Schweitzer Fachinformationen
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Minus dreiunddreißig Grad. Rekordtief. Zahlreiche Tote bei Auffahrunfällen. Die Straße mit einer Abfahrtspiste verwechselt. Schnee schippen oder Tee trinken. Für beides ist keine Zeit. Also noch früher raus als gestern. Den Hals brechen. Der Schnee liegt mittlerweile so hoch, der hat sich jetzt so aufgetürmt, in eine Höhe begeben, der ist so hoch geweht worden, dahin folgt kein Fahrzeug mehr, kein Kettengerät. Hier herrscht Naturgewalt. Man möchte diesen Satz hinausbrüllen. Den Berg hoch mit Sorgfalt und Geduld und hoch oben dann gegen die Natur anbrüllen: »Hier herrscht Naturgewalt«. Das muss ganz vehement kommen, man darf sich da nichts schenken und der Natur schon gar nicht, das muss ganz raus aus der Lunge, die Lunge muss knarren, rausfliegen wollen, die Stimme versagt fast, es reißt die Stimmbänder weg, man ist sprachlos. Warum hast du den Mund offen, fragt man sich. Warum stehst du mit offenem Mund denn da, ohne ein Wort zu sagen, ein Sterbenswörtchen. Da geht ein Zug um deinen Mund, ein schlagender Wind, der führt das Eis mit, die Eiseskälte. Die Ohren schmerzen. Gegen den Wind gedreht gibt es nichts zu horchen. Keine Stimmen filtern die Trichter aus dem Hörband. Geübt in Stille, sind das strudelnde Rauschen, der reißende Fluss Allgemeingut, trockenes Geröll. Was hatte man noch im Ohr, als man hierhin kam. Welche Vorsätze, gute Meinung. Man wird nichts berichten können, nichts wird in Erfahrung zu bringen gewesen sein. Frühmorgens hinauf mit flinken Schritten, die Sonne zögert, was Zeit lässt, ein Stirnband will man ja nicht um den Kopf tragen, das den Schweiß fängt, der in den Augen brennt, die blinzeln müssen, bis das Stolpern beginnt, der Fehltritt, nicht richtig hingeschaut, nicht aufgepasst, weil der Schweiß in die Augen lief, die Stirn hinunter, aber ein Stirnband will man nicht haben, das den Schweiß erst strömen lässt, eine Sonne um neun schlägt dich an, lässt dich winseln, ob man nicht lieber abbrechen sollte, umkehren, jetzt schon umkehren?, aber nein, wir kehren in den Schatten, nehmen den Berg von hinten, wo der Schatten wohnt, wo niemand hinschaut. Diesen Gipfel stürmt man nur noch mit einer Schaufel. Der Schnee ist nicht von Menschenhand. Aber die Menschenhand muss seiner Herr werden. Ein langsam gefrierender Mund. Der Wind passiert das Ohr und geht in den Mund. Er schießt in den Mund. Ist das nicht schon Eis, was da ankommt? Ich gehe jetzt hinauf. Ich mach's jetzt. Ich pack's. Das sind so Sprüche. Der Schnee ist leise, er schleicht sich ein. Schnee gilt ja als niedlich fast, so gemütlich und wohlgesonnen. Allein was über ihn gesagt wird. Er ist weiß. Flocken. Er rieselt hinab. Er kommt von oben. Es schneit von unten, sagt man ja schließlich nicht. Schnee dämpft. Schnee macht besinnlich. Und dann der Schneemann. Steht ein Schneemann im Garten, kann nichts mehr anbrennen. Und dann hat der Schneemann ja auch eine rote Rübennase. Warum ist Papa gestorben? Das wird ja gerne mit dem Schneemann erklärt. Es taut. Schneemann knickt weg. Kippt seitlich. Papa. Der Schneemann war dein bester Freund. Versprichst du mir, dass er nächstes Jahr wiederkommt? Wohin ist er denn verreist? Und warum kann es nicht so bleiben wie es ist? Warum hat er denn nicht seine Nase mitgenommen? Und die Kastanien da, was machen die denn da? Ich sehe nichts. Da liegt also die Mütze. Wie heißt das Lied? Der Lotse verlässt das Schiff. Der Schnee. Er kommt so still, wie es keinem Feind zu wünschen ist. Noch nie ist ein Schnee verhindert worden. Er kommt und geht, wann er will. Sehnt man ihn herbei, kommt er nicht. Ist er da, will er nicht bleiben. Bleibt er, droht er augenblicklich wieder zu verschwinden. Verschwindet er dann nicht ganz, hat er bald schon Ausschlag. Überall tritt Schmutz ein, wenn die Leute mit ihren Straßenschuhen auf und ab gehen. Wir marschieren mit unseren Sohlen über blütenweißen Schnee, und schon ist dieser Schnee ganz schwarz. Schnee ist unberührbar. Er ist so gleich, dass wir nirgendwohin mehr gehen sollten. Zu Hause bleiben, sagt der Schnee. Es ist eine Schande, wie dieser Schnee belaufen wurde. Der so belaufene Schnee ist nicht mehr zu reparieren. Man könnte ja mit einer Schaufel die Fehltritte zudecken, eine Schaufel Schnee von hier nach dort transplantieren, die Wunde schließen, die aber nicht geschlossen werden kann, nur vertuscht. Wir müssten unentwegt vorwärtsgehen, uns nach jedem Schritt umwenden und die hinterlassene Spur wieder zudecken. Auf diese Weise könnten wir uns gar nicht mehr entfernen. Entweder müssten wir das Vorwärtsgehen ohne Unterlass fortsetzen und uns mit jedem Schritt einen Schritt mehr vom Haus entfernen oder augenblicklich umkehren und umkehrend die Spuren beseitigen. Die einzige Konsequenz muss sein, gar nicht erst das Haus zu verlassen. Ein verrannter Schnee ist untröstlich. Spätestens mit diesen Eindrücken sehnt man das Frühjahr herbei, den Blumenduft und fliegenden Sommer.
Dann fällt Neuschnee. Die Gnade des späten Neuschnees. Das fahle Licht der Küche klärt sich auf, ein klarer Gedanke wird gefasst, unwillkürlich drehst du dich herum, der neue Schnee hüllt dich ganz ein. Deine Handschrift im Schnee. Das Stempelkissen. Da lief ein Hase, die Schnur hier ist eindeutig ein Fuchs, diese Entfernungen hinterließ eine Katze. Und die Augen schmerzen. Der Schnee brennt sein Licht in die Augen. Ohne Brille macht er unweigerlich blind. Wer eine Brille trägt, die den Schnee erträglich macht, setzt diese immer wieder ab. Schließlich will jeder sehen, wie es wirklich ist. Die Brille hat den Augen einen braunen Filter eingebrannt, den sie vorerst nicht loswerden können. Man setzt die Brille also wieder auf und sieht durch sie hindurch, wie es nun wirklich zu sein scheint. Dann nimmt man die Brille wieder ab. Hält man dann für einige Minuten die Augen geschlossen, hat sich der Braunton verflüchtigt. Er löst sich von den Augen ab. Er schwebt. Jetzt werden die Dinge sichtbar. Die Dinge sind jetzt in einen kleinen Raum gefasst. Sie tauchen auf, sie tauchen ab. Das ist das Kindheitsmobile. Unsichtbare Fäden. Eins sitzt oben, eins geht nach unten. Und dann die Wut. Die zitternden Äste in Fetzen. Windschiefes Trauerspiel. Und überall siehst du das Mobile. Das immer vor den Augen tanzt. Wenn du die Augen öffnest, schiebt sich die Welt dazwischen. Du bräuchtest diese Welt doch gar nicht. Genügt denn dieses zerschlagene Mobile nicht? Könnte einer, der nur dieses Mobile vor Augen hat, nicht alles voraussehen, und er bringt sein Leben damit zu, nur immer dieses Mobile zu studieren, jede Regung, jeden Stillstand, könnte ihm das nicht völlig genug sein, lernte er nicht bald schon, vom Mobile auf die Welt zu schließen? Er sitzt in einem immer gleichen Raum, die Fenster werden geöffnet, die Fenster werden geschlossen, Licht durchflutet den Raum, es ist genug zu atmen da, die Gegenstände des Mobiles sind unbestimmt genug gehalten, darin mal einen Menschen, mal ein Tier zu sehen, das Mobile macht die Jahreszeiten, es gibt Streit und Frieden, es bewegt sich, es regt sich nicht, würde dieser nicht auf die Welt schließen können, ohne sie sonst gesehen zu haben, würde er nicht bald schon um Rat gefragt, wie es in dieser Welt denn zugehen müsste, damit sie ein Mobile sei, das lautlos, sanft wiegend im Raum schwebt, das Mobile stellt keine Fragen, der keinen Blick wirft nach draußen, der immer nur das schaukelnde, das stillstehende Kinderspiel betrachtet, hat Antworten genug.
Jetzt hängt an einem Ast die singende Amsel am Abend, jetzt sind es die in den Bäumen hockenden Nebelkrähen, die Krähenbande ist es, die das Ding da, die verklemmte Walnuss, aus der Regenrinne holen will. Das ist eine unermüdlich ratternde Nähmaschine, diese tanzenden Schnäbel. Die macht sie ganz wild, diese Nuss. Dass die da aber auch so klemmen muss. Sie hängt im Laubfänger fest. Reihenweise rutschen die Schnabelmeister ab. Die Nuss zeigt ihre Vorderfront. Ein gezielter Hieb auf die Fontanelle und die Sache wäre geritzt. Es ist ja nicht so, dass die Walnuss von sich aus sich wehrt. Die Nuss klemmt da, weil sie keine andere Wahl hat. Sie ist mal hierhin, mal dahin transportiert worden. So hoch wie das Haus steigt gar kein Walnussbaum. Ist es der Wind nicht, der Sturm, haben die Vögel wohl selber die Nuss hierhin gebracht, die sie nicht müde werden auseinanderzunehmen. Die Schnäbel richten nichts aus. Jetzt stürzen die Krähen mit ihren Füßen drauf. Sie attackieren den Provokateur aus der Luft. Ihre Vorgehensweise lässt auf eine wohlerprobte Taktik schließen. Dann ziehen sie ab. Eine Krähe nach der anderen tritt den Rückzug an. Der Feind kapituliert, soll die Nuss denken. Die Fallschirmspringer springen in ihren Fall mit Bedacht. Sie können bis drei zählen und verlassen das Flugzeug am besten in dem Moment, wenn Falltiefe, Höhepunkt und Fallgewicht im Einklang sind. Jetzt lassen die Krähen springend von der Walnuss ab. Von der Nuss aus betrachtet sieht das aus wie ein längst vorbedachter und von langer Hand eingefädelter Selbstmord. Die Krähen knicken seitlich weg. Das heißt, sie machen einen prompten Satz über die Regenrinne. Die Nuss ist noch ganz warm vom Brüten der Krähen. Soeben haben ihre Schnäbel noch wuchtig auf die Walnussschale eingedroschen, nun kippen die Fallschirmspringer mit einem deutlichen Satz seitlich weg in die nie gesehene Tiefe. Kaum sind die Krähen neben der Regenrinne weggetaucht, öffnen sie den Fallschirm, der sie sofort knapp unterhalb der Rinne in der Schwebe hält. Sekunden später sieht sich die Nuss erneut krakeelenden Krähen ausgesetzt. Allein umsonst. Jeder Schnabelhieb treibt sie enger ein. Will sie nicht herausgezogen werden, gibt sie dem Schnabeldolch nicht nach, soll sie durch die Schelle des eisernen Laubfängers gehämmert werden, dann...
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