Schweitzer Fachinformationen
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Eines ist sicher: Es geht! Materie kann Intelligenz entwickeln, der Mensch ist der lebende Beweis dafür. Menschen können zum Mond fliegen, Gene sequenzieren, Symphonien komponieren und UNO-Vollversammlungen abhalten. Sie können über sich selbst nachdenken. Sie können Naturgesetze formulieren und Ideen mit ein paar Sätzen an andere Menschen weitergeben. Nur, wie sie dies alles zuwege bringen, ist trotz mindestens zweieinhalbtausendjährigen Nachdenkens und Forschens alles andere als klar.
Auf den folgenden Seiten geht es um eine besondere Art, der Lösung dieses Rätsels näher zu kommen: Es geht um das Projekt, Intelligenz zu verstehen, indem man sie nachbaut: in Algorithmen, Avataren und Robotern. Und es geht darum, wie dieses Experiment unser Bild von Intelligenz verändert.
Der wichtigste Grund dafür, dass wir noch immer nicht recht verstanden haben, wie Menschen es fertigbringen, klug zu sein, dürfte darin liegen, dass wir nun einmal nur den geringsten Teil von dem bewusst mitbekommen, was in uns vorgeht, wenn wir denken, rechnen, planen, argumentieren oder andere Dinge tun, die wir mit Intelligenz in Verbindung bringen. Es reicht nicht, ein bisschen nach innen zu lauschen oder beim Denken vor sich hinzumurmeln. Wir können dem Geist nicht einfach bei der Arbeit zusehen. Um ihm auf die Schliche zu kommen, braucht es die Tricks und Kniffe der Psychologie, die Strategiespiele der Wirtschaftswissenschaft, die Rekonstruktionen der Evolutionsbiologie und vieles mehr. Vor allem aber brauchen wir etwas, an dem wir uns abarbeiten, mit dem wir uns vergleichen können.
Erst wenn man etwas vergleicht, kann man feststellen, was das Besondere an einer Sache ist, erst der Vergleich macht deutlich, was nicht selbstverständlich ist, was auch anders sein könnte und was einer Erklärung bedarf.
Seit der Antike sind es meist Tiere, die herhalten müssen, um zu zeigen, was die menschliche Intelligenz besonders macht. Dabei ging und geht es bis heute entweder darum, den entscheidenden Unterschied zwischen Mensch und Tier auszumachen, die differentia specifica, oder darum, gerade diese zu hinterfragen sowie Gemeinsamkeiten und die evolutionäre Kontinuität von Tier und Mensch herauszustellen. Selbstbewusstsein, Werkzeuggebrauch, Sprache, komplexe Aufgaben: Welche Tiere können da mithalten und gibt es etwas, das dem Menschen vorbehalten bleibt? Wenn Orang-Utans Werkzeuge herstellen und benutzen können, heißt das, dass der Mensch gar nichts Besonderes ist? Wenn sie es aber erst tun, nachdem sie von Forscher*innen auf die Idee gebracht wurden, sind wir dann vielleicht doch anders als sie und haben Fähigkeiten ganz für uns allein?
Von Tieren lernen wir zweifellos viel über Intelligenz und ihre vielfältigen Ausprägungen. Aber Tiere, vor allem diejenigen, die für Intelligenztests zumeist herhalten müssen - Schimpansen, Raben, Elefanten, Delfine, Kraken -, sind uns viel zu ähnlich, um uns darauf zu stoßen, was Intelligenz zugrunde liegt. Sie sind Lebewesen wie wir, haben eine Evolutionsgeschichte, einen Körper, Wahrnehmungen, Empfindungen, Bedürfnisse und Sozialkontakte. Sie organisieren ihr Leben selbst. Sie können, kurz gesagt, schon viel zu viel.
Wenn man verstehen möchte, was Intelligenz grundlegend ausmacht, lohnt es sich, ganz am Anfang zu beginnen, mit einem System, das erst einmal gar nichts kann. Und das sind nicht die Schimpansen, nicht die hirnlosen Quallen, nicht einmal die Einzeller, sondern die Maschinen. Ihnen fehlt all das, was wir bei Lebewesen ungefragt voraussetzen und dessen Bedeutung für die Intelligenz wir deshalb gar nicht in den Blick bekommen.
Wie groß das Problem, Intelligenz zu verstehen, wirklich ist, wird einem erst klar, wenn man einen Fotoapparat in der Hand hält und zu überlegen beginnt, wie man diesem beibringen könnte, etwas zu sehen. Oder einem Audiorecorder, etwas zu verstehen. Herausforderungen, die im Übrigen bis heute nicht wirklich gemeistert sind.
Ein zweiter Grund, sich einmal an den Maschinen abzuarbeiten: Womit wir uns vergleichen, bestimmt ganz wesentlich das Bild, das wir von uns selbst gewinnen. Natürlich kommt es auf die Tierart an, und es ist nicht ganz fair, den Menschen gleich gegen das ganze Tierreich antreten zu lassen. Aber im Wesentlichen zeigen die Vergleiche von Mensch und Tier, dass es mit unseren Sinnesorganen nicht so weit her ist, wir motorisch eher unterbegabt sind und man unsere sportlichen Höchstleistungen mit der Lupe suchen muss. Ja, manche Menschen laufen ausdauernder als Pferde, aber wie ist das mit den großen Wildkatzen? Und den Zugvögeln? Dafür stechen unsere kognitiven Fähigkeiten heraus, unsere Möglichkeiten, nicht immer unmittelbar zu handeln, sondern zurückzutreten, zu abstrahieren, zu planen, zu unterrichten, in Geschichten zu leben.
Vergleiche von Menschen mit höheren Wesen, mit Engeln oder Göttern, sind ein wenig aus der Mode gekommen, es ist mit der empirischen Evidenz ja auch so eine Sache. Vor allem aber ist das Ergebnis einfach zu frustrierend: Unmoralisch sind wir, inkonsequent, der Geist träge, der Wille schwach. (Heute schon Sport getrieben?) Immer wieder bleiben wir hinter den eigenen Ansprüchen zurück. Und sterblich sind wir noch dazu.
Im Vergleich mit künstlichen Systemen zeigt sich noch einmal ein ganz anderes Bild. Was die «abstrakten» Fähigkeiten angeht, das Kopfrechnen etwa, können wir nicht einmal mit einem billigen Taschenrechner mithalten. In Spielen, von Schach über Go bis Poker, führt der Mensch seit Jahren Rückzugsgefechte gegen Computersysteme. Wir können nur mit vergleichsweise wenigen Informationen zugleich im Kopf umgehen, unser Gedächtnis ist fehlerhaft und beschränkt, und wir entscheiden oft wenig rational. Dafür aber stehen wir nicht gleich auf dem Schlauch, wenn eine Situation sich ein wenig verändert, die Dinge nicht da liegen, wo sie hingehören, oder uns die Sonne blendet. Wir lassen uns nicht von ein paar Aufklebern auf einem Stoppschild in die Irre führen und haben in der Regel auch kein Problem damit, einen großen roten Feuerwehrwagen am Straßenrand zu erkennen, was man nicht von allen (teil-)autonomen Fahrzeugen sagen kann.
Mit der «Ausdauer» der Maschinen können wir nicht konkurrieren, dafür können sich unsere Körper (in Grenzen) selbst reparieren, und wir haben motorisch in der Regel die Nase (bzw. die Hände) vorn. Nicht umsonst stehen am Ende automatisierter Fertigungsstraßen und in den Hallen der Online-Warenhäuser Menschen und packen mit ihren geschickten Händen die fertigen Werkstücke oder Bestellungen in Schachteln und Kartons.
Der Vergleich mit den Tieren (und auch der mit höheren Wesen) stützt eine eher traditionelle Sicht auf die Intelligenz. Sie besagt in etwa: Intelligenz sitzt im Kopf, sie zeigt sich vor allem bei den abstrakten Problemen. Die noch immer nicht wirklich intelligenten Maschinen zeigen uns ein anderes Bild. Denn inzwischen hat sich erwiesen, dass die größten Herausforderungen für künstliche Systeme nicht darin bestehen, im Schach zu gewinnen oder geometrische Figuren in einem imaginären Raum zu drehen, sondern in so etwas schwer Greifbarem wie Flexibilität, Kreativität und gesundem Menschenverstand; darin, eine Situation zu verstehen und angemessen zu reagieren.
Der Vergleich mit den Maschinen zeigt: Wenn wir Intelligenz verstehen wollen, können wir die Errungenschaften der Evolutionsgeschichte, die Erfahrungen der Kindheit, unsere Körper, die Umgebung, in der wir unterwegs sind, und unsere Sozialkontakte nicht umstandslos beiseiteschieben und uns auf die Dinge konzentrieren, die wir für intelligent halten, nur weil sie uns Mühe machen. Das macht es natürlich nicht überflüssig, die kognitiven Fähigkeiten der Tiere zu erforschen. Doch unser Bild der Intelligenz wird bei dem Versuch, sie in Maschinen zu realisieren, ein anderes.
Wie steuert sie ihre Bewegungen? Eine Stabheuschrecke und ihr künstliches Pendant, das Aufschluss darüber geben soll, wie das Tier sich bewegt.
Neu ist diese Perspektive nicht: Vergleiche von Menschen und imaginierten oder echten mechanischen, wasser- oder luftdruckgetriebenen Automaten gibt es seit der Antike. Menschen bewunderten ihre Kraft und Unermüdlichkeit, dachten anhand der Maschinen über Beseeltheit und Seelenlosigkeit nach und amüsierten sich an Verwirrspielen, bei denen Belebtes und Unbelebtes, Echtes und Imitiertes munter durcheinandergehen. Diese Faszination hat sich bis in die Science-Fiction unserer Tage erhalten.
Und es gibt ein drittes Argument dafür, künstliche Systeme zu verwenden, um Intelligenz besser zu verstehen: Diese künstlichen Systeme müssen erst einmal...
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