Schweitzer Fachinformationen
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Auf welchen kompositionstechnischen Fundamenten baust Du auf?
Auf allen, die es gibt. In der Aufzählung möchte ich mit der Reihe beginnen. Ich verwende sie keinesfalls orthodox, vielmehr harmonisch völlig frei und variabel. Sie stellt nur eine Art Ordnungsprinzip dar. In früheren Werken habe ich die Melodik und Harmonik vollständig aus Reihen abgeleitet. Bei der Oper "Radek" verwendete ich dann aber zum ersten Mal auch Akkorde, die nicht aus der werkbestimmenden Reihe kamen. Da ich bei dieser Oper mehr Material brauchte, schöpfte ich aus den gesamten Harmonien, erfand neue dazu.
Wie ist Deine Harmonik generell aufgebaut?
Sie ist weit von der traditionellen Harmonik entfernt, komplett ausgehorcht und aus dem Grundmaterial jedes Werkes abgeleitet. Daraus entstand im Laufe der Schaffensjahre - ähnlich wie bei Messiaen - ein Fundus von Akkorden, ein "Akkordkatalog".
Welche Akkorde enthält dieser "Katalog"?
Es sind Akkorde aus dem Schaffen von Jahrzehnten, also die Erarbeitung meiner eigenen typischen Klangsprache, systematisch geordnet, von 4- bis 7-Stimmigkeit. Manchen habe ich Namen gegeben, so wie es Messiaen bei seinen "accords speciaux" gemacht hat. Unter anderem gibt es bei mir einen Janácek-Akkord, einen Erlösungsakkord, einen Trauerakkord, einen Nachttriptychonakkord, einen Tage- und Nachtbücherakkord, einen Radek-Akkord.
Stellt die Oper "Radek" in Bezug auf Deine Akkordik und Harmonik eine Wende dar?
Seit "Radek" schaue ich weniger im "Akkordkatalog" nach, lasse mir vielmehr die Akkorde frei einfallen. Die Akkordsuche verläuft nicht mehr so stark mittels Materials. Vielmehr verwende ich alle Akkorde, die ich jemals gebaut habe, frei. Dazu kommen auch noch andere, neue Akkorde. Es sind handverlesene Akkorde. Es gibt ja den tollen Spruch von Debussy: "Manchmal brauche ich eine halbe Stunde, um mich zwischen zwei Akkorden zu entscheiden." Mitunter gehe ich auch gerne ans Klavier, um das, was ich in mir höre, in Akkorde zu übertragen. Die Finger finden es dann. Manchmal sind es sogar - horribile dictu - Dur- und Molldreiklänge. Bei der Verwendung dieser Akkorde muss man aber äußerst behutsam vorgehen, um nicht auf ausgetretene Pfade zu geraten. Ich erinnere mich daran, dass Leonard Bernstein einmal in Bezug auf Schönberg und die Zwölftontechnik gesagt hat, besonders jene Stellen seien interessant, die einen Anklang an Tonales hätten. Zum Beispiel in Schönbergs Liederzyklus "Das Buch der hängenden Gärten" finden wir einen solchen Anklang, eine Erinnerung an die spätromantische Harmonik. Sie ist nicht mehr konkret da, aber als "ferner Klang". Bartók wiederum sprach einmal von seinem kompositorischen Ideal, das gesamte Material von Clustern bis zu Dur-Akkorden zu verwenden.
Ergeben sich im Verlauf Deiner Harmonik Gesetzmäßigkeiten?
Die Harmonik wird bei mir unter anderem durch eine zugrundeliegende Linie gesteuert. Dazu möchte ich kurz auf ein Beispiel aus Bruckners Sinfonik verweisen: Durch seine neunte Sinfonie ziehen sich riesige Linien. Die verrückten Akkorde in diesem Werk werden erst daraus erklärbar, dass sie sich innerhalb einer Linie befinden. Die Abfolge der Akkorde unterliegt einer Gesetzmäßigkeit durch das zugrundeliegende vertikale Material wie zum Beispiel Reihen oder melodischen Verläufen. Deshalb entsteht keine zufällige Harmonik, weil alle Akkorde in der Linie verankert sind. Walter Gieseler hat übrigens in seinem Standardwerk "Harmonik in der Musik des 20. Jahrhunderts" aus meinem Klavierstück "Monument" zitiert und meine Akkord-Additionen neben Boulez' Akkordmultiplikationen gestellt.
Ich baue die Akkorde auch aus Intervallen und leite davon das harmonische Material ab. Dazu möchte ich ein berühmtes Vorbild aus der Musik von Brahms anführen. Wenn man das Hauptthema seiner vierten Sinfonie nicht im komponierten melodischen Verlauf mit der Auf- und Abwärtsbewegung belässt, sondern die Töne ausschließlich abwärts führt, dann ergibt sich eine durchgängige Reihe von Terzen. Diese Kongruenz zwischen der Melodik, die aus Terzen besteht, und der Harmonik, die auch aus Terzen besteht, hat Schönberg herausgefunden - und es hat ihn dann in seiner Kammersinfonie dazu bewogen, aus einem Quartenthema auch Quartenakkorde zu bilden.
Die Harmonik also aus der Thematik abgeleitet.
Der Grundgedanke dabei ist, dass thematische und motivische Gestalten sich auf die Harmonik auswirken. Das entspricht dem Ideal: Alles ist aus einem gemacht.
Welche Ideale leiten Dich noch beim Komponieren?
Ich habe Vorstellungen von einem idealen Klang und eben von einer idealen Harmonik. Diesen Vorstellungen versuche ich in all meinen Kompositionen nahezukommen. Und ich bin immer auf der Suche nach einem Ideal von Schönheit, nach einer Utopie - sei es klanglich, sei es formal, sei es in der Komposition. Eine perfekt gebaute Komposition ist per se auch schön. Vielleicht gelingt es nicht immer. Aber ich gebe nicht auf. Wie man es genau festmachen kann, ist mir unklar. Auch wenn man alle kompositionstechnischen Parameter erfüllt, ist noch mehr dahinter.
Was ist Dein Ideal von Klang?
Es ist in mir drinnen, aber ich kann es nicht benennen. Beim Komponieren höre ich es genau, ob der Klang passt oder nicht, ob er richtig ist oder falsch.
Welche Formen prägen Deine Musik?
Es schlägt sich in meinem Schaffen schon nieder, dass ich jahrzehntelang Formenlehre unterrichtet habe. Maßgebliche Formen in meinem Schaffen sind: die grundsätzliche Einsätzigkeit; dann einsätzige Formen, die eine Mehrsätzigkeit in sich bergen und noch untergliedert sind; des Weiteren zwei- und dreisätzige Werke. In meinen "Nocturnes" beispielsweise bilden das zweite und dritte Adagio-Formen mit Reprisen und variierten Reprisen. Im Violinkonzert gibt es vier Sätze mit einem jeweils prägnanten formalen Aufbau, gleichzeitig sind diese vier Sätze wiederum wie vier Teile eines Sonatensatzes mit Exposition, Durchführung, Reprise und Koda.
Eine Viersätzigkeit als Einheit also .
. wie zum Beispiel auch in Schumanns vierter Sinfonie und Schönbergs Kammersinfonie.
Zum Thema Formgebung zählt auch der Werkaufbau.
Für den Aufbau ist die Dramaturgie eines Werkes wichtig. Mein Postulat lautet: Wenn man Steigerungen und Dissonanzen in einem gut abgestimmten Sättigungsgrad einbaut, dann kann man dem Publikum die größten Schärfen schmackhaft machen. Ein großartiges Beispiel gibt dafür "Elektra" von Richard Strauss ab: eine unglaubliche Dissonanz-Anhäufung, bis es in einer Dominante mündet, die sich dann in die Tonika entlädt.
Weitere kompositionstechnische Grundbausteine?
. von der alle Deine Werke erfüllt sind.
Ja: In meiner Musik gibt es...
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