Schweitzer Fachinformationen
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Oma Pusch stellte ihre Teetasse ab. Die Hälfte hatte sie ohnehin bei der Explosion in ihrem Spülbecken verschüttet. Es war jetzt keine Zeit mehr zum Teetrinken, ja, sie fand nicht mal welche, um ihre Freundin Rita anzurufen. Kopflos und voller Sorge lief sie die Stufen der Hafenkneipentreppe im "Dattein" hinunter, über der sie ihre Wohnung hatte. Sie war einfach so losgerannt. Noch in Puschen erreichte sie den Kai unter der Hafenpromenade und lief in Richtung Anleger. Vielleicht wusste man da schon was.
Obwohl er in Sichtweite lag, musste Oma Pusch eine Runde um den Hafen herumlaufen, da sie leider nicht übers Wasser gehen konnte und es keine Brücke gab. Atemlos gelangte sie zunächst zum Ostanleger. Dort befand sich ein kleiner Wohnmobilstellplatz, den der alte Fischer Hinnerk während der Saison betreute, und der wusste eigentlich immer was. Doch diesmal hatte Oma Pusch Pech.
"Moin, Lotti", freute er sich, als er sie entdeckte, machte dann aber ein besorgtes Gesicht. "Boah, hast du das gesehen? Die Insel ist explodiert. Meinst du, das war 'ne Bombe?"
"Moin, nee, eher nicht, aber ich hoffte eigentlich, du könntest mi wat vertellen", seufzte sie.
"Dat was de Düvel", krächzte es plötzlich von der Seite. Die alte Marga tauchte auf, ohne dass man ahnte, woher die fast Hundertjährige gerade mit ihrem Rollator gekommen war. "Een Pott ut de Hell is hooggeiht! Daar waar all Sünners bullern."
Wider Willen musste Oma Pusch lachen. Die Vorstellung, dass ein Kochtopf voller gequälter Sünder in der Hölle hochgegangen sein sollte, war wirklich zu köstlich.
"Mann, ich hab hier echt andere Sorgen", stöhnte der alte Fischer und hinkte zu einem der Wohnmobile. "Drei Tage darf man hier nur stehen, und der da", er zeigte auf einen Kastenwagen, "der Kerl hat schon überzogen. Wahrscheinlich ist er auf Spiekeroog. Wenn der morgen nicht aufmacht oder verschwunden ist, lasse ich ihn abschleppen."
"De Düvel is allerwegens", mahnte Marga, was so viel bedeutet wie: Der Teufel ist überall. Und das wusste sie genau.
Dann schob die Hochbetagte ab.
Oma Pusch überlegte, ob das auch für Nordseeinseln oder Wohnmobile galt. So ein Teufel steckte ja manchmal auch in jemandem drin, der dann Böses machte. Aber sie verwarf den Gedanken. Margas Spinnereien steckten schon an. Es musste doch nicht hinter allem immer eine kriminelle Tat lauern .
"Ich komm noch mal wieder", rief sie Hinnerk zu und rannte am Sportboothafen vorbei zum Anleger, denn dort war schon die Spiekeroog IV zu sehen, kurz vor dem Ankern.
Es musste doch wahrlich mit dem Teufel zugehen, wenn die an Bord noch nichts wussten, obwohl sie Funkverkehr hatten.
In ihrer Eile nahm unsere Kioskbesitzerin Charlotte Esen, genannt Lotti oder Oma Pusch, keine Rücksicht auf aussteigende Passagiere. Sie hatte nur eins im Kopf: schnellstmöglich zu Kapitän Thorbjörn Janssen zu gelangen.
"Huhu, Lotti", rief Lina Hansen ihr zu, als sie sich vorbeidrängte und dabei einen Schlappen verlor.
Oma Pusch winkte nur und war schon um die Ecke.
Kopfschüttelnd hob Lina den Plüschpuschen auf und steckte ihn in ihre Tasche, aus der es wohlig brummte. Was sollte das denn, dass die Lotti nicht stehen blieb? Und wieso rannte sie hier in Hausschuhen rum? War die Freundin ihrer Nachbarin Rita jetzt plemplem geworden? Dem kleinen Schoßhündchen Luzi, den Lina immer mit sich in einer Tragetasche herumtrug, gefiel das neue Spielzeug. Es war weich, roch herrlich nach Schweißmauken und lud daher zum Knabbern ein.
Oma Pusch schleuderte kurz vor der Brücke auch noch den zweiten Pantoffel vom Fuß. Die waren eh fällig, reif für die Mülltonne und barfuß lief es sich allemal besser. Dann stürmte sie durch die Tür. Dort stieß sie auf einen verdutzten Thorbjörn, der - etwas beleibt - tatsächlich wie ein Bär aussah oder mit seinem roten Rauschebart auch als Vollblutwikinger durchgehen konnte. Er war einer ihrer Stammkunden und wusste ihre Rollmopsbrötchen mit Pfiff zu schätzen.
"Na, na, na" sagte er gutmütig und lächelte. "So in Eile, die Dame, mir leckere Rollmopsbrötchen zu bringen. Ich wär doch nachher auch zum Kiosk gekommen."
Oma Pusch schnappte nach Luft. Sie war nicht mehr die Jüngste.
"Nee . äh . Langeoog, die Explosion", sie hustete, "wisst ihr da was?"
Thorbjörn lachte schallend und hielt sich den Bauch.
"War ja klar, Lotti, dass es dir nur darum gehen konnte, wieder ermittlerisch tätig zu werden." Sein Blick wanderte unweigerlich nach unten zu ihren nackigen Zehen. "Aber muss ich mir Sorgen machen? Läuft der Kiosk so schlecht, dass du untenrum blank gehen musst, oder ist das die neue Mode?" Er grinste frech. "Wegen Langeoog kann ich dir wenig helfen. Fiddi von der anderen Fähre funkte nur, dass da wohl ein Gebäude in die Luft geflogen ist. Ich schätze aber, das wird sich bald rumsprechen. Wirst dich wohl in Geduld üben müssen."
Oma Pusch bedankte sich, aber Thorbjörn sah ihr an der Nasenspitze an, dass sie nicht zufrieden war. Bevor er jedoch ein weiteres Wort sagen konnte, war Lotti Esen schon wieder davongeflitzt. Auf dem Kai fand sie sogar ihren Lammfellpuschen wieder und steckte ihn ein. So schlecht war er noch gar nicht, dachte sie, und vielleicht fand sie den zweiten auch noch. Der allerdings war längst in Linas Tasche den Zähnen von Luzi zum Opfer gefallen.
Als Oma Pusch zum Kurzzeit-Wohnmobilstellplatz zurückkehrte, turtelte Lina gerade mit Hinnerk. Da hatte der den säumigen Camper samt des Knalls doch glatt für einen Moment vergessen. Die beiden schien es nicht weiter zu interessieren, dass da auf der weiter westlich liegenden Insel etwas in die Luft gegangen war. Als sie jedoch entdeckte, was da aus Linas Tasche ragte, wäre sie selbst gerne explodiert. Unfassbar! Da kaute doch der räudige Mistköter am Fell ihrer Pantoffelhacke. Sie sog einmal tief die Luft ein und zählte bis zehn. Dabei erkannte sie mit wehmütigem Blick, dass da nichts mehr zu retten war. Unkommentiert wollte sie das Ganze jedoch nicht lassen.
"Schmeckt's?", fragte sie den Mischling, der in ihren Augen wie ein Marabu aussah, was kein Kompliment war. "Hier, nimm den zweiten auch noch. Kann man jetzt eh nichts mehr mit anfangen."
"Oh", sagte Lina und sah Oma Pusch verlegen an. "Der lag da auf der Fähre auf den Stufen, und ich dachte ."
"Schon gut", zischte Oma Pusch. "Ich kauf mir neue."
"Wenn der Fiffi da schon beigeht, war das wohl auch bitter nötig", gab Hinnerk seinen Senf dazu und schmunzelte.
Niemand wollte das Thema weiter vertiefen. Es entstand ein Moment der Stille, wenn man das bei Seewind, Möwengeschrei und Meeresrauschen so sagen wollte. Dennoch drang etwas in ihre Ohren. Ein Pochen vielleicht, schwach und arrhythmisch.
"Hört ihr das?", fragte Oma Pusch.
"Ja", kam von Hinnerk und gleichzeitig ein "Nee" von Lina.
Der knabbernde Luzi war zu nah an ihrem Ohr.
"Könnte es ein Klopfen sein?", überlegte Oma Pusch laut. "Vielleicht klopft wer an die Tür von dem Wohnmobil?"
Sie zeigte auf den verwaisten Camper, von dem der alte Fischer vorhin gesprochen hatte.
Hinnerk spitzte die Ohren und hielt eins direkt an den Wagen. "Das müsste doch lauter sein", gab er zu bedenken. "Ich hab doch da vorhin angeklopft. Guck mal: So!"
Er hämmerte mit der Faust dagegen und lauschte dann.
Wieder vernahmen sie ein leises Geräusch, das schwer einzuschätzen war.
"Könnte doch sein, dass da einer drin liegt und Hilfe braucht", führte Oma Pusch an.
"Nee, das glaube ich nicht, die waren zu zweit", erklärte Hinnerk. "Ein Ehepaar aus Bayern. Wenn einem von beiden was passiert wäre, hätte der andere doch Hilfe holen können."
Oma Pusch zuckte mit den Schultern. "Ist ja deine Verantwortung", stellte sie fest. "Aber ich denke, dein neuer Job ist bald Essig, wenn man dir unterlassene Hilfeleistung vorwerfen wird."
Schlagartig wurde Hinnerk puterrot im Gesicht. "Menno, ich habe doch . Was soll ich machen?"
Oma Pusch stöhnte. "Laat mi mol maaken! Ich rufe meinen Neffen, Oberkommissar Eike Hintermoser, an. Der soll da aufmachen. Wir können die Tür schließlich nicht einfach so von selbst aufbrechen."
"Machst du doch sonst auch", winselte Hinnerk. "Du weißt genau, dass ich mit der Polizei nix am Hut habe."
Oma Pusch ignorierte den Einwurf und versuchte, durch die Fenster des Wohnmobils zu sehen, aber die waren getönt. Man erkannte rein gar nichts.
"Oh nee, nich schon wieder eine Leiche", rief Lina und dachte an den verblichenen Bertil Bolle vom letzten Jahr. Ihr wurde ganz schummerig. "Was bin ich froh, dass ihr nicht mal probiert, ob sich die Schiebetür öffnen lässt."
"Genau das machen wir jetzt", sagte Oma Pusch und warf Lina einen anerkennenden Blick zu.
Dann zog sie am Öffner, der butterweich nach- und den Weg ins Innere freigab, als sie ihn nach links schob. Jedenfalls fast, denn auf dem Boden im Gang lag eine bedauernswerte Gestalt.
Lina wollte den Blick auf die Glatze missverstehen.
"Nee, nee, der Mann lebt noch", rief Oma Pusch schnell, damit Luzis Frauchen nicht wieder aus den Latschen kippte. Sie selbst hatte nicht mal welche an, aber ein Mensch - tot oder lebendig - hätte unsere Hobbyermittlerin eh nicht umgehauen. Nun aber war schnelles Handeln angesagt. Aus dem Mund des Bayern kam nur noch ein schwaches Röcheln. Fast meinte sie, dass er etwas...
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