ganzes Leben, standen früher zusammen mit der Musical AG in der Stadthalle Bad Oldesloe auf der Bühne. Das ist die Kleinstadt, in der ich aufgewachsen bin. Viel roter Klinker, schmale Radwege, windige Felder, alte Kastanien. Hier leben 30.000 Menschen, ein unaufgeregter Ort. Ich kenne Emilys Elternhaus auswendig, sie meines. Heute leben wir beide in der Großstadt, und ich weiß, dass sie mir gerade einfach nur etwas Gutes sagen möchte.
»Ich finde, du hast voll den Glow.«
Zuvor habe ich von meinem Leid geklagt - von meinen Wassereinlagerungen berichtet, von den Schmerzen im Schritt. Und vielleicht empfindet sie es auch tatsächlich gerade so, dass ich hübsch aussehe. Den besagten Glow habe ich mir allerdings heute nur für die Handykamera ins Gesicht gepinselt. Immerhin soll ich Wolfsburg an diesem trüben Novembertag ein wenig anpreisen. Das kann ich nicht verquollen und fahlhäutig tun.
Das dritte Trimester fällt mir schwer. Nein. Eigentlich fällt mir bis hierhin die ganze Schwangerschaft recht schwer. Das hatte ich mir so nicht vorgestellt, als wir beschlossen haben, schwanger zu werden.
Aus einem (im wahrsten Sinne des Wortes) Bauchgefühl heraus sagte ich zu Benni sieben Monate zuvor in unserem Ferienhäuschen in Polen: »Komm, wir werden schwanger!«
Das war damals nämlich so: Es ist mitten in Corona. Wir wohnen seit einigen Wochen in Polen. Es ist zu diesem Zeitpunkt nicht ganz einfach, ins Ausland zu fahren. Überall in Europa gelten Quarantänebedingungen und die Grenzen sind dicht (verrückt, heute so darüber zu schreiben, oder?). Allerdings haben Benni und ich nicht wirklich eine andere Wahl. Denn wir müssen das Häuschen retten. Es ist eigentlich kein Haus mehr, sondern eine misslungene, teils tot geglaubte Baustelle.
Und hier wohnen wir seit einigen Wochen, um das Renovierungsprojekt wieder auf Spur zu bringen. Wir leben über Wochen von Sandwiches aus dem Sandwichmaker, weil die Küche noch nicht da ist. Ich werde Tag für Tag erfinderischer und entwickle am Sandwichmaker neue kulinarische Talente. Bald bereite ich nicht mehr nur Sandwiches in dem Ding zu, sondern brate darin vegane Nuggets, um sie anschließend mit Salat und viel Trüffel-Mayo aus dem Glas in Wraps zu wickeln. Ich schwöre euch: Falls ich jemals ein zweites Buch schreiben sollte, wird es ein Kochbuch: »111 raffinierte Rezepte für den Sandwichmaker«.
Wir haben zu diesem Zeitpunkt viel geschafft, das Haus steht wieder einigermaßen, in ein paar Wochen wollen wir standesamtlich heiraten, also sage ich zu Benni: »Komm, wir werden schwanger.«
So treffen Benni und ich schon immer Entscheidungen. Ein Beispiel gefällig? Die Sache mit dem polnischen Häuschen. Dazu haben wir uns aus einem (beschwipsten) Impuls heraus entschieden. Einst gehörte es Bennis Eltern, doch das Dach war schwer beschädigt und das Haus wurde langsam baufällig. Deswegen standen wir als Paar vor der Entscheidung: Take or toss. Soll das Haus in Familienbesitz bleiben oder sollen seine Eltern es verkaufen?
Wir sagten: Take. Zu diesem Zeitpunkt waren wir etwas über ein Jahr zusammen und komplett ahnungslos in Bezug auf Hausrenovierungen. Zumal wir beide handwerklich nicht besonders begabt sind PLUS kein Polnisch können. Die Vorzeichen standen eher auf waghalsig. Und nun ja, was glaubt ihr, wie das für uns lief? Es dauerte über zwei Jahre, das Haus instand zu setzen. Wir wurden von einem Handwerksunternehmen über den Tisch gezogen, weil wir gutgläubig und irre blauäugig waren (selbst schuld, ehrlich) und Geld für Material vorgestreckt hatten, das dann aber (natürlich!) nicht eingekauft wurde. Wir hatten Wegerechtsstreitereien mit Nachbar:innen, bekamen polnische Anwaltsbriefe, die wir mit Google Translate übersetzten, wir mussten Gutachter kommen lassen, bekamen schließlich das Geld zurück - aber kurz gesagt: Es war ein Desaster. Heute können wir darüber lachen, damals war die Belastung gigantisch. Und unsere Bauchentscheidung für das Renovieren des Häuschens haben wir während der Bauphase mehrfach bereut.
Aber - und das ist die schöne Lehre daraus: Benni und ich haben es letztlich geschafft. Weil wir drangeblieben sind, zueinandergehalten haben, und weil wir zu Coronazeiten viele, viele Wochen auf der Baustelle verbracht - gelebt! - haben. Wir haben gemacht, getan und gebuddelt, geschippt, gehoben, zusammengeklebt und gehämmert, telefoniert, geregelt, gesprochen und gemanagt. Und wir haben uns Sandwiches gemacht. Viele, viele Sandwiches. Das hat Benni und mich unglaublich fest zusammengeschweißt. Natürlich stritten wir uns auch, ohne Frage, das ganze Renovierungsding hat uns deutlich mehr gekostet, als wir einst mal berechnet hatten. Kohle, die wir eigentlich nicht hatten. Doch heute, fast fünf Jahre und ein halb abbezahlter Kredit später, sind all die Streitigkeiten und Sorgen von damals hinter einem dunstigen Nebel verschwunden.
Was aber bleibt aus dieser Zeit, sind lichtwarme Erinnerungen an die kuscheligen Stunden zu zweit im Bett (das obere Stockwerk war schon ausgebaut, während unten noch der Beton mit Plastikplanen abgedeckt war). Was bleibt, sind Fotos von Benni, wie er stolz dicke Wurzeln in die Höhe hält, die er zuvor ausgebuddelt hat, damit wir Rasen aussäen können. Was bleibt, sind die Klänge unserer Jubelrufe, als wir endlich eine Küche hatten. Was bleibt, ist die Erkenntnis, dass die Entscheidung für das Haus die richtige Entscheidung war - eben WEIL wir sie aus einem Impuls, aus dem Bauch, aus dem Herzen heraus trafen.
Und so machen wir es seit jeher. Wir entscheiden uns einfach. Aus dem Bauch heraus. Und gehen es dann an. So haben wir uns einst für die Hochzeit entschieden. Und so entscheiden wir uns auf ebendieser Baustelle, in ebendiesem polnischen Häuschen, das zu dem Zeitpunkt kein Häuschen war, für ein Kind.
Also machten wir uns »an die Arbeit«. Schwer fiel uns das nicht. Es waren ein paar gut investierte Minuten. Hehe. Es klappte bald. Und dann begann die so called magische Zeit.
Versteht mich nicht falsch. Wir freuten uns wie Bolle, als die frohe Botschaft auf dem Schwangerschaftstest erschien. Mir ist vollkommen bewusst, dass dies keineswegs selbstverständlich ist. Aus meinem engsten Umfeld kenne ich die tiefen Schmerzen, die entstehen, wenn sich der Kinderwunsch eben nicht so bald erfüllt. Damals, auf dem Weg zur Mutterschaft, habe ich dieses unglaubliche Glück vielleicht nicht so intensiv reflektiert, wie ich es heute tue. Heute, auch weil ich später auf der Reise zur kleinen Motte mit Verlust und Schmerz konfrontiert wurde, sehe ich vieles klarer. Und ich bin umso dankbarer, dass uns die Erfahrung des bangen Wartens erspart blieb. Ich wusste sofort, dass ich schwanger bin, als ich ein paar Tage überfällig war. Oder viel eher: Mein Körper wusste es. Er ist ein verlässliches Ding, mein Körper ist schlau. Wie schlau er sein würde, ahnte ich noch nicht. Heute, im Nachhinein, nachdem das alles nun ein paar Jahre zurückliegt, denke ich mir: »Hätte ich doch mal besser auf den alten Kumpel gehört.« Aber dazu ein paar Seiten später mehr.
An einem Donnerstagmorgen im Juni machte ich den Schnelltest. Es war fünf Uhr morgens, und die Worte auf dem Test sprachen eine eindeutige Sprache. Schwanger, 3+. Ich schlich zurück ins Bett, Benni schlief noch. Eigentlich wollte ich ihn weiterschlafen lassen, ihm mit großen Worten oder einer kleinen Geste von unserem Glück...
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