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Was veranlasst einen erfolgreichen Komponisten, Musiklehrer und Kirchenchorleiter, der seinen Lebensunterhalt mit Komponieren, Dirigieren und Spielen verdient, sein Leben den Sternen und Planeten zu widmen? Und der dann auf diesem Gebiet auch noch sehr erfolgreich und berühmt wird. Er wird einen neuen Planeten entdecken, neue Monde, und er wird die Milchstraße mit seinen selbst gebauten Spiegelteleskopen durchforsten. Mit seinen Fernrohren, die besser waren als die offiziellen Instrumente der Universitäten und Forschungsinstitute, wird er die erste Durchmusterung unserer Heimatgalaxis durchführen und damit die galaktische Astronomie begründen.
Abb. 1: Friedrich Wilhelm Herschel in einem Porträt von 1791.
Aber beginnen wir von vorne. Friedrich Wilhelm Herschel (wie er mit vollständigem Namen hieß, in Deutschland meist nur Wilhelm genannt), 1738 in Hannover geboren, war aus seiner deutschen Heimat auf die Britischen Inseln geflohen. Die vielen Kriege auf dem Kontinent, vor allem der Siebenjährige Krieg, hatten ihn 1756 endgültig ins Vereinigte Königreich gebracht, wo er in den folgenden Jahren als Chefdirigent und Leiter eines der besten Orchester Englands in Bath, einem Zentrum des gesellschaftlichen und kulturellen Lebens, zahlreiche Erfolge feierte und ein allseits beachteter und hochangesehener Künstler wurde.
Herschel entstammte einer Musikerfamilie, die sich seit zwei Generationen nicht nur der Musik, das heißt der Komposition und der öffentlichen Aufführung, gewidmet hatte, sondern die sich auch, ganz im Geiste der Aufklärung, intensiv einer allgemeineren Bildung ihrer Kinder widmete. Kurzum, die Herschel-Kinder konnten nicht nur hervorragend Musik machen und singen, sie waren auch gut in Sprachen, Mathematik und Astronomie. Diese gemeinsamen familiären Interessen spielten durchaus eine Rolle, als Herschel, dessen musikalische Erfolge in Bath ihn reich gemacht hatten, seit dem Tode seines Vaters Isaak 1767 alle seine Geschwister nacheinander zu sich nach England holte. Zunächst den älteren Bruder Jakob, der sich jedoch mehr in London als in Bath aufhielt, dann den zwölfjährigen Dietrich, den 24-jährigen Alexander und schließlich seine 20-jährige Schwester Caroline. Wilhelm wollte ihren Lebensunterhalt sichern und zusammen mit ihnen das musikalische Angebot in Bath erweitern. Und so kam es, dass auch Caroline 1772, nach 15 Jahren unentwegter Haushaltsarbeit im väterlichen Hause, ihren Bruder nach England begleiten durfte. Vorher aber musste Wilhelm mit seiner Mutter im Gegenzug über eine jährliche Pension und die Bezahlung einer Haushälterin verhandeln.
Caroline traf im Oktober 1772 zusammen mit ihrem Bruder in Bath ein, ohne ein Wort Englisch zu sprechen. Für Heimweh fehlte ihr nach der Ankunft in England jedoch die Zeit, da die Vorbereitungen der kommenden Konzertsaison sie voll in Anspruch nahmen. Auch musste sie sich rasch mit dem Haushalt, dem Einkaufen und mit dem Aussortieren von Noten für den Chor, den ihr Bruder leitete, vertraut machen. Da Herschel von Carolines Stimme sehr angetan war, hegte sie den Traum, als Solistin in den jährlichen Konzerten und Oratorien, die ihr Bruder organisierte, zu singen. Ihm fehlte jedoch die Zeit, sie zu unterrichten, also blieb ihr nichts anderes übrig, als täglich morgens um sieben Uhr während seines Frühstücks Gesangsübungen vor ihm zu machen.
Erfolg erzeugt den Neid der Konkurrenten. Und so geschah es auch Herschel. Die große Arbeitsbelastung als musikalisches Multitalent, Musikmanager, Organist und Komponist raubte dem »Workaholic« Herschel viel Energie, aber so richtig fertig machten ihn die Streitereien um Tantiemen und Rechte mit dem Musikdirektor der Stadt Bath, Thomas Linley. Im Frühjahr 1773 war Herschel derart erschöpft, dass er sich nach den Unterrichtsstunden und zum Leidwesen Carolines mit einer heißen Tasse Milch und seinen Büchern stundenlang in seinem Zimmer einsperrte.
Natürlich gehörten in der Zeit an erster Stelle Werke über Musik zu Herschels bevorzugter Lektüre. So unter anderem die Harmonielehre von Robert Smith. Der hatte aber noch ein ganz anderes Werk verfasst, das unter dem Titel A Complete System of Optics erschienen war, in dem unter anderem auch das Verfahren zu Herstellung und Schleifen von Teleskopspiegeln recht gut beschrieben war. Aber nicht jeder, der ein Buch über Optik liest, beginnt kurz darauf auch damit, Spiegel für Fernrohre zu schleifen. Da muss noch etwas hinzukommen. Und in der Tat beschäftigte Herschel auch das populärwissenschaftliche Buch Astronomy explained upon Sir Isaac Newton's principles and made easy to those who have not studied mathematics des schottischen Astronomen James Ferguson, das zahlreiche Himmelsobjekte beschrieb, in ganz besonderem Maße.
Unter dem Eindruck der Lektüre dieser beiden Bücher begann sich Herschel zu verändern. Seine Schwester Caroline bemerkte dies als Erste. Ihr Bruder war mit einem gemieteten kleinen Spiegelteleskop nach Hause gekommen, hatte es in seine Einzelteile zerlegt und beschlossen, ein eigenes zu bauen. Später formulierte er es so: »nichts auf puren Glauben hinzunehmen, sondern mich von allem, was andere vor mir gesehen, mit eigenen Augen zu überzeugen«. Durchaus ein Credo seiner Zeit, beflügelt womöglich durch eine persönliche Begegnung mit dem Philosophen David Hume, einem bedeutenden Vertreter des Empirismus. Nicht zuletzt Fergusons herrliche Beschreibung der Himmelskörper wird ihn aber ebenso inspiriert haben, selber die Gestirne zu beobachten, sie mithilfe des Teleskops mit eigenen Augen zu sehen. Allerdings merkte Herschel bald, dass die handelsüblichen Teleskope zu klein und zu lichtschwach waren für das, was er sehen wollte.
Und so begann er selbst Hand anzulegen. Dank Smiths Optikbuch wusste er ja, was er tun musste. Und er tat es. Herschel war wirklich ein Macher, er fackelte nicht lange, sondern besorgte sich alles, was er brauchte. Bei einem alten Händler kaufte er die nötigen Werkzeuge und sogar eine metallene Gussform. Mit einer Kutsche voll beladen mit diesen Schätzen kam er nach Hause. Und so konnte es eigentlich gleich losgehen.
Ja, eigentlich, doch neben seiner Tätigkeit als Organist hatte Wilhelm noch acht Schüler, die er täglich unterrichten musste. Erst danach konnte er zu Hause damit anfangen, Spiegel zu gießen und zu polieren. Zu Carolines Schrecken verwandelten sich bald alle Zimmer des Hauses in eine Werkstatt. Überall lagen Werkzeuge, in einem der Schlafzimmer stand eine Drehbank, das hübsch eingerichtete Empfangszimmer war voll mit zu schleifenden Gläsern, und es herrschte eine fieberhafte Atmosphäre. Von Caroline wissen wir, dass sie ihm »die Speisen bissenweise in den Mund geben musste, um ihn am Leben zu erhalten«, etwa als Herschel einen Spiegel bei der Politur 18 Stunden lang nicht aus der Hand legte. Dutzende von Spiegeln wurden so hergestellt, von denen sich jedoch nur wenige als für Teleskope geeignet erwiesen. Doch Herschel hörte nicht auf, sein Haus wurde vom Musentempel der Musik zur Teleskopfabrik.
Caroline begann unter dem »Doppelleben« des Bruders, der von der Astronomie besessen war, sehr zu leiden und sah ihre Träume als Sängerin bald begraben. Anstatt zu singen, musste sie nun stundenlang Röhren aus Pappe für die Teleskope herstellen, die sie nicht einmal hochheben konnte.
Die Werkbank für immer größere Spiegelfernrohre beanspruchte inzwischen so viel Platz, dass ein Umzug nötig wurde. Wegen Wilhelms großer Leidenschaft zogen die Herschels 1774 in einen Außenbezirk von Bath, in ein größeres Haus mit einem größeren Grundstück, auf dem jetzt noch größere Teleskope aufgestellt wurden: Spiegelteleskope mit einem Durchmesser von 16 bis 33 Zentimetern. Mit diesen Teleskopen und ohne klares wissenschaftliches Ziel führte Herschel seine erste Himmelsdurchmusterung durch. Deshalb gilt er auch als der Erfinder der heutigen »Surveys«, mit denen man versucht, sich am Himmel eine Übersicht zu verschaffen. Was ist alles da oben am nächtlichen Firmament? Für ihn waren diese Inventuren vor allem systematische Qualitätstests seiner Teleskope. Er ahnte nicht, dass er gerade dabei war, die zu seiner Zeit besten Teleskope der Welt zu bauen. Die Qualität der professionellen Teleskope der königlichen Sternwarte Greenwich hatte er auf jeden Fall schon bei Weitem übertroffen!
Abb. 2: Wilhelm Herschel beim Polieren eines Teleskopspiegels, während seine Schwester Caroline ihn füttert.
Auch heute noch würde es eigenartig anmuten, wenn auf einem Wohngrundstück große Holzgerüste mit Fernrohren aufgebaut würden. Sicher werden viele seiner Zeitgenossen damals den Kopf geschüttelt haben über diesen merkwürdigen Musiker, der doch so großartig Musik machte und jetzt den Sternen hinterherguckte. So ein Spinner, werden manche gedacht haben. Auf jeden Fall war Herschel der klassische Fall eines begeisterten Amateurs. Und Amateur wäre er auch geblieben, wenn ihn nicht eines Abends, als er wieder einmal sein 16-Zentimeter-Spiegelteleskop zum Mond hin gerichtet hatte, ein scheinbar zufällig vorbeikommender Mann darum gebeten hätte, ihn einen Blick in das Fernrohr werfen zu lassen. Am nächsten Morgen kam derselbe Herr ins Haus der Herschels. Erstens, um sich zu bedanken, und zweitens, um sich als Sir William Watson, Arzt und Mitglied der Royal Society in London, vorzustellen. Er lud Herschel ein, Mitglied der neu gegründeten Philosophischen Gesellschaft in Bath zu werden. Diese Einladung sollte zum wichtigen Wendepunkt im Leben des Musikers werden, denn von nun an konnte er sich intensiv mit interessierten Gleichgesinnten austauschen. Und dieser...
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