Schweitzer Fachinformationen
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Robert, ein großer, männlicher Typ in heller Tweedjacke, die den reizvollen Gegensatz seiner dunklen Haare und blauen Augen noch betonte, betrat das Ministerium, erwiderte im Vorbeigehen den Gruß des Pförtners und wandte sich mit entschlossenen Schritten, die laut auf dem Marmorboden hallten, dem Aufzug zu.
Im zweiten Stock überquerte er den mit Teppich ausgelegten Flur und klingelte an der Tür seiner Freunde Lacroix. Georges Lacroix war Ministerialbeamter, seine Frau Marie-France befand sich zur Zeit in psychoanalytischer Behandlung, was ihre Aufgeschlossenheit für sexuelle Probleme und die Nachsicht erklärte, mit der sie die Abenteuer ihres Mannes hinnahm. Robert Milly, mit beiden eng vertraut, war als abstrakter Maler erfolgreich.
Das Dienstmädchen öffnete und lächelte sogleich vielsagend, als es den Künstler in der Tür stehen sah.
«Guten Tag, Madeleine. Sind Monsieur und Madame zu Hause?»
«Nur Madame», antwortete das Mädchen und ließ ihn eintreten.
Mit einem raschen Blick auf eines seiner Bilder an der Wand des Vorraums ging er, während das Mädchen die Eingangstür wieder schloß, auf das Wohnzimmer zu. Er trat ein, ohne anzuklopfen.
Marie-France, eine kleine, pummelige Blondine mit kurzem Haar, saß, mit einem roten Bademantel bekleidet, in einem Sessel und las. Sie hatte ein Bein über die Armlehne gelegt und ließ ihren Pantoffel an der Zehenspitze baumeln.
Robert küßte sie auf den Hals und streichelte wie absichtslos über ihren halb entblößten Schenkel.
«Bob! Wie geht's dir, mein Lieber?» rief sie fröhlich aus.
«Es ist schönes Wetter, und ich bin bester Laune», erwiderte der junge Mann, während er seine Jacke in hohem Bogen auf das Sofa warf.
Marie-France kicherte. Seit Robert sie gestreichelt hatte, klaffte ihr Bademantel noch weiter auseinander, und sie machte keinen Versuch, ihn zu schließen.
«Und was macht die Liebe?» erkundigte sie sich.
«Es ist Frühling - die beste Jahreszeit.»
Der Maler setzte sich neben sie auf die andere Armlehne und griff ihr ins blonde Haar.
Er war gerade dabei, sein neuestes Abenteuer zu erzählen, als die Tür aufging und Georges Lacroix eintrat. Er trug einen korrekten dunklen Anzug. Ohne ihre Haltung zu verändern, begrüßte ihn Marie-France mit den Worten: «Also weißt du, deine Aufsichtsratssitzungen werden auch immer länger .»
Georges lächelte sphinxhaft, drückte Robert die Hand und zog Marie-France den Pantoffel vom Fuß, den sie ihm jedoch gleich wieder entriß. Dann schob sie den Maler freundlich beiseite.
«Benimm dich anständig, Madeleine kommt gleich.»
Unwillig stand Robert auf: «Ach die! . Seit sie einmal . Immer muß man sich anständig benehmen, sogar bei euch hier! Wenn das nicht widerlich ist!»
Der Künstler hatte noch nie mit Marie-France geschlafen, und aller Wahrscheinlichkeit nach würde er es auch nie tun. Sie hatten eines Abends zu dritt darüber gesprochen und waren einmütig zu dem Schluß gekommen, daß es einfach zu lächerlich gewesen wäre.
«Wir müßten dauernd lachen», hatte Marie-France hinzugefügt, «es würde nicht gehen.»
Im übrigen gefiel sie Robert nicht besonders - abgesehen von ihren wirklich erstaunlich festen runden Brüsten. Er zog die dunkelhaarigen Frauen den Blondinen vor.
Die drei waren ungefähr gleich alt, und ihre Freundschaft wurde durch gemeinsame Interessen genährt: sie mochten klassische Filme, die sie sich in Filmclubs gemeinsam ansahen, erotische und pornographische Werke, die Robert besorgte, und vor allem junge Mädchen.
Nicht daß Marie-France lesbisch gewesen wäre - auch wenn sie einmal, bei einem «Alpenball», einem Sonntagsvergnügen für bescheidenere Leute, die sich das Monocle nicht leisten konnten, fast der Versuchung erlegen wäre.
Nein, da reizten junge Männer sie schon eher. Doch ihr «wissenschaftliches» Interesse an Liebesdingen erstreckte sich auch auf die Partnerinnen Roberts und ihres Ehemanns.
Wie erwartet stieß Madeleine die zweite Tür des Wohnzimmers auf und meldete leise: «Madame, es ist angerichtet.»
Sie begaben sich ins Eßzimmer. Die Wände waren mit modernen Wandteppichen behängt. Robert stibitzte ein Radieschen vom Tisch, bevor er sich an seinen Stammplatz setzte.
«Nun», wandte er sich mit vollem Mund an Georges, «bricht das Ministerium zusammen?»
Georges grinste: «Noch immer leidenschaftlich an Politik interessiert, wie ich sehe!»
Madeleine trug den Braten auf.
Georges langweilte sich im Ministerium, wo er offiziell immer Ruhe und Gelassenheit zur Schau tragen mußte und sich meist nur in einem neutralen Ton diplomatisch äußern durfte. War politisches Denken einerseits seine Stärke, so schützte es ihn andererseits aber auch vor der Versuchung, an irgendwelchen Machtspielen teilzunehmen. Infolgedessen war er, sobald er sein Büro verlassen hatte, voll verfügbar für Zerstreuungen.
Diese Zerstreuungen suchte das Trio außer in gemeinsamen kulturellen Unternehmungen vor allem in dem Spiel, Personen des schwachen Geschlechts zu verführen - mit Vorliebe Studentinnen, Sekretärinnen oder junge Ausländerinnen, die sich auf der Durchreise in Paris befanden.
Marie-France füllte den beiden Männern, die sich das nur zu gern gefallen ließen, die Teller auf. Und da sie ihren Mann in Anwesenheit Roberts gern bemutterte, kam ihre Fürsorge auch diesem zugute.
«Wo bleibt der Senf! Wo sind die Cornichons?» rief der Maler ungeduldig. «Wird man in diesem Hause denn nicht bedient?»
Sie klingelten Madeleine, und nachdem diese das Gewünschte gebracht und die Tür wieder hinter sich geschlossen hatte, fragte Marie-France ihren Mann: «Erzähl doch mal, wie die Sitzung war. Hat alles geklappt?»
«Es war wirklich sehr schönes Wetter», erwiderte Georges mit boshafter Ironie.
«Etwas action bitte!» warf Bob ein.
«Also, ich habe da eine junge Schwedin kennengelernt .»
«Ah, die Schwedinnen .» rief Robert verzückt.
Georges Lacroix verfügte über einen Dienstwagen. Am Steuer dieses Autos machte er sich entlang der Seine auf die Jagd und nahm die Auslagen der Bouquinisten ins Visier. Sobald er dort eine aufreizende Gestalt bemerkte, stellte er den Wagen am Straßenrand ab, verschloß ihn sorgfältig, näherte sich dem Opfer und sprach es an.
Wenn das Opfer ihm mit Schweigen oder gar mit Verachtung begegnete, ließ er meist von ihm ab. Es kam auch vor, daß er gar nicht erst versuchte, anzubändeln, wenn ihm eine Person, die ihn von ferne angezogen hatte, aus der Nähe doch nicht recht gefiel. Aber es kam nur sehr selten vor, daß er nach drei oder vier Versuchen nicht mit einer Unbekannten in einem der nahe gelegenen Cafés saß.
«Und hast du sie vernascht?» erkundigte sich Robert ungeduldig.
«So warte doch ab», beschied ihn sein Freund knapp.
Georges' großer Erfolg bei jungen Mädchen war auf seine Trägheit und seine völlige Gleichgültigkeit zurückzuführen. Da er es nie eilig hatte, sein Opfer zu Fall zu bringen, denn für seine gewöhnlichen Bedürfnisse hatte er ja seine Frau, erlaubte er sich eine sehr lässige Art der Werbung, die ihnen einerseits eine gewisse Sicherheit gab, sie andererseits aber oft stark erregte.
Er gab sich als «Stellvertreter eines Kulturattachés» aus, wodurch er sich ein gewisses Prestige zulegte, andererseits seinen Ruf nicht in Gefahr brachte. Es war übrigens auch diese Sorge um seine offizielle Stellung, die ihn veranlaßte, seine Freundinnen außerhalb seiner Kreise zu suchen. Aus demselben Grund nahm er sie auch selten mit nach Hause.
Robert dagegen, der ein sehr viel lebhafteres Temperament besaß, wandte eine andere Methode an, wenn er auf Beutezug war. Als Junggeselle, der für seine sinnlichen Bedürfnisse auf den Zufall angewiesen war, brachte er weniger Geduld auf als Georges. Er fand seine Freundinnen an den verschiedensten Orten. Dem Spazierengehen weniger abgeneigt als der Beamte streifte er in den Mensen und Bibliotheken der Universität herum, ging am Samstagnachmittag ins Kaufhaus Lafayette oder er benutzte die Métro zu Büroschlußzeiten.
Einig waren sich die beiden Freunde aber darin, daß sie ihre Jagd auf eine bestimmte Gruppe von Frauen begrenzen mußten. Nachdem sie zuerst die Eleganten und die Verheirateten, die Arbeiterinnen, Modelle, Schauspielerinnen, Mannequins, Dienstmädchen und kleinen Näherinnen ausprobiert hatten, waren sie überein gekommen, daß es nur ein einziges lohnendes Revier gab - das der kleinen bürgerlichen Intellektuellen zwischen sechzehn und zwanzig Jahren. Bei ihnen hatte man die größten Chancen, den gewünschten frischen Teint und straffen Körper sowie die besten Anlagen zur Verderbtheit zu finden.
Als sie beim Käse angelangt waren, nahm Georges nun umgekehrt Bob ins Verhör: «Und du, wie weit bist du mit Sarah gekommen?»
«Keine Ahnung, ich habe sie nicht wiedergesehen.»
Sein Freund entrüstete sich: «Was? Kannst du nicht etwas ernster an die Sache herangehen?»
Robert war in der Tat sehr nachlässig in seinen Beziehungen zu Frauen. Ständig auf neue Frauen aus, ließ er jede fallen, sobald sie sich ihm hingegeben hatte. Und wenn er dann eines Tages wieder Lust auf die eine oder andere hatte, wunderte er sich, daß sie wütend auf ihn war.
Georges dagegen ging in seinen Liebesbeziehungen ebenso systematisch vor wie bei seinen Analysen der öffentlichen Meinung über die Regierung. Wenn er keine Lust oder keine Zeit hatte oder wenn er gerade mit einer neuen Eroberung beschäftigt war, bemühte er sich wenigstens, seinem letzten Opfer eine Nachricht zukommen zu lassen...
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