Schweitzer Fachinformationen
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Meisterhaft fängt Pedro Lenz Stimmungen ein und entwirft mit einem präzisen Blick für soziale Konstellationen ein authentisches und liebevollesBild der beiden ungleichen Männer - und das Bild der unmögliche Liebe zwischen Charly und Laurence. Ein berührender und zugleich herrlich leichter Roman über Freundschaft, Liebe, Tod und das Leben selbst.
An dem Tag, an dem der Primitivo gestorben ist, hab ich in Wiedlisbach im Dettenbühl zweiunddreißig Sanitärschlitze zugemauert. Es war heiß wie selten. Wir haben den Anbau gemacht für das Pflegeheim, eine recht große Sache. Es war der Sommer 1982, und im Radio lief fast jeden Tag Da Da Da, ein deutscher Song von der Band Trio, ein einfacher Song, ein banaler Song, aber einer, der gepasst hat zu dem Jahr.
Auf unserer Baustelle fanden sie wieder mal, es würde dem Lehrling guttun, bisschen selbständig zu arbeiten. Also habe ich wochenlang Sanitär- und Elektrikerschlitze zumauern müssen. Jedes Patientenzimmer in dem Pflegeheim hatte ein paar Steckdosen, ein paar Lichtschalter, mindestens ein Waschbecken und meistens auch noch eine Toilette. Darum brauchte es im Mauerwerk so viele Leitungen unter Putz, die man zuletzt alle zumauern musste. Eine typische Lehrlingsarbeit, bisschen Mörtel rein, ein paar Backsteinscherben, noch mal Mörtel, nachher mit dem Glättbrett abreiben, damit es bisschen anständig aussieht und zuletzt alles zusammenkehren, was auf den Boden gefallen ist. Es ist keine Hexerei. Irgendwann weißt du, wie's geht. Aber musst es trotzdem gut machen, sonst wirst du von allen Seiten kritisiert, vor allem als Lehrling. Darfst nicht glauben, aha, ne einfache Arbeit, jetzt lass ich bisschen nach. Im Gegenteil, an den einfachen Sachen erkennt man den guten Maurer, hat der Berufsschullehrer mal gesagt. Der Satz ging mir beim Arbeiten die ganze Zeit durch den Kopf. Ein wirklich guter Satz. An den einfachen Sachen erkennt man den guten Maurer. Man könnte aber auch sagen, an den einfachen Gerichten erkennt man den guten Koch, oder an den einfachen Krankheiten erkennt man den guten Arzt. Etwas Wahres wär wahrscheinlich immer dran.
Um halb sechs hab ich das Werkzeug, den Kübel und die Schubkarre mit dem Schlauch abgespritzt. Danach hab ich den Schlauch voll aufgedreht und zum Himmel gerichtet, sodass es von oben runtergeregnet hat. Dann hab ich mich drunter gestellt, um mich ein bisschen abzukühlen. Es hat nen Regenbogen gegeben. Hat richtig gut ausgesehen. Und ich hab's immer weiter auf mich runterregnen lassen.
Komm, Stift, hör auf zu spielen, mach voran! Wir wollen fahren!
Das war Benno, der Maschinist, ein recht trockener Typ, aber kein schlechter Mensch. Ich hatte gar nicht gemerkt, dass die anderen alle schon umgezogen waren und im Ford saßen, bereit zur Abfahrt.
Sorry, Jungs, Tschuldigung, ich beeile mich.
Wenn wir ne auswärtige Baustelle hatten, sind wir immer alle zusammen gefahren, deshalb musste man zusehen, dass man die anderen nicht zu lang warten lässt. Der Transit hat hinten zwei einfache Bänke, die längs stehen, auf jeder haben sechs Personen Platz, wenn man zusammenrückt. Als ich eingestiegen bin, hab ich die Seite gewählt, wo's noch ein bisschen weniger eng war.
Tut mir leid, Kollegen. Aber gut, wegen drei Minuten muss jetzt auch keiner durchdrehn! Und was läuft sonst? Gibt's was Neues?
Der Transit fuhr los, und die Kollegen fingen an, Zigarettenpäckchen rauszuholen. Drei Minuten konnte der Hofer, unser Polier, bei seinem Fahrstil aber locker aufholen. Der Hofer hätte wahrscheinlich ein erfolgreicher Autorennfahrer werden können. Aber als Polier war er auch nicht schlecht.
Beim Zurückfahren haben wir unsere Zigaretten geraucht und dummes Zeug geredet. Der Lucio, unser Kranführer, bekam gleich sein Fett weg, ich weiß nicht mehr genau, wie's anfing, aber es war lustig gemeint. Und den Lucio konnte man schon bisschen hochnehmen, er nahm's nie persönlich und wusste immer auf alles eine passende Antwort.
Lucio, wahrscheinlich gibt's weltweit keinen langsameren Kranführer als dich! Wenn ich all die Zeit, die ich in meinem Berufsleben schon auf den Kran warten musste, zum Studieren hätte nutzen können, dann hätt ich heut nen Doktortitel!, hat der Hafner gemeint.
Träum weiter, Hafner! Du könntest ewig lang studieren. Mit deiner Hutgröße würdest du's nie zu nem Doktortitel bringen!, hat der Lucio gesagt.
Das kann schon sein. Aber deswegen lässt du einen trotzdem ständig warten, hat der Hofer von vorne gerufen.
Geduld ist eine Tugend, Freunde! Bei mir könnt ihr eine Tugend lernen.
Der Ford Transit ist bis Niederbipp am Jurasüdfuß entlanggerauscht, schnell und geschmeidig. Und dort ist er nach Aarwangen abgebogen. Ich hab mich unglaublich wohl gefühlt, hinten drin auf dem schmalen Bänkchen, in dem fahrenden Ford. Hab die müden Arme gespürt, die Hände und den Rücken, aber auf ne angenehme Art, so wie einer, der weiß, dass er seine Arbeit anständig erledigt hat. Und selbstverständlich hab ich mich gefreut, dass Feierabend ist, dass es noch warm ist, dass man vielleicht noch schwimmen gehen oder ein Bier trinken kann. Oder beides.
Aber als wir im Lager angekommen sind, hat man sofort gemerkt, dass etwas passiert ist. Der Loosli, unser Chef, ist gleich zum Hofer, hat ihn zur Seite genommen und was zu ihm gesagt. Wir haben nicht gehört, was, aber wir haben schnell gespürt, dass es nichts Gutes sein kann.
Dann kam der Hofer in unsere Richtung. Langsam und schwankend, als wär er leicht betrunken. Aber der Hofer ist eigentlich immer so gelaufen, ich meine, so wie einer, der bei rauem Seegang auf nem Schiff läuft. Hüftarthrose, klar, kannste dir nicht mehr aussuchen, wie genau du laufen willst. Dann läufst du eben, wie's noch geht. Aber jemand, der ihn nicht kennt, hätte meinen können, der Polier Hofer hätte nicht genug Bodenhaftung, weil er zu viel Bier intus habe, dabei hatte er den Beinamen Hagebutten-Hofer. Und nicht umsonst. Aber was ich eigentlich erzählen wollte, der Hofer kam in unsere Richtung, mit leerem Blick, und man hätte meinen können, er schwanke mehr als sonst.
Jungs, hat er gesagt, hört mal zu, ich muss euch was Trauriges sagen, was Furchtbares, hab's selber grad erst erfahren. Es hat nen Unfall gegeben, nen bösen. Der Primitivo ist beim Ausschalen in Madiswil unter ein Schalungselement gekommen. Er hat's nicht überlebt.
Das ist doch nicht wahr!, hab ich gesagt, reflexartig, wahrscheinlich weil ich einfach nicht gewollt hab, dass es wahr ist.
Doch, es sei leider wahr, hat der Hofer gesagt, man könne nichts mehr machen, und dann konnte er nicht mehr weiterreden. Er ist zu den Fahrradständern geschwankt, den Kopf fast am Boden. Man hat gehört, wie er dem Pedal von seinem Belmondo-Mofa mit dem Fuß von dem Bein, das noch besser beieinander war, einen Kick gab und wie er anfuhr, in den Zweiten schaltete und Richtung Grubenstrasse fuhr.
Der Hofer war weg, aber wir anderen, wir standen noch hinterm Transit unterm Vordach vom Lager, stumm und geschockt.
Oben auf dem Dach der Werkstatt gab's drei Zimmer, die man nur von außen, über ne Betontreppe mit Eisengeländer erreicht hat. In einem von den Zimmern hat der Primitivo gewohnt. Alle haben raufgeschaut und wahrscheinlich haben alle das Gleiche gedacht: Das Zimmer braucht der Primitivo jetzt nicht mehr. Der Benno hat ein Päckchen Brunette Doppelfilter aufgemacht und jedem eine angeboten. Nehmt nur, nehmt, nehmt, ich hab noch ein Päckchen!
So schnell kann's gehn, hat der Hugo gesagt.
Kein besonders geistreicher Spruch, wenn man grad erfahren hat, dass ein guter Kollege gestorben ist. So schnell kann's gehn. Das ist, wenn man kurz drüber nachdenkt, nicht bloß nicht besonders geistreich, das ist sogar ne saudumme Plattitüde. So schnell kann's gehn. Wenn einem bloß noch das einfällt, sagt man vielleicht lieber nichts. Und trotzdem wollte ihm niemand richtig böse sein, dem Hugo. In so nem Moment darf man auch mal was rauslassen, was nicht wahnsinnig schlau ist. Wofür gäb's denn die Floskeln sonst? Die Floskeln gibt's genau für die Momente im Leben, wo man nicht weiß, was sagen, und trotzdem nicht schweigen kann. Drum hat der Hugo gesagt, so schnell kann's gehn.
Ein paar Minuten haben wir da noch auf dem Platz rumgestanden, hinter den Lastwagen, der Toledo, der Julio, der Lucio, der Hugo, der Benno, der Kujaani und sonst noch ein paar, aber ich weiß jetzt nicht mehr, wer alles. Alle zusammen haben wir die Brunette vom Benno geraucht. Keiner hat mehr was gesagt oder gemacht, nur der Erwin, der hat den alten Saurer gewaschen. Er war der jüngste von den Fahrern und drum musste er den ältesten Kipper fahren. Und eben, gewaschen hat man die Lastwagen jeden Abend, auch wenn was Schlimmes passiert ist. Nach fünf Minuten hat der Erwin den Schlauch abgestellt, und wir waren fertig mit Rauchen.
Danach sind die meisten gegangen. Also dann. Ich geh dann mal. Packen wir's. Adieu zusammen. Pass auf dich auf. Du auch. Ciao zusammen. Kommt gut heim. Gleichfalls. Grüß deine Frau. Danke, ebenso. Man sieht sich. Mach keinen Scheiß. Bis morgen. Ade alle miteinander. Hasta mañana, a domani.
Nur ich bin noch geblieben, weil ich noch nicht nach Hause gehen wollte. Bin zum Chef, der um die Lastwagen rumschlich und wahrscheinlich auch an nichts anderes denken konnte. Hab ihn gefragt, was passiert sei.
Der Chef sagte, er wisse auch nicht jedes Detail. Der Roland Bänninger, der Polier der Baustelle in Madiswil, habe ihm erzählt, der Primitivo habe den Zement, der manchmal bei der Schalung unten rauslaufe, am Boden zusammengekratzt, kurz nach der Mittagspause. Wahrscheinlich habe er nicht gesehen, dass eins von den Schalungselementen schon gelöst war, also kein Ankerstab mehr drin war. Dann habe er, um alles bequem sauber machen zu können, die Strebe weggenommen, die das Element noch gegen die Wand gestützt habe. Dann sei das Element umgekippt und direkt auf den Primitivo gefallen. Es habe ihn bäuchlings zu Boden gedrückt, und dann sei...
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