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Wie durch ein Wunder wachte ich gerade noch rechtzeitig eine Stunde vor Spielbeginn auf. Noch eine Panne konnte ich mir heute wirklich nicht erlauben, und so schnappte ich mir mein Diktiergerät und stürmte aus dem Zimmer. Eigentlich hatte ich vorgehabt, das Hotelzimmer vor dem Spiel wieder zu verlassen, um nicht auch noch für die Nacht bezahlen zu müssen. Aber das war ohnehin das geringste Übel, das ich Udo morgen beichten musste. Mein Hotel war in St. Pauli, und das Stadion lag etwas außerhalb von Hamburg. Ich sprang in das nächste Taxi und überzeugte den Fahrer mit einem großzügigen Trinkgeld davon, ebenso großzügig mit den Geschwindigkeitsbegrenzungen umzugehen. Pünktlich mit dem Anpfiff erreichte ich meinen Sitzplatz.
Das Spiel war eher mittelmäßig. Nur Daniel musste natürlich mal wieder eine Glanzleistung abliefern und Hamburg den schwachen Eins-zu-null-Heimsieg über den Schlusspfiff retten. Er wurde wie ein Held gefeiert, und mir war klar, dass seine Fans von mir am Montag mit Sicherheit nicht lesen wollten, was für eine eingebildete Nullnummer er war. Erwartungsgemäß erschien Daniel nicht auf der Pressekonferenz. Damit war auch meine letzte Chance dahin, mit ihm noch in irgendeiner Weise ins Gespräch zu kommen. Mein ohnehin kaum vorhandener Artikel nahm immer konturlosere Formen an. In knapp drei Stunden würde ich die Heimreise antreten mit nichts im Gepäck außer unbeantworteten Fragen und zusammenhanglosem Gestammel auf dem Diktiergerät, an das ich mich immer noch nicht gewöhnt hatte. Am besten schrieb ich auf der Fahrt meine Kündigung.
Völlig erschlagen kam ich ins Hotelzimmer zurück. Am liebsten hätte ich mich unter der Bettdecke verkrochen und wäre nie wieder aufgestanden. Stattdessen gönnte ich mir ein ausgiebiges Bad, um wenigstens einen Teil der überflüssigen Übernachtungskosten auszunutzen. Nach einer halben Stunde entspannendem Melissenkräuterbad fühlte ich mich wieder etwas weniger wie eine Praktikantin und mehr wie eine Journalistin an einem einfach nur erfolglosen Tag. Ich hatte noch anderthalb Stunden Zeit, bis das tolle Sonderangebot der Bahn mich zurück nach Köln verfrachten würde. Ich wickelte mich in ein Handtuch ein und suchte in meiner Tasche vergeblich nach einer Bürste, als mein Blick auf den Schwangerschaftstest fiel. Er wartete immer noch brav neben meinem leeren Handy auf dem Nachtschränkchen. Ich zögerte. An einem Tag wie diesem war im Grunde klar, dass das Ergebnis positiv sein würde. Bestimmt hatte ich entweder den einzigen fehlerhaften Test erwischt, stressbedingt irgendwelche Stoffe im Urin, die Schwangerschaftshormonen verdammt ähnlich waren, oder würde einfach die Bedienungsanleitung nicht richtig lesen können. Andererseits konnte mich heute nichts mehr umhauen, und wenn ich den Test unbenutzt mit nach Hause nehmen würde und Tim ihn dort entdeckte, könnte das vielleicht zu Missverständnissen führen. Mit dem Mut der Verzweiflung zog ich das Stäbchen aus der Verpackung und setzte mich aufs Klo. Dann blieb ich auf dem Klodeckel sitzen und starrte wie gebannt auf das Ergebnisfeld. Alles wäre gut, wenn alles so bliebe, wenn sich bloß nichts verfärbte, vor allem nicht rot. Ich versuchte das Stäbchen regelrecht mit meinem Blick zu hypnotisieren, aber anstatt mir zu gehorchen, erschien plötzlich ein schwacher rosa Schimmer in dem Feld. Oder war es eine optische Täuschung? Wenn man zu lange auf den roten Beispielstreifen schaute und dann auf das weiße Feld, spielten einem die Augen bestimmt einen Streich. Ich zwang mich, kurz in die weiße Badewanne zu schauen, um dann noch einmal völlig unvoreingenommen auf das Ergebnisfeld zu gucken. Tatsächlich, der rosa Schimmer war inzwischen schon eher dunkelrosa und sah, wenn man es pessimistisch betrachten wollte, dem Streifen daneben durchaus ähnlich. Mein Herz setzte für mindestens drei Schläge aus, mein Kopf fing an zu glühen, und gleichzeitig lief es mir eiskalt den Rücken runter. War ich wirklich schwanger? Oder war es doch umgekehrt und man war schwanger, wenn sich das Kästchen nicht verfärbte? Natürlich, viel logischer war doch, dass man nicht schwanger war, wenn sich das Feld rot färbte, wenn man also quasi den Test bestanden hatte. Rot im Feld bedeutete alles richtig gemacht, Klassenziel erreicht, kein Baby. Genau, so hatte es doch auch in der Bedienungsanleitung gestanden.
Ich sprintete zum Bett, wo die Bedienungsanleitung lag, aber bevor ich sie lesen konnte, klopfte es an meine Tür. Das Zimmermädchen, natürlich. Wahrscheinlich stand der nächste Gast für dieses Zimmer schon an der Rezeption, obwohl ich ordentlich für seine Übernachtung mitblechen durfte.
»Ist ja gut. Ich bin in einer Stunde weg. Darf ich so lange wenigstens noch meine Ruhe haben? Immerhin habe ich für diese Nacht bezahlt«, rief ich genervt durch die Tür, aber es klopfte noch mal. »Wenn Sie noch länger klopfen, bleibe ich doch noch bis morgen. Was ist denn?« Ich riss die Tür auf, aber statt des übereifrigen Zimmermädchens stand dort Daniel Schulte.
»Oh.« Mehr brachte ich zur Begrüßung nicht raus.
»Ja, hallo, stör ich, bist du . bist du . gerade beschäftigt . oder in einer Besprechung?«, stammelte er nun plötzlich völlig eingeschüchtert.
»Ah, nein, komm doch rein.« Abgesehen davon, dass ich meine Besprechungen selten im Handtuch und mit einem Schwangerschaftstest in der Hand abhielt, hätte mich in diesem Moment keine Beschäftigung der Welt davon abhalten können, Daniel hereinzubitten. Daniel blieb allerdings höflich vor der Tür stehen: »Willst du dich nicht erst anziehen?«
»Ja, natürlich. Dauert nur einen kurzen Moment. Aber nicht weglaufen, versprochen?«
Daniel nickte und ich schloss die Tür. Vor Aufregung wusste ich gar nicht, wo ich anfangen sollte. Als Erstes musste ich den Test entsorgen. Der wirkte eindeutig nicht professionell, und private Dinge hatten schließlich bei der Arbeit nichts zu suchen. Ich warf den Test in den Mülleimer, aber nicht, ohne vorher noch einen Blick auf das Testfeld zu werfen. Es hatte sich jetzt auf ein nicht allzu dunkles Rosa eingependelt, das Ergebnis war also ein eindeutiges >Eventuell schwanger, aber wahrscheinlich eher nicht.< dann schlüpfte ich in dieselben Klamotten wie vorhin, etwas anderes hatte ich nun mal nicht dabei, warf einen Blick auf meine strubbeligen Haare, die sich auch mit Bürste nicht an unsere Abmachungen gehalten hätten, und öffnete schwungvoll die Tür.
»So, jetzt aber. Komm doch rein. Wie hast du mich überhaupt gefunden?«
Daniel blieb etwas ungelenk mitten im Zimmer stehen, »Na ja, unter deiner Nummer habe ich dich nicht erreicht. Aber du hattest sie auf diese Karte hier vom Hotel geschrieben, da dachte ich, ich versuche mal mein Glück, und wie du schon sagtest, ich habe eben gerade eine Glückssträhne.«
Vielleicht war ich ja doch nicht so unprofessionell, wie ich dachte, auch wenn ich vorhin auf der Straße eine halbe Stunde lang nach genau dieser Karte gesucht hatte.
»Ähm, ja, tut mir leid, mein Handy hat wohl einen Wackelkontakt, na ja.«
Daniel sah mich etwas irritiert an, nahm die Erklärung aber so hin. Er war jetzt wesentlich legerer gekleidet als vorhin, mit einer dunklen ausgewaschenen Jeans, Turnschuhen und einer knallgrünen neumodisch alten Adidas-Jacke, wie man sie eigentlich nur in Hamburg tragen konnte. Für einen Sportler wirkte er trotz seiner einsneunzig eher schmächtig. Er war nicht gerade ein Muskelpaket, seine blonden Haare waren strähnig, mittellang, mit einem strubbeligen Pony, er hätte auch ohne weiteres als Student durchgehen können. Plötzlich wurde mir bewusst, dass ich ihn viel zu lange angestarrt hatte, ohne ein Wort zu sagen. Schnell gratulierte ich ihm zum gewonnenen Spiel und bot ihm einen Stuhl an.
Daniel winkte ab. »Ich wollte mich bei dir entschuldigen, für eben. Meinst du, wir können das Interview noch nachholen, oder ist es jetzt zu spät?«
Ich musste ein leichtes Grinsen unterdrücken. Sein ganzes Star-Gehabe und seine Arroganz waren mit einem Mal verflogen. Er hatte nur geblufft und in Wirklichkeit nicht die geringste Ahnung vom Mediengeschäft.
»Naja, wenn du jetzt bereit bist, auch mit einer Praktikantin zu reden, kann ich vielleicht noch ein paar Zeilen ändern, bevor das Blatt in den Druck geht.«
»Sorry, echt. Das habe ich nicht so gemeint. Ich weiß im Moment einfach nicht mehr, wo vorne und hinten ist. Alle sagen, sei bloß vorsichtig mit den Leuten vom Fernsehen und von der Zeitung, weil die sowieso machen, was sie wollen. Ich meine, mal loben die dich ins Unendliche, und dann schreiben sie wieder irgendeinen Scheiß über deine Eltern, deine Freundin, Drogen, was weiß ich. Ich will am liebsten gar nicht mehr mit denen reden. Aber unser Manager meinte, dass das Interview mit eurer Zeitung absolut seriös wäre. Naja, und dann habe ich dich gesehen und dachte: Hey, wollen die dich jetzt verarschen oder was, die ist doch nie im Leben eine richtige Fußballreporterin.« Daniel hatte sich richtig in Rage geredet, aber jetzt warf er mir einen schüchternen Blick zu. »Naja, du siehst eben überhaupt nicht . Ich weiß auch nicht . tut mir leid.«
Ein bisschen konnte ich seine Reaktion jetzt nachvollziehen, und ich versicherte ihm, dass ich tatsächlich eine fertige Journalistin und auch älter war, als ich womöglich aussehen würde, und dass ich einen ganz und gar seriösen Artikel über ihn schreiben wollte, da es mir ohnehin ein Rätsel war, wie man drei Tage lang auf der Titelseite über einen einzigen Joint in der Umkleidekabine berichten konnte.
Daniel nickte ernst: »Das ist mir dann auch aufgegangen, als du mich angemotzt hast.«
Na gut, das war dann eher nicht so seriös, und ich wechselte schnell das Thema:...
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