Schweitzer Fachinformationen
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Donnerstag, 18. August
»Ich«
Die Gedanken drehen sich in meinem Kopf, mal glaube ich zu wissen, was ich tun muss, dann kommen Zweifel auf. Kann ich den Weg der Ungewissheit gehen? Bin ich bereit für einen solchen Schritt? Ich zweifle an der Umsetzung meiner innersten Wünsche.
Letzte Nacht bin ich wieder aufgewacht, hatte erneut diesen Traum. Schweißgebadet bin ich zur Toilette gegangen, die dunklen Ringe unter meinen Augen zeigen mir, ich muss handeln, etwas tun für meinen inneren Frieden.
Kann tatsächlich nur der Tod mir helfen? Mir das geben, was mein Herz sich wünscht? Ich habe einmal gelesen, dass es klug sei, nie spontan eine wichtige Angelegenheit zu entscheiden oder auszuführen. Und doch hoffe ich auf eine Fügung, ein Zeichen, dass ich handeln soll und tun kann, was mein Herz sich wünscht, um wieder zur Ruhe zu kommen.
Anna
Die Nacht mit Manfred war schön, genauso wie ich es erhofft habe. Mich wundert, dass Manfred nichts zu dem großen Blumenstrauß gesagt hat, einen Blick auf die Karte mit dem Namen von Alfons Krause hat er geworfen, das war mir nicht entgangen. Heute Morgen habe ich gemeinsam mit Manfred das Haus verlassen. Anschließend haben wir uns noch in die kleine Bäckerei um die Ecke gesetzt, um den Tag mit einem leckeren Frühstück zu beginnen.
»Anna? Was ist los mit dir? Bist du gedanklich noch bei letzter Nacht?«, Manfred kaut auf seinem Käsebrötchen, lacht mich verschmitzt an.
»Ja . also eigentlich suche ich jemanden«, blicke ich mich nervös um.
Manfred legt sein Brötchen auf den Teller. »Muss ich das jetzt verstehen? Du suchst jemanden nach dieser Nacht?« Manfred grinst über das ganze Gesicht.
»Kannst du bitte einmal ernsthaft bleiben, Manfred? Bitte, mir ist gerade nicht nach Lachen zumute«, sage ich. Dass mich etwas bedrückt, ist offensichtlich. Der Griff in meine Umhängetasche scheint sich nicht mehr vermeiden zu lassen, jedenfalls nicht, wenn ich will, dass Manfred mein Verhalten versteht. Ich schiebe einen Brief über den Tisch.
»Lies, was darin steht!«
»Anna! Seit wann bekommst du solche Schreiben?«, Manfred wird laut. Einige Gäste, die ebenfalls frühstücken, sehen zu uns rüber. Etwas leiser fügt er nach: »Das ist nicht zum Lachen, du solltest mal mit der Jil darüber reden.«
Ich schiebe meinen Teller zur Seite. »Das bringt doch alles nichts.«
Manfred nimmt einen Schluck Kaffee und sieht mir in die Augen. »Doch, Anna. Das merkst du doch selbst: Ich sehe eine eingeschüchterte junge Frau vor mir. So kenne ich dich nicht, Anna. Du bist immer die Lebenslustige, die Verrückte gewesen.« Die Sorge ist deutlich in seiner Stimme zu hören.
»Lieben Dank für diese nette Zusammenfassung.«
Manfred hakt noch einmal nach und möchte wissen, seit wann ich diese Drohbriefe erhalte.
»Richtige Drohbriefe sind es ja nicht. Es ist auch erst der zweite Brief«, bemerke ich abwehrend.
»Anna, kannst du bitte mal aufhören, dauernd nach hinten zu schauen? Ich bin doch hier, und wenn jemand kommt, dann sehe ich ihn.«
Auf dem anschließenden Weg in die Redaktion will Manfred wissen, woran ich gerade arbeite. Meine Versuche, alles banal klingen zu lassen, fruchten nicht. Ich rede über das Feuerwehrfest, den Seniorennachmittag im Altersheim, doch das alles interessiert Manfred nicht.
»Und jetzt die Wahrheit, Anna!« Er hält mir die Tür zur Redaktion auf und will eine richtige Antwort von mir.
»Es gibt nichts Relevantes, du nervst mich, Manfred!«, weiter komme ich nicht, mein Blick trifft den von Martin Krause, der in unserer Redaktion bereits auf mich wartet.
»Entschuldige mich bitte«, sage ich zu Manfred.
Der bleibt noch einen Moment stehen, beobachtet uns, dann geht auch er in sein Büro.
Ferdinand von Tannenberg
Die Wahl zum Verbandsbürgermeister ist nun schon drei Wochen her. Mit einem Ergebnis von 61 Prozent kann ich gut leben. Selbst Bürgermeister Karbach hatte mir gratuliert, einen rührenden Brief geschickt und sich und mir eine gute Zusammenarbeit gewünscht. Ich bin kein Anfänger und natürlich werde ich mit ihm Hand in Hand arbeiten, jedenfalls immer dann, wenn es mir zugutekommt.
Lachen muss ich, wenn ich an Karbach denke, den kleinen Ortsbürgermeister. Gut, ich hatte seinen Posten auch einmal gewollt, musste mich jedoch mit einem zwar guten, aber nicht befriedigenden Wahlergebnis abfinden. Vorbei! Seit meinem Einzug in die Verwaltung fühle ich mich wieder gut.
Auf meinem Schreibtisch steht ein Foto von Roman, meinem Jungen. Die Beerdigung war kaum zu ertragen. Menschen von nah und fern waren angereist, so richtig hatte ich das Ganze damals nicht mitbekommen. Ein Kind sollte nicht vor seinen Eltern sterben. Der Schmerz bleibt noch für eine lange Zeit. Meine Frau ist daran zerbrochen. Sie lebt inzwischen in einer Klinik für psychisch kranke Menschen, kommt immer mal wieder an den Wochenenden nach Hause, wenn sie sich dazu in der Lage fühlt.
Meine Sekretärin reißt mich aus meinen Gedanken, meldet mir den Besuch von einem der größten Bauunternehmer der Region an. Die Arbeit wird mir guttun, denke ich noch, als ich den Mann zusammen mit seinem Sohn begrüße.
Alfons Krause ist eine Persönlichkeit. Sein Imperium, wie ich es heimlich nenne, ist beachtlich.
»Kann ich Ihnen etwas anbieten? Kaffee, Tee, lieber ein Glas Wasser?« Mit einer Handbewegung deute ich auf die beiden freien Sessel in meinem Büro und bitte die Herren, dort Platz zu nehmen. Martin, Krauses Sohn, ist mir nicht unbekannt, ich habe ihn schon einige Male bei Jagden gesehen.
»Der Junge soll nach und nach in meine Geschäfte eingeführt werden«, erklärt mir Alfons Krause die Anwesenheit seines Sohnes und lässt sich dabei auf den Sessel fallen. Seine Leibesfülle ist nicht zu übersehen, er atmet schwer. Mein Blick wandert zu Martin, der seinem Vater durchaus ähnlich sieht.
»Kommen wir am besten gleich zum Grund unseres Besuches«, übernimmt Martin Krause das Gespräch. »Wir hatten bereits ein Treffen mit Ortsbürgermeister Karbach, es geht um den Bau eines Gewerbeparks am Rande von Kamp-Bornhofen.«
Ich nicke. »Karbach hat mich bereits informiert, wenn auch nur mit spärlichen Informationen. Ich sehe einige Probleme in der Ausführung.«
»Wir sind nicht zu Ihnen gekommen, um etwaige Probleme, die auftreten könnten, zu diskutieren. Sie sollten doch daran interessiert sein, dass wir uns hier in Ihrer Verbandsgemeinde ansiedeln! Es gibt andere Standorte, an denen öffnen die Bürgermeister uns freiwillig Tür und Tor!« Alfons Krause blickt stolz zu seinem Sohn Martin.
Mir wird warm, ich löse meine Krawatte ein Stück. »Der Sturm-Hof, ich denke, die Leute werden ihn nicht verkaufen. Das ist ein Problem, das wir nicht so einfach aus der Welt schaffen können.«
Mir fällt Anna, die Tochter der Sturms, ein. Anna ist eine so fröhliche und natürliche Persönlichkeit. Ein Lachen von ihr und ich fühle mich in meiner Haut wieder wohl. In den letzten Wochen habe ich mich öfter gefragt, wie ein Leben mit dieser jungen Frau an meiner Seite wäre. Klar, die Anna ist impulsiv, temperamentvoll, noch sehr jung und trotzdem, mit ihr kommt man sicher gut zurecht und ich könnte wieder leben. Meine Frau ist vom Kummer zerfressen. Sobald sie in meiner Nähe ist, überträgt sich dieses Gefühl auf mich. Es macht mir Angst, und das wenige, das mir vom Leben geblieben ist, ich will es genießen. Anna ist eine Frau, die nichts von Ehe und Enge hält, das hat sie mir gesagt, selbst dabei hat Anna gelacht.
»Hören Sie mir noch zu?«, die Stimme von Martin Krause dringt zu mir, »Herr von Tannenberg?«, Martin macht eine Pause, greift nach seiner Kaffeetasse. »Nehmen Sie sich doch dieser Aufgabe an!«, kommt er nun konkret auf den Punkt. »Es soll nicht zu Ihrem Schaden sein und sicherlich können wir uns erkenntlich zeigen, wenn Sie erfolgreich mit den Sturms reden. Sie sind doch ein passionierter Jäger. Vielleicht kommen Sie im November zu unserer Jagd?«
Mir ist nicht wohl bei dem Gespräch. Die Jagd von Alfons Krause ist in der Tat bekannt. Ich habe mich immer gefragt, warum ich bisher keine Einladung bekommen habe. Andererseits, so überlege ich, ist es auch meine Aufgabe als VG Bürgermeister, dafür zu sorgen, dass sich Gewerbe in unserer Region ansiedelt. Ein Gespräch mit den Sturms ist also angebracht.
»Reden kann ich mit den Leuten. Sie sind allerdings nicht einfach, die Sturms.« Meine Stimme schwankt, es ist mir unangenehm.
Martin und Alfons Krause lachen. »Das ist noch charmant ausgedrückt. Er ist ein grantiger und verbissener Alter, sie ein störrisches Weib. Für die beiden wäre ein Umzug in ein Altersheim doch geradezu ein Segen.« Alfons Krause steht mühsam auf. »Dann sehen wir uns in ein paar Tagen wieder. Auf gute Zusammenarbeit!«
Ich begleite die beiden Männer noch bis zum Ausgang. Alfons Krause reicht mir seine Hand mit den Worten: »Es gibt noch etwas, das Sie interessieren wird«, lächelnd entzieht er mir seine Hand.
Martin klopft mir auf die Schulter. Sein Vater wartet einen Augenblick, bevor er weiterspricht. »Wenn wir mal die Zeit für unsere Passion finden .«, stoppt er seine Worte. Mir ist nicht ganz klar, warum er erneut die Jagd erwähnt. Soll er mich doch einfach zu sich einladen, denke ich mir und spüre, dass ich nervös werde. »Sie wissen doch, wo Tauben sind, fliegen Tauben hin«, lachend fällt die Tür hinter Alfons und Martin Krause in das Schloss.
Ich bin froh, von den beiden erlöst zu sein. Innerlich allerdings steigt die Freude darüber in mir auf, endlich zu dieser Jagd...
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