Schweitzer Fachinformationen
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Die Tische sind U-förmig aufgestellt. Sabine sieht es durchs Fenster. Sie war ewig nicht hier. Nicht, dass sie das Dorf vermisst hätte. Sie hat sich fest vorgenommen, hier herzukommen. Vor ihrem vierzigsten Geburtstag. Und sie hat es geschafft. Eigentlich müsste ich stolz auf mich sein.
Einige haben die Köpfe zusammengesteckt und unterhalten sich. Sabine reißt sich von dem Anblick los und biegt um die Hausecke in Richtung Eingangstür. Der Wirt hinter der Theke grüßt freundlich und deutet zum Extrazimmer.
Sie bleibt einen Moment stehen, die Hand am Türrahmen. Ein paar bekannte Gesichter schauen neugierig zu ihr hin. Sie setzt ein fröhliches Lächeln auf. „Hallo zusammen, ich bin’s, die Sabine.“
Vereinzelt wird gelacht.
„Hallo. Grüß dich. Servus“, wird sie begrüßt.
Sie schüttelt Hände.
„Gerhard, hallo. Elfi, na so was. Grüß dich, Konrad.“
Den hätte ich fast nicht wieder erkannt. Alt schaut er aus. Macht das die Glatze? Nur bei zwei Gesichtern muss sie passen. Peinlich, dass mir die Namen nicht eingefallen sind. Sie überspielt es gekonnt, lobt, dass so viele gekommen sind. Nach 25 Jahren haben alle etwas zu erzählen und es zeigt sich, was aus den Wünschen, Träumen und Hoffnungen geworden ist. Einer der ehemaligen Lehrer sitzt am Tischende. Nur er hat sich Zeit genommen?
„Mia ist noch nicht da?“ Sabine vermisst die Kollegin. Sie war die einzige, die sich ab und zu bei ihr gemeldet, losen Kontakt gehalten hat.
„Sie kommt später. Steckt irgendwo im Stau.“
Sabine schaut sich nach einem Platz um, bemerkt Klaus, der von den Toiletten her kommt. „Klaus, lange nicht gesehen.“
Er mustert sie. Es dauert einen Moment, bis er sie erkennt. Sie merkt es am Grinsen, das bis in seine Augen reicht. „Sabine. Ich glaub’s nicht. Dass du dich wieder einmal her traust.“
Trauen? Ein wahres Wort. Sie geht nicht darauf ein.
„Du hast dich fast nicht verändert“, schmeichelt er. „Immer noch das Rauscheengerl mit den blitzblauen Augen.“
Christkindl, so haben sie sie manchmal genannt, wegen der hellblonden, gekräuselten Haare. Und Rauscheengel, seit sie beim Krippenspiel als Erzengel Gabriel die Ankunft des Heilands verkündigt hat. Sabine hat diese Spitznamen nie gemocht. „So herzig“, haben die Leute immer gesagt und ihr dabei die Wange getätschelt.
„Aber geh. Grau werd ich langsam“, schwächt sie ab.
„Seh’ ich nicht. Bei dem Licht. Außerdem werden wir alle nicht jünger.“
Du hast dich sehr verändert ... der Bart und die Stirnglatze. Auch ein kleines Bäuchlein zeichnet sich unter dem gestreiften Hemd ab. Wahrscheinlich vom Bier.
„Rauchst du?“ Klaus hält Sabine die Zigarettenpackung hin.
„Nein danke“, lehnt sie ab. „Das hab’ ich mir Gott sei Dank schon vor Jahren abgewöhnt.“
„Bring mir noch ein Krügerl!“, ruft er der Serviererin zu.
Sabine hat Lust auf ein Glas Wein. Nicht, wenn ich später noch fahren muss. „Einen gespritzten Apfelsaft.“
Die Kellnerin nickt.
„Und die Karte. Habt ihr schon bestellt?“
„Ich hab’ keinen Hunger.“ Klaus reicht der Servierkraft sein leeres Glas. Er zündet seine Zigarette an und nimmt einen tiefen Zug.
„Sonst noch Wünsche?“ Die Kellnerin schaut fragend in die Runde.
„Jetzt erzähl!“ Sabine setzt sich zu Klaus. „Kommt Leonhard auch?“
„Schon. Wenn er nicht gerade Schafe schert oder Käse macht“, witzelt Klaus.
„Leonhard und Schafe, wie das?“
„Da merkt man, dass du ewig nicht mehr da warst.“ Klaus schaut sie neugierig an.
Sie hört die Frage hinter der Feststellung. „Wieso hat Leonhard Schafe?“, fragt sie erneut.
„Er versucht sich als Bauer, verkauft Käse, manchmal Fleisch und natürlich die Wolle.“
„Und davon kann er leben?“ Die Frage ist berechtigt, Schafzucht hat hier keine Tradition.
Klaus zuckt die Schultern. „Das musst du ihn schon selber fragen.“
„Leonhard. Bauer?“ Sabine schüttelt den Kopf. „Dieser Weltenbummler und Revoluzzer. Das hätte ich ihm nie zugetraut.“
„Ja, ja. So geht es.“ Klaus nimmt das frische Bier entgegen, trinkt einen Schluck und stellt das Glas auf dem Bierdeckel ab.
„Und du, was ist aus dir geworden? Auch ein Bauer, vielleicht?“, versucht sich Sabine an einem Scherz.
„Seh’ ich etwa so aus?“
„Wie ein Bauer? Keine Ahnung. Wie sehen die denn heutzutage aus?“
Klaus geht nicht darauf ein. „Wär’ vielleicht gar keine so schlechte Idee gewesen. Die Arbeit in der Natur hat mir schon immer getaugt.“ Er seufzt: „Nein, nein, ich bin Tischler geworden.“
„Ach so?“ Die Finger sind alle noch dran. „Und wo arbeitest du?“
„Beim Binder, der Tischlerei, da im Ort.“
„Kenn’ ich, da bin ich vorbei gefahren.“
Klaus nickt und trinkt wieder von seinem Bier. „Ja, ja und du?“
„Nichts Besonderes. Ich bin in der Telekommunikationsbranche, Assistentin der Geschäftsführung.“
„Interessante Arbeit?“
„Geht so. Mir gefällt’s.“ Sabine klingt überzeugend.
„Familie?“
„Nein, sollte wohl nicht sein.“ Das Thema ist ihr unangenehm. „Du?“
„Ja, zwei Kinder, Mädchen. Die eine ist schon aus dem Haus.“
Sabine fällt auf, wie wenige Worte ihre Unterhaltung braucht. In aller Knappheit ist vieles gesagt, 25 Jahre zusammengefasst.
„Wollt’s Fotos sehen?“ Martha drängt sich neben Sabine auf die Bank und schiebt das adventliche Tischgesteck mit Kiefernzapfen und Bienenwachskerze zur Seite.
Eigentlich nicht! Sie will nicht unhöflich sein. „Gern.“ Sabine rückt ihren Apfelsaft ein Stück von sich weg und beugt sich über die Fotos. Schnappschüsse von einem Einfamilienhaus, üppig blühende Pelargonien auf dem Balkon.
„Da wohn’ ich, in Kärnten, gleich hinter der steirischen Grenze. Mein Mann ist Eisenbahner, wir haben gebaut“, erklärt Martha. „Und das sind die Kinder. Manfred, der Älteste, Marianne und Theresa, unser Nesthäkchen.“
Fett, dieses kleine Kind. Sicher auch verwöhnt. In Augenblicken wie diesen ist sie besonders froh, kinderlos geblieben zu sein. „Schön“, sagt sie lapidar. „Hübsche Kinder.“
Martha scheint mit ihren Kommentaren zufrieden.
„Gefällt’s dir in Kärnten?“
„Gut. Ich hab’ mich eingelebt. Am Anfang braucht es seine Zeit, bis einen die Einheimischen akzeptieren. Aber ich komm’ immer noch gern heim, die Eltern, weißt eh“, sprudelt Martha los.
„Und du? Wo hat es dich hinverschlagen? Dich sieht man ja überhaupt nie mehr hier. Kommst du eigentlich noch manchmal?“
„Nein. Ich hab’ ja niemanden mehr hier“, rechtfertigt sich Sabine. „Meine Mutter ist in die Stadt gezogen. Das weißt du wahrscheinlich eh. Und zu den beiden Onkeln haben wir nie viel Kontakt gehabt.“ Sie beobachtet Martha. Ob sie mir glaubt?
„Das Landleben vermisst du nicht?“ Martha war schon immer so. Eine von denen, die den Kopf in den Sand stecken. Oder wie diese drei Affen. Augen zu, Ohren zu, Mund zu. Was will ich bloß hier?
„Nein. Ganz bestimmt nicht.“ Sabine schüttelt den Kopf. „Ich bin ein Stadtmensch geworden. Ohne die Hektik und das brodelnde Leben könnte ich gar nicht mehr sein.“ Sie lacht, überspielt, dass das Gespräch sie nervt.
„Kann ich mir nicht vorstellen. Ich würde verrückt ohne die Natur. Nur graue Häuser, stinkige Luft und dieser Straßenverkehr.“ Martha streicht liebevoll über das Bild mit ihrem Haus.
Dumme Kuh. „Dafür habe ich die kulturellen Möglichkeiten, die Oper, die Museen ...“, verteidigt Sabine die Stadt.
„Die Oper ist nichts für mich. Kino, ja …“
Fachlehrer Kindler, der ehemalige Klassenvorstand, unterbricht das Gespräch....
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